Der Prozess um den Überfall der Bochinger Aral-Tankstelle läuft. Archiv-Foto: Danner Foto: Schwarzwälder Bote

Justiz: Der Prozess gegen einen der Täter, der am Überfall in Bochingen im April 2017 beteiligt war, hat begonnen

Einer der beiden Täter, die die Bochinger Tankstelle im April 2017 überfallen haben sollen, musste sich am Freitag vor der ersten großen Jugendkammer des Landgerichts Rottweil verantworten. Der 22-jährige Bosnier sagte aus, dass er die Tat nicht begehen wollte.

Kreis Rottweil. Es war der 19. April 2017, kurz vor 21 Uhr, als zwei maskierte Männer in die Aral-Tankstelle in der Balinger Straße 26 in Bochingen stürmten, die Kassiererin mit einer Pistole und einem Küchenmesser bedrohten und insgesamt 1055 Euro erbeuteten. Anschließend flüchteten die Täter mit einem schwarzen Alfa Romeo mit bosnischem Kennzeichen. Die ermittelnden Polizeibeamten konnten die Täter nicht mehr schnappen, so dass lange unklar war, wer die Bochinger Tankstelle überfallen hatte.

Gut acht Monate später habe sich dann ein junger Bosnier bei einem Kriminalkommissar in Rottweil gemeldet – der Angeklagte selbst. Dieser habe eigentlich die Absicht gehabt, sich zu stellen und seinen Mittäter zu verraten. Aus Angst habe er, statt sich selbst zu nennen, den Cousin seines Mittäters des Überfalls beschuldigt, was sich jedoch bald als Falschaussage entpuppte, da sein Komplize während des Verhörs irgendwann mit der Wahrheit rausrückte. So wurde auch der 22-Jährige wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes sowie falscher Verdächtigung angeklagt.

Dieser räumte sofort ein, dass er die Tankstelle mit überfallen hatte. Allerdings fügte er sofort hinzu: "Ich wollte das aber gar nicht". Der Angeklagte hatte laut eigener Aussage bis Anfang April 2017 sein Leben lang in Bosnien gelebt. Dort sei er in relativ geordneten Verhältnissen aufgewachsen, habe erfolgreich den Hauptschulabschluss gemacht, woran direkt eine Kfz-Lehre anschloss. Nach dieser habe er noch einige Zeit weiter gearbeitet, sei jedoch mit seiner Bezahlung nicht zufrieden gewesen. Weil sein Großcousin, der zweite Täter, in Deutschland Arbeit gefunden und Fuß gefasst hatte, schrieb er ihm über Facebook eine Nachricht mit der Anfrage, ob dieser ihm nicht einen Job in der gleichen Firma verschaffen könnte. Dieser schrieb ihm kurz darauf, dass alles geklärt sei und er nach Deutschland kommen könne.

Leere Versprechen lockten ihn nach Deutschland

Gesagt, getan: Doch in Deutschland angekommen musste der Angeklagte recht schnell feststellen, dass sich sein Großcousin um gar nichts gekümmert hatte. Zwar konnte er bei ihm leben, er bekam jedoch von dessen Chef nur das Angebot, schwarz für ihn zu arbeiten. "Das wollte ich auf keinen Fall, ich wollte mir in Deutschland etwas Ehrliches aufbauen", erklärte der Bosnier.

Kurz darauf sei sein Großcousin auch schon mit der Idee, eine Tankstelle zu überfallen, zu ihm gekommen. Der Angeklagte habe ihm mehrfach deutlich gemacht, dass er da nicht mitmachen wolle, wobei es auch zum Streit zwischen den Beiden gekommen sei. Der Großcousin stellte klar: "Ich habe dich nach Deutschland geholt, du gehörst mir" – somit schulde der damals 20-Jährige ihm das. Der Verwandte habe die Tankstelle überfallen wollen, weil er Schulden aus Drogengeschäften hatte. Die Bochinger Tankstelle erschien ihm sinnvoll, weil diese sehr klein ist.

Dennoch lehnte der Bosnier das Vorhaben immer wieder ab, bis sein Großcousin ihm am Tattag alte schwarze Kleidung vor die Füße schmiss. Ein Bekannter habe ihm bereitwillig seine Pistole zur Verfügung gestellt. Mit der Waffe in der Hand habe der Großcousin dem Angeklagten nochmal deutlich gemacht, dass dieser tief in seiner Schuld stünde, woraufhin der Bosnier die Kleidung anzog und mit nach Bochingen fuhr.

Angeklagter: "Ich wollte nur Geld für ein Ticket nach Hause"

Dort haben die beiden Täter zirka 300 Meter von der Tankstelle entfernt geparkt, der Großcousin sei vorgegangen. Kurz darauf habe der damals 20-Jährige nach diesem gucken wollen und sei ihm gefolgt. In der Tankstelle angekommen stand sein Großcousin mit der Kassiererin hinter dem Tresen und hatte auf sie die Waffe gerichtet. Der Angeklagte sei geschockt gewesen, als er das gesehen habe. Wie angewurzelt sei er stehen geblieben und habe das Geschehen beobachtet. "Geld, Geld" schrie sein Mittäter der Kassiererin entgegen, die um Hilfe rief. Nachdem der Großcousin die Kasse leer geräumt hatte, flüchteten die Beiden.

Von der Beute habe der Angeklagte nichts wissen wollen: "Ich wollte nur Geld für ein Ticket nach Hause", so der 22-Jährige. Das habe er auch bekommen und sei eine Woche später wieder abgereist. Drei Monate später sei er jedoch wieder nach Deutschland zurückgekommen, um sich dort eine Zukunft aufzubauen – durch Arbeit oder Heirat.

Die Kassiererin, die als Zeugin geladen war, äußerte den Überfall wie der Angeklagte. Auf den Videoaufnahmen der Überwachungskamera habe der Angeklagte jedoch näher an dem Verkaufstresen gestanden, als er zunächst aussagte. Außerdem beurteilte der Richter die Situation als bedrohlich, weil der Angeklagte ein Messer in der Hand hielt. Die Kassiererin sagte jedoch aus, dass sie sich von ihm nicht bedroht gefühlt habe, da der Angeklagte relativ passiv im Hintergrund stand und das Messer nicht auf sie richtete. Die Entschuldigung des Angeklagten nahm sie, wie auch der Tankstellenbesitzer, an.

Weil der Großcousin bereits einige Drogendelikte auf dem Konto sowie eine Bank in Österreich überfallen hat, sitzt dieser dort in Haft. Ein separates Verfahren wegen des Bochinger Tankstellenüberfalls kommt auch noch auf ihn zu. Am Montag, 8. Juli, wird die Hauptverhandlung fortgesetzt: Dann werden die Plädoyers gehalten. Das Urteil soll voraussichtlich am selben Nachmittag ausgesprochen werden.