Mit dem Werbe-Foto "Der deutsche Meisterspieler" erinnert das Hohner-Akkordeonorchester 1927 an den Gründer. Foto: Schwarzwälder Bote

Berühmtheit: Hermann Schittenhelm wäre heute 125 Jahre alt geworden / Ein Virtuose am Instrument

Ein außerordentliches musikalisches Talent war Hermann Schittenhelm in die Wiege gelegt. Und er wusste es zu nutzen. Heute würde der in Boll geborene Sohn eines Land- und Gastwirts 125 Jahre alt.

Oberndorf-Boll. Die ersten musikalischen Erfolge verbuchte Schittenhelm, damals noch mit der Violine, als Kind im elterlichen Gasthaus "Staig", wo er mit seinen Brüdern aufspielte. Die hatten teilweise schon Harmonikas, und als Hermann eine geschenkt bekam, machte er sich daran, im Selbststudium das Instrument zu erlernen. Er sollte darauf zum Virtuosen werden, als "Der deutsche Meisterspieler" solistisch, mit seinem aus den begabtesten Schülern rekrutierten Ensemble und schließlich mit einem Orchester die Akkordeonbewegung in Deutschland nachhaltig zu befördern.

Die Möglichkeit dazu bot ihm die Trossinger Matth. Hohner AG, deren Direktor Ernst Hohner der junge Schittenhelm nach dem Ersten Weltkrieg kennenlernte, als er sein mitgenommenes Instrument wieder in Schuss bringen oder ein neues erhalten wollte. Verbesserungsvorschläge für die Akkordeons des Weltmarktführers hatte Schittenhelm, der bei den Mauser-Werken zum Mechaniker ausgebildet worden war, gleich mit im Gepäck. Diese Chance wollte sich Hohner nicht entgehen lassen und rekrutierte das Supertalent für sein Unternehmen.

Jetzt war Hermann Schittenhelm, wir sind in der Mitte der 1920er-Jahre, Teil einer Szene, deren Entwicklung er bis zu seinem erzwungenen Ausscheiden Ende der 1960er-Jahre maßgeblich mitbestimmen sollte. Auch wenn Schittenhelm auf die Herausforderungen der neuen Zeit keine Antwort fand – oder finden wollte –, die zu einer Renaissance der beiden Hochphasen der Akkordeon-Bewegung hätte führen können, blieben ihm und seiner Musik viele Fans und bis heute viele Harmonikaspieler treu. Martin Häffner, Leiter des Deutschen Harmonikamuseums in Trossingen, zitiert einen der Verehrer, der Schittenhelm, den er als "die eigentliche Seele der Harmonika" bezeichnet, zu dessen 85. Geburtstag folgende Zeilen sandte: "…wenn man damals als junger (…) Mann an der Plakatsäule lesen konnte: Das Hohner-Handharmonika-Orchester 1927 unter Leitung von Hermann Schittenhelm spielt (…) Wenn dann Herr Schittenhelm (zur) Freude seiner vielen Zuhörer als Solist auftrat…tosender Beifall. Gerne denkt man an diese schönen Zeiten zurück – leider hat dann der Krieg einen aus dieser Traumwelt gerissen."

Tatsächlich war Schittenhelm zu seiner Zeit ein echter Star. Ausverkaufte Häuser, Zusatzkonzerte, Konzertreisen auch ins Ausland verankern seinen, den Ruf seiner musikalischen Begleiter und damit auch den Namen Hohner nachhaltig in der Akkordeonszene. Auch die didaktische Arbeit am heutigen "Hohner-Konservatorium", wo er seit 1931 neben der Umsetzung der gerade aufgekommenen Grifftabellen und Bildschriften immer wieder das "Abkupfern", das imitierende Lernen vom virtuosen Lehrer, forderte, blieb nicht ohne Wirkung. Eigene Kompositionen, Plattenaufnahmen und Auftritt in Funk und Film runden das Bild eines zu seiner Zeit überaus erfolgreichen und für die Sache, das Harmonikaspiel, glühenden Musikers ab.

Zum runden Geburtstag Hermann Schittenhelms präsentiert das Deutsche Harmonikamuseum in Trossingen bis Sonntag 7. Oktober, eine Sonderausstellung unter dem Titel "›Wer musiziert hat mehr vom Leben‹ – Die Akkordeon-Orchesterbewegung". Beim Museumsfest am Sonntag, 23. September, ab 11 Uhr wird neben Akkordeon-Live Musik auch eine besondere Bewirtung geboten: Die Flözlinger Hirschbrauerei hat eigens einen Sondersud gebraut, um den Jubilar zu ehren.