Forschung: Wolfgang Strittmatter erforscht seit 50 Jahren die Wasserfallhöhle / Tropfsteine im Sand entdeckt
Sie ist eines der bedeutendsten Naturwunder in ganz Oberndorf: die Wasserfallhöhle. Für die Sicherung ihres Eingangsbereichs sind im Haushalt für nächstes Jahr 150 000 Euro veranschlagt.
Oberndorf. Etwa fünf Mal im Jahr ergießt sich nach langem Regen oder Schneeschmelze ein eindrucksvoller Wasserfall aus der sonst weitgehend trockenen Höhle am Steilhang oberhalb des Restaurants zum Wasserfall. Dabei löst sich nicht selten etwas vom Eingang.
"Das ist ganz normal für einen Steinbruch", weiß Höhlenforscher Wolfgang Strittmatter. "Normalerweise halten sich am Höhleneingang auch keine Menschen auf." Und das sei auch gut so, denn diese Höhle sei nichts für Abenteuerlustige. Viel zu gefährlich. Er erforscht sie nun seit 50 Jahren und kennt sie wie seine Westentasche – zumindest das, was von ihr frei liegt, nämlich gute 100 Meter. Der Forscher war mit Kollegen in diesem Jahr einige Male drinnen, die meiste Zeit kosteten sie die Sicherungsarbeiten. "Wenn wir nur einen falschen Stein abtragen, könnte etwas einstürzen."
An einigen Forschungsstellen sei die eigentlich durchschnittlich 1,80 Meter hohe Höhle so niedrig, dass man nur kriechen könne. Doch hinter diesem Versturz erwartet er ein mehrere Kilometer langes aktives Muschelkalk-Höhlensystem. Daraus schließt er aufgrund von Luftströmen. Bis dieses frei liegt, könne es aber noch mehrere Jahre dauern.
1876 wurde die Höhle bei Steinbrucharbeiten angeschnitten, wodurch ein Bereich im Inneren verschüttet wurde. Unterhalb der Höhle befinden sich Trinkwasser-Quellen, die von den Wasserwerken genutzt werden, außerdem hat die Höhle ein Wasser-Einzugsgebiet von sechs Kilometern. Bei starkem Regen hat sich das Wasser damals hinter dem verschütteten Teil angestaut, wie Strittmatter erklärt, bis das Geröll explosionsartig aus der Höhle gepresst und mit dem Wasserfall bis in die Ortsmitte getragen wurde.
Das ist nun fast 150 Jahre her, doch die Forscher entdecken nach wie vor Neues in ihr. So hat Strittmatter im Sand im Bereich des Höhleneingangs Jahrtausende alte Tropfsteine gefunden, die darin vergraben lagen.
Für ihn ist sein Hobby mehr eine Berufung. Man könnte sagen, dass er schon immer ein Höhlenforscher war. Er erzählt von Tierknochen und Fossilien, die er in verschiedenen Höhlen entdeckt hat und weiß alles über sogenannte Dolinen, Trichter die sich durch säurehaltiges Wasser im Kalkgestein nach oben arbeiten und dazu führen, dass gigantische Löcher im Erdboden einbrechen.
Einblicke in die Gesundheit der Natur
Strittmatter erinnert sich, wie er als Fünfjähriger aus dem Kindergarten abgehauen ist, um eine nahegelegene Höhle zu erkunden und wie jedes Loch in der Wand ihn faszinierte. Bald knüpfte er Kontakte zu verschiedenen Höhlenvereinen und sammelte bis heute einen beeindruckenden Schatz an Erfahrung an.
Die Höhlen, die er in ganz Baden-Württemberg erkundet hat, sind kaum zu zählen. 21 gibt es in Oberndorf, allesamt wurden sie von ihm erforscht und dokumentiert. Und dazu gehört mehr als Geduld und Ausdauer.
"Man macht Fotos, misst die Höhle aus und bestimmt Koordinaten, beschreibt sie genau, und dann kommen Forscher, wie Archäologen dazu und tun ihr Übriges", erklärt der Experte.
Von jeder einzelnen Höhle hat er unzählige Fotos und Dokumente in seinem Arbeitszimmer gesammelt. Die Erkenntnisse sollen zur Gewinnung des Trinkwassers dienen und Einblicke in die Beschaffenheit und Gesundheit der Natur gewähren.
Höhlen sind Strittmatters Leidenschaft. Alles, was er tue, sei ein Abenteuer. "Manchmal, wenn man dann um die Mittagszeit in den tiefen einer Höhle im Dreck liegt und voller Schlamm ist, denkt man sich: Andere sitzen jetzt am Kaffee-Tisch", meint er und schmunzelt.