Peter Strasser, Juniorchef und Verkaufsleiterder Firma Beck (rechts), erläutert Ammar aus Syrien die Funktionsweise einer Fertigungsanlage. Foto: Singler Foto: Schwarzwälder-Bote

Betriebsbesichtigungen: Flüchtlinge erfahren von einem gelungenen Beispiel für Integration in den deutschen Arbeitsmarkt

Hochgeschwindigkeitsfräsmaschinen, Funkenerosion, Palettenwechselsystem. Diese Fachbegriffe hatten die zwölf Teilnehmer der Betriebsbesichtigung bei Exeron, einem Mitgliedsunternehmen des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, noch nicht gehört.

Oberndorf. Weder auf Deutsch, noch in Ihrer Heimatsprache. Da wurde schnell deutlich, dass man für die Arbeit bei Exeron sehr gut Deutsch sprechen muss und zudem eine Ausbildung als Mechaniker oder Elektroniker benötigt, am besten als Mechatroniker. Allerdings erklärte Bernfried Fleiner, Geschäftsführer der Tochtergesellschaft von Mafell, das Prinzip des Erodierens sehr anschaulich. "Man muss sich das vorstellen wie bei einem Gewitter: Der Blitz schlägt ein und hinterlässt Spuren. Genauso sorgt der Funke in der Maschine dafür, dass Metall am Werkstück eingeschmolzen wird und sich auflöst."

Exeron entwickelt und montiert also Fräs- und Erodiermaschinen, die dann in die ganze Welt verkauft werden und für jahrzehntelange Funktion garantieren. Deshalb sind andere Nationalitäten und Sprachen schon lange Teil der Mitarbeiterschaft. So wie Adrián Ramírez de Anda, der vor mehr als zehn Jahren von Mexiko nach Deutschland kam, um hier beruflich neu anzufangen. Und das hieß trotz abgeschlossenem Studium zuerst einmal Lkws zu beladen oder Straßen sauber zu halten. Denn Deutschkenntnisse hatte er anfangs keine. Erst als er den "kulturellen Reset-Knopf" gedrückt hatte und sich ganz auf die Kultur in Deutschland einließ, so formuliert es Ramírez de Anda selbst, war es möglich, die Sprache schnell zu erlernen und ein weiteres Studium in Angriff zu nehmen. Im Gespräch kam man schnell auf eine Gemeinsamkeit der Menschen aus Mexiko und Syrien: In beiden Völkern sind Emotionen sehr wichtig. Das vermissen viele an den Deutschen, die ihnen viel zu ernst durchs Leben gehen. Außerdem spielen die familiären Bindungen ein viel zu geringe Rolle in Deutschland, befanden die Geflüchteten einhellig.

"Jetzt schließe ich zuerst mal meinen Deutschkurs ab, und dann erst bewerbe ich mich um eine Arbeitsstelle", fokussiert sich einer der Teilnehmer am Ende der Feedbackrunde in der Kantine des Rathauses wieder auf sein nächstes Ziel und offenbart damit eine typisch deutsche Eigenschaft, die allen gut bekannt ist: Disziplin.

Die letzte der fünf Betriebsbesichtigungen mit geflüchteten Menschen aus Oberndorf führte die Besucher zum Unternehmen Beck Präzisionstechnik. Hier werden Drehteile nach Kundenzeichnungen hergestellt. Neben dem Drehen werden Fertigungsprozesse wie Härten, Schleifen und Fräsen durchgeführt. Entsprechend groß ist der Maschinenpark, an dem an vollautomatisierten Fertigungszellen gut 100 Mitarbeiter in bis zu drei Schichten beschäftigt sind. Darunter auch schon ein geflüchteter Mann aus Afrika. Umso interessanter war es für die Teilnehmer etwas über die Arbeitsplätze vor Ort zu erfahren, zumal drei schon selbst Erfahrung in der Metallbearbeitung mitbringen. Fachliche Vorkenntnisse und die deutsche Sprache sind für den Verkaufsleiter und Juniorchef des Unternehmens, Peter Strasser, wünschenswert, jedoch noch wichtiger: "Die Motivation muss stimmen, dann funktioniert alles andere auch." Deshalb ist er bereit, Praktika und Probearbeiten anzubieten.

Die für eine Bewerbung nötigen Unterlagen können bald mit indirekter Hilfe des Jobcenters in Oberndorf erstellt werden, welches sich um die Unterstützung eines Bildungsträgers bemüht. Bei einigen Teilnehmern endet nämlich der Sprachkurs im Juli. Dann stehen sie dem Arbeitsmarkt direkt zur Verfügung.

Das eigene Bemühen um einen Arbeitsplatz ist Lothar Kopf, Erster Beigeordneter der Stadt Oberndorf, wichtig. Er ist Ansprechpartner für die ortsansässigen Unternehmen und unterstützt die Betriebsbesichtigungen ausdrücklich. "Danach darf jedoch nicht Schluss sein. Nun geht es darum, die Arbeit in einem Betrieb konkret über ein Praktikum kennen zu lernen," ermutigte er die Teilnehmer und bot zudem an, sein Wissen über die Abläufe in Wirtschaft und Verwaltung in einer gesonderten Veranstaltung weiter zu geben.