Seit Juni 2019 ist die L 415 zwischen Oberndorf und Boll nun gesperrt. Hangsicherung und Straßensanierung schleppent sich dahin. Vor Ende April soll die Umleitung über Altoberndorf noch gelten. Foto: Günzel

Verzögerung wird für Handel allmählich existenzbedrohend. Pendler gewöhnen sich an andere Wege. Mit Video

Oberndorf - Zäh wie Kaugummi zieht sich die Baustelle an der L415 zwischen Oberndorf und Boll. Einzelhandel und Gastronomie klagen über hohe Umsatzeinbußen. Auf Dauer geht das sogar an die Existenzen.

Bei allem Verständnis für die nötige Hangsicherung geht den Betroffenen langsam die Geduld aus. Zunächst war das Bauende für Ende November 2019 anvisiert, später wurde der Termin auf den 21. Dezember korrigiert. Nachdem wochenlang nichts auf der Baustelle ging, teilte Peter Laube vom Straßenbauamt Donaueschingen auf Anfrage im November mit, dass sich die Bauzeit um weitere vier Monate nach hinten verschiebt. Plötzlich war von Ende April die Rede. Es seien zeitliche Verzögerungen der Nachunternehmer der Firma Storz aufgetreten. Vor Mitte April sei ein Asphalteinbau üblicherweise kaum möglich (wir berichteten).

Peter Raff kennt alle diese Erklärungen – schon des Öfteren hat er beim Straßenbauamt angerufen, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Nachvollziehen kann er sie allerdings nicht. "Das ist eine klassische Fehlplanung." Für die Tankstelle Raff am Bochinger Ortseingang bedeutet die Verzögerung erhebliche Einbußen. Er spricht von 40 Prozent weniger Kundenfrequenz. Wenn tatsächlich bis Ende April gesperrt bleibt, erwartet er einen Ertragsausfall im fünfstelligen Bereich.

"Klassische Fehlplanung"

Raff erinnert sich noch gut an die lange Sperrung der Balinger Straße in Bochingen 1998. Damals habe es sieben Jahre gebraucht, bis die Tankstelle wieder ihren gewohnten Umsatz gehabt habe. Die Menschen gewöhnten sich halt an andere Wege.

Auch für Stavros Trichias, den Betreiber des griechischen Lokals Syrtaki in der Brühlstraße, ist die Verzögerung eine Katastrophe. Im Sommer habe er deshalb schon länger geschlossen gehabt, als sonst üblich. Doch die Fixkosten blieben ja. Sie würden im Gegensatz zu den Umsätzen nicht geringer. Er habe nicht gedacht, dass "es so schlimm wird." Zudem sei die erste Absperrung bereits beim Friedhof aufgebaut. Mancher seiner Gäste deuteten dies so, dass sie die Straße gar nicht bis zur Gaststätte hoch fahren könnten. 45 Prozent weniger Umsatz muss er verbuchen – er kann auf Vergleichzahlen aus 22 Jahren zurückgreifen. Wenn die Ausgaben auf Dauer höher seien, als die Einnahmen sei dies für ihn existenzbedrohend.

Helga Schon von "Helga’s Blumenlädle" sieht es genau so. Der Handel habe im digitalen Zeitalter ohnehin zu kämpfen, wenn dann noch so etwas dazu komme, müsse man "ganz schön strampeln". Doch sie will ihren Optimismus nicht verlieren: "Wir halten durch." Sollte sich die Baustelle allerdings bis in den Mai hineinziehen, werde dies "eine Katastrophe". Denn der Mai sei für sie ein umsatzstarker Monat.

Karin Keller vom "Backkörble" fehlt bei ihrer Filiale in Bochingen deutlich der Durchgangsverkehr. Auch sie hofft nun auf ein zügiges Ende der Umleitung. Die Mitarbeiterinnen des Mitbewerbers "Café-Bäckerei Mayer" stellen dies ebenfalls fest. Für Sibylle Rauser, Vertriebsleiterin der Filiale der Bösinger Fleischwaren, die auch eine Filiale in Bochingen betreibt, stellte die "Heiße Theke" einen Vorteil dar. Die Handwerker kämen dennoch, um ihr Vesper zu holen.

Völlig entnervt ist hingegen Edeltraud Schreiber. Sie zieht nun Konsequenzen. Seit 48 Jahren betreibt sie ihr Geschäft "Textil-Schreiber" in Bochingen. Ursprünglich wollte sie die "50 vollmachen". Doch seit der Umleitung ging die Kundenfrequent eklatant zurück. "Textil-Schreiber" wird im März schließen.

Kommentar: Abgehängt

Kommentar von Marcella Danner

Die immense Verzögerung der Bauarbeiten an der Landesstraße 415 zwischen Oberndorf und Boll ist ein wirtschaftliches  Desaster für Gastronomie und Einzelhandel. Bei allem Verständnis für die nötige Hangsicherung stößt die bis in den April verschobene Öffnung der Strecke auf verständlichen Unmut. Die zuständige Straßenbaubehörde schiebt die Verantwortung auf die ausführenden Baufirmen. Die Klausel einer Konventionalstrafe  sei bei öffentlichen Aufträgen nicht Usus.

Bürger und betroffenen Einzelhändler macht so eine katastrophale Planung geradezu sprachlos. Manche resignieren und schließen  ihr Geschäft – früher als geplant – gar ganz. Und die Feststellung der Straßenbauer, dass im Winter kein Asphalt eingebaut werden kann, wirkt angesichts  frühlingshafter Temperaturen   nicht gerade glaubwürdig. Die Betroffenen bleiben weiter abgehängt.