Tobias Pflüger (Die Linke), Sonja Rajsp (B90/Die Grünen), Klaus Kirschner (SPD), Stefan Teufel (CDU), Gerhard Aden (FDP) und Emil Sänze (AfD) nehmen auf dem Podium im Bonhoefferhaus Platz (von links). Gymnasiallehrer Rüdiger Christ (stehend mit Mikro) moderiert. Im Hintergrund sind einige der Schüler des Neigungskurses Gemeinschaftskunde zu sehen. Fotos: Danner Foto: Schwarzwälder-Bote

Podiumsdiskussion: Rüdiger Christ und seine Schüler locken sechs Politiker und mehr als 100 Gäste an

Oberndorf. "Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir" – die Umkehrung des Seneca-Zitats ist keineswegs eine Plattitüde. Der Neigungskurs Gemeinschaftskunde des Gymnasiums am Rosenberg hat das bewiesen, als er eine Podiumsdiskussion auf die Beine stellt, die kreisweit ihresgleichen sucht.

"Ihr da oben belügt uns doch alle – zur Krise von Demokratie und Medien" – diese These haben die Schüler in Anlehnung an einen Spiegel-Titel über die Veranstaltung gestellt. Wirklich angesprochen fühlt sich die Diskussionsteilnehmer von dieser provokativen Aussage indes nicht. Vielmehr sehen sich einige eher zu "denen da unten" zugehörig. Politiker aller Couleur haben die Gymnasiasten eingeladen. Von der Linken bis zur AfD ist alles auf dem Podium vertreten. Mehr als 100 Besucher im proppevollen Bonhoefferhaus sind der Lohn für das Engament von Lehrer Rüdiger Christ und seinen Schülern. Mit solch einer großen Resonanz hätten sie nicht gerechnet.

Doch mit dem Thema scheinen Christ und die Jugendlichen den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Eine inhaltliche Diskussion wollen die angehenden Abiturienten führen, ohne "Herumgehacke" auf einzelnen politischen Gästen. Das gelingt ihnen auch weitgehend. Die Wortbeiträge bleiben sachlich, persönliche Spitzen sind kaum auszumachen.

Zudem haben sich die Gymnasiasten zum Ziel gesetzt, "ihre" Podiumsdiskussion nicht zum reinen Wahlkampf verkommen zu lassen. Tagespolitische Themen sollen eigentlich außen vor bleiben. Da haben sie die Rechnung allerdings zuweilen ohne die Politprofis gemacht. Gegen Ende der Veranstaltung nutzt der eine oder andere das Forum halt dann doch, um Wahlkampf zu betreiben.

Drei Stunden lang stehen die Politiker Rede und Antwort. Und gut die Hälfte der Zeit geht es auch um das eigentliche Thema – die Demokratie in der Krise. Damit schaffen Rüdiger Christ und die Zwölftklässler, was manchem Moderator einer Fernsehsendung nicht gelingt.

Auf der Suche nach der Ursache für die "Verachtung" – wie es Moderator Christ formuliert –, die den Volksvertretern entgegenschlägt, gibt es sogar einen Konsens unter den Podiumsgästen. Es brauche mehr Basisdemokratie, sind sich alle mehr oder weniger einig. In Baden-Württemberg, betont CDU-Landtagsabgeordneter Stefan Teufel, habe man die Quoren – also die notwendige Stimmenanzahl – für Bürgerentscheide abgesenkt. Das müsse auch auf Bundesebene passieren, werfen die Kollegen links und rechts von ihm ein. Obgleich es durchaus auch starke Befürworter der repräsentativen Demokratie gibt.

Freie Meinungsäußerung ist ein weiteres Thema, das Rüdiger Christ vorgibt. Und er macht es ganz konkret am Fall von Christa Lörcher fest. Die SPD-Politikerin war von ihrer Partei "abgestraft" worden, weil sie 2001 dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder die Stimme bei der Vertrauensfrage verweigerte, weil daran die Abstimmung über einen militärischen Einsatz im Afghanistan-Krieg gebunden war. Was ist also wichtiger – die Gewissensentscheidung oder der Fraktionszwang? Auch er habe manches Mal mit der Faust in der Tasche abgestimmt, berichtet der einstige SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Kirschner. Doch bei knappen Mehrheiten müsse man sich eben auf loyale Stimmen verlassen könne. Sonst funktioniere Politik nicht.

Was das Recht der freien Meinungsäußerung angeht, so ist für Tobias Plüger (Die Linke) ganz klar das Grundgesetz das Maß aller Dinge. Was gegen dessen Artikel nicht verstoße, dürfe auch ausgesprochen oder geschrieben werden.

Gegen später dürfen auch die Zuhörer Fragen stellen. Und da treibt einige um, warum sich die Kanzlerin Angela Merkel nicht ganz klar gegen die Nazi-Vergleiche von Recep Tayyip Erdogan positioniert. Eine zufriedenstellende Antwort bekommen die Fragesteller an diesem Abend nicht.

Die vielleicht interessanteste Frage stellt eine Schülerin ganz am Schluss der Veranstaltung: "Kann es sein, dass unser politisches System einfach veraltet ist und wir ein neues brauchen?" Und AfD-Mann Sänze gibt ihr recht: "Dazu sage ich eingeschränkt ›ja‹. Wir müssen unser System langfristig umbauen."