Reinhold Weisser (von links), Peter Beiter, Lothar Konrad und Nadine Frey freuen sich über die gelungene Aktion.Foto: Cools Foto: Schwarzwälder Bote

Naturschutz: Rückblick auf eine bürgerliche Meisterleistung: Wie der Hochmössinger Weiher gerettet wurde

Die Kröten quaken, Libellen summen, die Sonne scheint – wer am Hochmössinger Weiher entlanggeht, der spürt, dass das es ein besonderer Ort ist, an dem man der Natur nah sein kann. Das wäre aber nicht so, wenn einige Engagierte nicht beherzt gehandelt hätten.

 

Oberndorf-Hochmössingen. "Beinahe wäre alles zu spät gewesen", weiß Reinhold Weisser. Der engagierte Hochmössinger war der Haupt-Akteur bei der Rettung des Weihers. Doch die Behörden haben ihm das nicht leicht gemacht. Der Stachel der Wut und Enttäuschung sitzt bei ihm noch tief. Denn bei seiner Rettungsmission konnte er nicht auf die Stadt zählen, sagt er. Aber die Aktion, bei der zahlreiche ehrenamtliche Arbeitsstunden angefallen sind, habe auch gezeigt, dass die Bürger von Oberndorf zusammenhalten.

Wie viel am rund 1,3 Hektar großen Hochmössinger Weiher geschafft wurde, wird erst bewusst, wenn man einen Blick in die Vergangenheit wirft. Alles begann 2016 in einem "strengen Winter". Auf dem bis zu 60 Zentimeter dicken Eis hatten Fahrzeuge verbotenerweise ihre Runden gedreht und damit die Fische in ihrer Winterruhe gestört.

Durch die dicke Eisschicht und die Menge an Faulschlamm, die sich damals noch im Weiher befand, war der Sauerstoffgehalt im Wasser stark vermindert. Die Fische erstickten scharenweise.

Der Schlamm hatte sich über 45 Jahre angesammelt. Als erste Maßnahme wurden Pappeln und Sträucher am Uferrand entfernt, um den Eintrag in den Weiher zu reduzieren. Doch schnell wurde klar: Das ist nicht genug.

Steine in den Weg gelegt

2019 holte Weisser alle Ämter an einen Tisch und schmiedete einen Plan. Der Schlamm sollte abgepumpt werden. Die Stadt Oberndorf habe dann sofort deutlich gemacht, dass auf sie nicht zu zählen sei, erinnert sich Weisser. Als Liegenschaftseigentümer habe sie sich weder finanziell, noch mit Manpower an dem Vorhaben beteiligen wollen. "Mir wurde damals gesagt, die Stadt habe für so etwas kein Geld. Der Weiher soll verlanden", sagt Weisser.

Bürgermeister Hermann Acker weist in diesem Zusammenhang auf eine Aktennotiz der Stadtverwaltung aus den Jahren 1997 und 1998 hin, nach der festgelegt wurde, dass der Weiher der Natur überlassen werden soll. Somit seien keine Unterhaltungsmaßnahmen mehr durchgeführt worden. "Diese Notiz stammt von unseren Vorgängern", macht Acker klar.

Kosten in Höhe getrieben

Die Naturschützer bleiben bei ihrem Vorwurf, die Stadt habe ihnen sogar noch Steine in den Weg gelegt. Eine Beprobung des Sediments wurde angeordnet. "Da kamen dann Werte jenseits von Gut und Böse heraus. Das hat die Kosten in die Höhe getrieben." Die Folge: Statt rund 20 000 Euro stiegen die Kosten auf 50 000 Euro, weil der Schlamm als Sondermüll eingestuft wurde und auf eine Z2-Deponie musste.

Damit war die Entschlammung erst einmal vom Tisch. "Die Bürokratie stand dem Projekt im Weg. Ohne die Spende eines Hochmössingers wäre das wohl nie was geworden", mutmaßt Weisser. 30 000 Euro gab es auf einen Schlag. Hinzu kamen weitere 17 000 Euro durch Spenden von Bürgern, so dass der Plan im Oktober 2019 in die Tat umgesetzt werden konnte.

Die Aistaiger Feuerwehr und der Angelverein Oberndorf hatten den Schlamm abgepumpt. Gerettet und in andere Gewässer umgesiedelt wurden rund 400 Kilogramm Teichmuscheln, 15 Krebse, 4000 Rotaugen und zahlreiche Hechte sowie Schleien und Karpfen. Beim Sammeln half nicht nur der Angelverein, sondern auch die Bürgerschaft. "Zum Glück gab es Leute, die das alles in die Hand genommen haben. Die Stadt hat alles eindeutig blockiert", sagt auch Angelvereinsvorsitzender Peter Beiter.

Im Weiher waren aber nicht nur hilfebedürftige Tiere zu finden, sondern auch allerlei, was nicht hineingehört, darunter eine Schreibmaschine, ein Munitionskoffer und ein Moped, das letztlich sogar noch verkauft werden konnte.

Im November wurde der Weiher dann endlich ausgebaggert. Lastwagen transportierten bis zu 18 Tonnen Material ab, rund 400 Kubikmeter Schlamm. Beim Ausbaggern war Schlamm über den Grundablauf in den Wald bis zur Versickerungsstelle gespült worden. Dank des Einsatzes einer rüstigen Rentnergruppe wurde dem Problem mit Schaufeln und Eimern zu Leibe gerückt.

Genehmigung verzögert

Um den Weiher nun wieder mit Wasser befüllen zu können, brauchte es eine wasserrechtliche Genehmigung. Für diese war jedoch die Umsetzung der neuen Hochwasserschutzmaßnahmen nötig. "Das spielte uns in die Karten", so Weisser. Zu diesen zählte die Errichtung eines so genannten Mönchs, mit dem man den Wasserstand regulieren kann, und ein offener Überlauf.

Für die Maßnahmen musste die Stadt ein Planungsbüro beauftragen. Das Befüllen des Weihers verzögerte sich weiter. "Wir wurden immer wieder ausgebremst", meint Weisser. "Ich musste den Herrschaften mehrmals auf die Füße treten", sagt der engagierte Hochmössinger. Auch einer Teil-Baugenehmigung für den Mönch, von der es erst geheißen hatte, sie sei gar nicht möglich, habe man "hinterherrennen" müssen.

Schließlich hatte sich herausgestellt, dass auch das Landratsamt bei der Stadt Druck für eine Genehmigung gemacht hatte. "Es lag also eindeutig an der Stadtverwaltung", so Weisser. Da fühle man sich schon veräppelt, zumal es ein emotionales Thema sei. "Von Anfang an wurde dagegengeschafft."

80 Prozent der Fische tot

Bis dahin waren bereits 80 Prozent des ursprünglichen Fischbestandes tot. Die, die man retten konnte, sollten wieder zeitnah in den Weiher eingesetzt werden. "Das war Spitz auf Knopf", weiß Lothar Konrad, der Gewässerwart des Angelvereins.

Bürgermeister Hermann Acker sieht den Sachverhalt vollkommen anders. "Ich weiß nicht, was diese ständige unsachliche Hetze und üble Nachrede einzelner Personen gegen unsere Mitarbeiter soll. Wir haben weder gegen etwas gearbeitet, noch verzögert", betont er. Im Übrigen habe man das ehrenamtliche Engagement der Betroffenen sogar beim Ehrenamtstag als beispielhaftes bürgerschaftliches Projekt ausgezeichnet, so Acker.

Ortsvorsteherin Sabine Jaud meint, dass der frühere Aktenvermerk zum Weiher unterschiedlich interpretiert wurde. "Als die private Initiative mit ehrenamtlichen Helfern und Spenden aus der Bürgerschaft begann, war die Stadt nicht mehr dagegen", sagt sie. "Dort wurde das Vorhaben akzeptiert, da zunächst keine Kosten für die Stadt entstanden. Erst als klar wurde, dass durch Auflagen des Landratsamtes das Aufstellen eines Mönches und die Anpassung des Überlaufs für den Fall eines 100-jährigen Starkregens notwendig sind, war klar, dass dies nicht alleine durch Spenden mehr abgedeckt werden konnte. Der Schutz gegen den Starkregen hätte auch ohne die Maßnahme am Weiher irgendwann in Angriff genommen werden müssen – nur wahrscheinlich erst zu einem späteren Zeitpunkt", erklärt Jaud.

Dass sich das Vorhaben so in die Länge zog, führt sie auf eine Auslastung der beauftragten Büros zurück. Die endgültige Planung des Überlaufs für den Starkregen liege immer noch nicht vor.

Erst im Mai konnte der Mönch errichtet werden. Dank der Staubretter stieg der Wasserstand wieder. Trotzdem musste mit Unterstützung der Feuerwehr ein wenig nachgeholfen werden.

Ende Mai konnten die Tiere in ihren Lebensraum zurückkehren. "Was wäre denn Hochmössingen ohne den Weiher und seine ›Grotta‹?", fragt Nadine Frey, eine weitere sehr engagierte Helferin.

Der Weiher sei ein Kulturgut, betont Beiter. Schon im 16. Jahrhundert sollen Landwirte ihre Tiere dort getränkt haben. Tausende Arbeitsstunden haben Bürger investiert, um ihn zu retten. "Die Leute kamen von überall her", sagt Weisser dankbar. Nun sind gut zwei Drittel der ursprünglichen Wassertiefe erreicht. "Die kleinen Fröschle zu sehen, entschädigt für die ganze Arbeit", findet Peter Beiter.

Doch bei aller Erleichterung bleibt ein Wermutstropfen: Hätte man schneller gehandelt, wäre der Tod vieler Lebewesen wohl vermeidbar gewesen.