Entdeckung von Thermalquelle vor 100 Jahren bringt Stadt den Aufschwung / "Vita Classica" jetzt noch größer

Von Ralf Deckert Bad Krozingen. Holzbottiche symbolisieren den Aufstieg von Bad Krozingen (Breisgau-Hochschwarzwald) als Bäderstadt. Allerdings hat das Thermalbad "Vita Classica" die simple "Badeanstalt" von einst längst ersetzt."Man kann die Baufortschritte nun im Stundentakt sehen", sagt Natalie Gensler. Die Marketingleiterin der Kur und Bäder GmbH Bad Krozingen steht im Staub mitten in der Baustelle. Wer hätte gedacht, dass es in einem Bad so staubig sein kann?

Wundern darf es einen freilich nicht, denn hier werden gerade 6,5 Millionen Euro "vergraben". Die "Vita Classica" erhält dafür auf drei Ebenen zusätzliche 2000 Quadratmeter Fläche, die mit einem neuen Therapiebecken, neuen barrierefreien Umkleidebereichen, einem 3-D-Infokino, Sole- und Sauerstoffkabinen und einem orientalischen "Private Spa" ausgestattet werden.

Gut ein Jahr Bauzeit geht in Bad Krozingen in diesen Wochen zu Ende. "Bis zum Frühjahr sollte alles fertig sein", hofft Gensler. Die offizielle Einweihung findet bereits heute, Freitag, statt. Dann beginnt ein ganzer Reigen von Feiern, der sich durchs Jahr zieht und den Blick auf die 100-jährige Geschichte des Thermalbadebetriebs in der Stadt richten wird.

Im Mai gibt es einen "Sport & Aktiv Markt" im Kurpark, im Juni eine große "Vita Classica Nacht" und einen Tag der offenen Tür sowie im Juli und August eine Reihe von Open- Air-Konzerten, unter anderem mit dem früheren "Supertramp" Sänger Roger Hodgson. Außerdem steht ein Lichterfest im Kurpark, bei dem auch die Partnerstädte Bad Krozingens sich beteiligen, auf dem Programm. Erstmals wird im September eine Gartenmesse im Kurpark stattfinden, im Oktober kommen Kurdirektoren aus ganz Deutschland zum "Bädertag" nach Bad Krozingen, und im November folgt ein großer Festakt "100 Jahre Thermalwasser".

Um im Wettbewerb der Bäder mithalten zu können, muss man etwas tun, erklärt Natalie Gensler. Der Erfolg der "Vita Classica" scheint den Kurs der Kur und Bäder GmbH und ihres langjährigen Chefs Rolf Rubsamen, alle paar Jahre in neue Wohlfühlangebote zu investieren, zu bestätigen: Mehr als 520 000 Besucher kamen voriges Jahr trotz Baustelle in die Therme. "Wir hatten Besucherrückgänge wegen der Baustelle gefürchtet", erzählt Gensler. "Stattdessen gingen die Zahlen nochmals ein kleines Stück nach oben!"

Und: In Bad Krozingen kann man nicht nur hübsch warm baden gehen, sondern sich auch verwöhnen lassen – bei Therapie- und Wellnessangeboten. Früher besuchte man von Krankheit gebeugt das "Kurmittelhaus", heute gönnt man sich zum Entspannen in trauter Zweisamkeit das "Wohlfühlhaus", wenngleich das Kurgeschäft nach wie vor zum Kerngeschäft des Bades gehört.

Am Bau sieht alles edel aus, die neuen Bereiche kommen in kräftigen Farben und klaren Formen daher, Terrakotta und Naturstein erfreuen das Auge, rutschsichere Fliesen sollen Unfälle verhindern.

Mit solchen Details kennt man sich in Bad Krozingen aus, denn 100 Jahre Kur- und Bädergeschichte sind ein kräftiges Pfund: Eigentlich wollte man ja Öl suchen, fand dann aber nur warmes Wasser im Grund des Dörfchens Krozingen im Markgräflerland. Der 25. November 1911 gilt als Stichtag in Sachen Krozinger Thermalwasser, denn an diesem Tag mussten die Geologen einsehen, dass sie wohl kein Öl mehr finden würden. Und gaben sich mit dem 41 Grad warmen Wasser der "Nena-Quelle" zufrieden, das ihnen druckvoll aus der Erde entgegenschoss.

"Nena-Quelle" droht zu versiegen

"Im Dorfe herrscht Begeisterung", notierte damals der Bohrungsleiter Bergrat Hans Thürach aus Freiburg in seinen Aufzeichnungen. Schon im folgenden Jahr wurde der Bau einer "Badeanstalt" beschlossen. 100 Liter Wasser pro Sekunde sprudelten damals aus einem halben Kilometer Tiefe nach oben, mehr Wasser als in allen Baden-Badener Thermalquellen zusammen, betonte im Jahr 1912 die "Freiburger Zeitung" nicht ohne Stolz. Im März 1914 wurde das Thermalbad, das primär aus Holzbottichen bestand, eröffnet. Bis 1929 stieg die Zahl der bereitstehenden Badewannen von 30 auf 50, nun gar in Wannen "erster und zweiter Klasse" aufgeteilt und allesamt privat betrieben.

Das kohlensäurereiche Thermalwasser gilt als förderlich bei Krankheiten wie Ischias, Rheuma und Gicht. Doch bald schon drohte die "Nena-Quelle" zu versiegen. Erst als Mitte der 20er-Jahre eine neue Quelle angebohrt werden musste, begann sich die Gemeinde am lukrativen Warmbadegeschäft zu beteiligen, vermerkt die Volkskundlerin Kerstin Schlosser in ihrer Chronik der Badegeschichte der Stadt, die dank des Thermalwassers einen enormen Aufschwung erlebte. Zahlreiche Kliniken entstanden im Lauf der Jahrzehnte.

1973 wurden mehr als eine Million verordnete Kurmittel eingelöst, dann kam irgendwann der Einbruch und mit ihm der Umbruch vom reinen Kurbetrieb zum Touristenziel Bad Krozingen. Bis 1993 blieb das erste Badehaus in Betrieb, dann zog dort eine Krankengymnastikschule ein.

Was folgte, kann man heute genießen: Im März 1996 weihte der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) die neu erbaute "Vita Classica" ein, die sich bald mit ihrer Sauna- und Badelandschaft und Spezialangeboten wie einem indischen, einem türkischen und einem japanischen Bad, Rasul, Hamam, Schönheits- und Fitnessangeboten einen Ruf machte. Kaum auszudenken, wie es in Bad Krozingen heute aussehen würde, wenn man 1911 tatsächlich Öl gefunden hätte.

Weitere Informationen: www.vita-classica.de, Telefon 07633/40 08 40