Männer in Diskothek verprügelt. 20-Jähriger legt Revision gegen Jugendarrest ein.
Oberndorf/Rottweil - Harte Arbeit oder Jugendarrest? Diese Frage stellte sich vor dem Rottweiler Landgericht. Ein 20-jähriger Oberndorfer hatte das Urteil, das vom Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung gefällt worden war, angefochten.
"Ich war zu eifersüchtig", "Ich möchte kein Asozialer sein" – noch vor einem Jahr hatte sich der Angeklagte vor dem Oberndorfer Amtsgericht zerknirscht gegeben. Beteuerungen, denen keine Taten folgten. Stattdessen schlug der 20-Jährige wieder zu, und das völlig grundlos, wie nun auch vor dem Rottweiler Landgericht festgestellt wurde.
Als er im Februar 2017 das erste Mal in einer Diskothek zugeschlagen hatte, geschah es aus Eifersucht, wie er damals vor dem Amtsgericht zugab. Zwei Männer hatten sich in den Streit mit seiner Ex-Freundin eingemischt und dafür mehrere Schläge abbekommen. Es war nicht das erste Körperverletzungsdelikt, wie ein Blick ins Vorstrafenregister zeigte. Der heute 20-Jährige könne seine Impulsivität nicht steuern, hieß es. Dennoch hatte Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer ihm damals noch keinen Hang zu Gewalttaten attestiert.
Opfer durch Wodka in den Augen wehrlos
Völlig anders war das offenbar bei der Tat, die sich im Herbst 2017 ereignet hatte. Erneut war eine Diskothek Schauplatz der Gewalttat, diesmal in Tübingen. Das Opfer, ein 23-Jähriger aus der Sulzer Gegend, schilderte vor dem Landgericht, dass ihn zunächst der Freund des Angeklagten zum Tanzen an der Hand genommen hatte, obwohl sich die jungen Männer nicht kannten. Der 23-Jährige hatte das Tanzen als unangenehm empfunden und seine Hand weggezogen, woraufhin er das Wodka-Mischgetränk des Mannes ins Gesicht geschüttet bekam. Er habe sich die brennenden Augen gerieben, schilderte der Geschädigte, und habe beim Hochschauen nur noch gesehen, wie der damals 19-jährige Angeklagte mit seiner Wodkaflasche ausgeholt und sie ihm mit dem Flaschenboden voraus ins Gesicht gedonnert habe.
Der zu diesem Zeitpunkt wehrlose 23-Jährige erlitt mehrere Wunden sowie einen Riss im Schneidezahn, wodurch er mehrere Wochen über nur Flüssignahrung zu sich nehmen durfte und lange Schmerzen hatte. Sei die Flasche anders aufgekommen, hätte das Opfer schlimmstenfalls einen Schädelbasisbruch oder Jochbeinbruch erlitten, so laut Geschädigtem die Aussage eines Arztes.
Der Angeklagte gab sich vor Gericht Mühe, die Tat zu verharmlosen. So dementierte er, beim Schlag ausgeholt zu haben. Vielmehr sei er geschubst worden und habe die Flasche auch nur ins Gesicht "gedrückt". "Die Geschichte passt nicht", stellte nicht nur Richter Thomas Geiger fest. Warum es überhaupt zur Tat gekommen war, konnte der Angeklagte nicht erklären.
Stattdessen tat er sich wieder durch Beteuerungen hervor. Er halte sich seitdem vom Feiern und gewissen Bekannten fern, meinte er. "Ich habe große Schuldgefühle." Seitdem er am Anti-Aggressionstraining teilnehme, denke er auch oft über die Taten nach.
Ziel der Berufung sei ein anderes Sanktionskonzept, Arbeit statt Arrest, erklärte Verteidiger Bernhard Mussgnug. Der 20-Jährige, der nach seiner abgebrochenen Ausbildung noch nie einer geregelten Arbeit nachgegangen war, erhoffe sich dadurch Arbeitserfahrung. "Beim Arrest sitze ich die Zeit einfach ab", meinte der Angeklagte. "Da wird erzieherisch mit Ihnen gearbeitet", widersprach Richter Geiger. Seit diesem Jahr helfe er seinem Vater im Betrieb, erklärte der Oberndorfer. Er wolle auf den richtigen Weg kommen.
Das sah der Sachverständige der Jugendgerichtshilfe in Rottweil anders. Er zeigte sich "erschüttert" wie wenig reflektiert der Angeklagte immer noch sei. "Ich sehe so gut wie keine glaubhafte Reue", so seine Einschätzung. Es gehe dem Oberndorfer lediglich darum, so gut wie möglich aus der Sache herauszukommen.
Zudem sei er sich nicht sicher, ob der 20-Jährige fehlende kognitive Fähigkeiten habe oder sich schlichtweg dumm stelle. Angesichts der Beschönigung seiner Taten halte er Arrest für eine gute Möglichkeit, aus dem gewohnten Umfeld herauszukommen, so der Sachverständige.
Verteidiger Mussgnug versuchte, die Lage zu retten. Sein Mandant sei ein schwieriger Mensch, der sich nicht gut verkaufen könne. Er müsse aus seiner Lethargie erwachen. Daher hielt Mussgnug 100 Arbeitsstunden für eine geeignetere Auflage als Arrest.
Richter wäscht dem Angeklagten den Kopf
Letztlich zeigte sich, dass man am Amtsgericht mit dem Urteil offenbar richtig gelegen hatte. Damals wurde der Angeklagte als junger Mann mit schädlichen Neigungen, naiven Vorstellungen vom Arbeitsleben und einer "verniedlichenden Haltung zu seiner stark gewalttätigen und hinterhältigen Tat" bezeichnet. Daher war eine Jugendstrafe mit der Bewährungsauflage von einer Woche Dauerarrest verhängt worden.
Völlig zurecht, fand auch das Rottweiler Landgericht. Im Gegenteil: Der Angeklagte sei damit noch sehr gut davongekommen, machte Richter Geiger klar. Ein Unbeteiligter sei massiv angegriffen worden, "und Sie tun so, als hätten Sie ihm zufällig eins übergebraten". Nun sei das Ende der Fahnenstange erreicht. "Der Arrest ist mehr als angezeigt."