Dreikönigstag: "Heulerle" erinnert an die schlechten Zeiten im Leben / Kein traditioneller Fasnetsauftakt

"Es ist zum Heulen" – die altbekannte Redensart ist dem "Heulerle", einer Gestalt der "Schöninger-Schantle" in Oberndorf, ins Gesicht geschrieben. Was hatte das alte "Heulerle" im Angesicht der Welt und im Lauf der Zeit nicht schon alles zu beklagen. Zeiten ohne oder mit kaum Fasnet in und nach den Kriegen – und jetzt in der Coronakrise.

Oberndorf. Und stets kamen, so hat man den Eindruck, noch ein paar Kummertränen und Sorgenfalten in das Gesicht des "Heulerles" hinzu. Es gibt eben nicht nur gute, sondern auch schlechte Zeiten im Leben durch Krankheit, Tod oder Zeitumstände. Es spricht für die Lebensweisheit des alten Maskenschnitzers, dass er eben diese Grunderfahrung in sein meisterhaftes "Heulerle" legte.

Inmitten aller Lebensfreude an der Fasnet mahnt es, dass es eben nicht nur die hellen, sondern auch die dunklen Stunden im Leben gibt, wenn zum Heulen zumute ist.

"Es ist zum Heulen" –dazu gibt heute auch die Corona-Zeit Anlass genug. Es ist zwar gewiss kein Weltuntergang, nicht wie gewohnt die Fasnet feiern zu können, aber schmerzhaft gleichwohl: keine Dreikönigsversammlung, kein Schantlesonntag, kein Schmotziger Donnerstag, kein Kinderumzug, kein Rammeln, kein Narrensprung, kein Narrenessen. "Home-Fasnet" wie "Home-Office" ist angesagt. Wieder einmal passt das "Heulerle" in die Zeit hinein: "O jerum, o jerum, dia Fasnet hot a Loch. Jetzt ka m’ nemma singa, De Narra nore springa, O jerum o jerum, dia Fasnet hot a Loch!"

Die Wehmut, die Fasnetsbegeisterte 2021 empfinden, weil sie auf die Fasnet verzichten müssen, wurde auch schon früher empfunden, wenn die Fasnet ausfallen musste, meistens jedoch aus politischen Gründen – wie zum Beispiel vor 75 Jahren nach dem harten Nachkriegswinter 1945/46. Damals war die allgemeine Not – und ganz besonders in der schwer angeschlagenen Industriestadt Oberndorf am Neckar – so groß, dass es an der Fasnet weitgehend still bleiben musste.

"Wehmutsvoll denkt jeder Oberndorfer an den ›schmotzigen Donnerstag‹ der Vorkriegszeit", ist eine Klage aus der damaligen Zeit überliefert. "An diesem Tage gab es früher in jeder zünftigen Narrenfamilie zum Mittagessen ›schmotzige‹ Fasnetsküchle, in Backschüsseln vorgesetzt… und an den Gasthöfen baumelte lustig im Winde die ›Saubloder‹. Sie winkte dem Vorbeigehenden zu: ›Komm herein, hier gibt’s eine währschafte Metzelsupp!‹"

Alle diese Freuden waren vor 75 Jahren in einer "Stadt in Not" wehmütige Erinnerung an bessere Zeiten. "Die Fasnet ist hier sang- und klanglos verlaufen. Die Oberndorfer Narren hatten mit Rücksicht auf den Ernst der Zeit auf alles verzichtet", liest man nach dem Aschermittwoch in einem Rückblick.

Selbst die Hoffnung, "dass mei Mutter Küachle backt und a ander G’sicht na macht", erfüllte sich nicht: "Ja, die Oberndorfer Hausfrauen stehen im Verdacht, daß sie sogar auch die berühmten ›Küachle‹ der alten Zeit vergessen haben."

Aber Zeiten kommen und gehen. So ermutigt trotz alledem der Chronist vor 75 Jahren seine Nachwelt, dass das "Heulerle" nach der traurigen Fasnet wieder einer freudenreiche Fasnet im Jahr darauf entgegensehen kann.