Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit erreicht / Christian Seebauer auf dem Israel National Trail
Von Sylvia Fahrland
Oberndorf. Zu Fuß und ohne Geld war Christian Seebauer aus dem bayrischen Vierkirchen sieben Wochen lang durch das Heilige Land auf dem Israel National Trail unterwegs.
Dabei hat er auf dem Fernwanderweg vom grünen Norden bis nach Eilat am Roten Meer die Wüste Negev durchquert, 14 Kilogramm abgenommen, fast 1100 Kilometer zurückgelegt und 20 000 Höhenmeter überwunden. Dabei hat er atemberaubende Natur und Einsamkeit, aber auch viel Hilfsbereitschaft und bewegende Begegnungen erlebt, die ihm bis heute unter die Haut gehen.
Hocherfreut zeigten sich der Referent und Veranstalter Reiner Emmering, dass am Montagabend trotz Schnee und Eis zahlreiche Gäste der Einladung der Volkshochschule gefolgt waren. Kaum ein Platz blieb frei im Vortragssaal des Schwedenbaus. Seebauer zog das Publikum nicht nur mit seinen spektakulären Aufnahmen in seinen Bann, sondern vor allem mit seiner packenden und emotionalen, zuweilen auch humorvollen Erzählweise. Seine Wanderhose, er trägt sie bei seinem Vortrag, ist übersät mit Unterschriften.
Jede einzelne steht für eine Person, die Seebauer Gutes getan hat, egal ob Jude, Christ oder Moslem. Es geht nicht um Politik oder Religion, sondern um die Menschen selbst, ihr Leben, ihre Geschichte, ihre Träume.
Das Hinflugticket ist das letzte, was mit Geld bezahlt wurde. "Meine Währung waren Zeit, Charme, Lachen, Traurigkeit", sagt Seebauer. Zuweilen betätigte er sich als Haushaltshilfe oder Tellerwäscher. Das Betteln fiel ihm nicht leicht. Jedes Mal musste er seinen Stolz überwinden und über seinen Schatten springen. Umso mehr setzten unerwartete Gesten der Hilfsbereitschaft Emotionen frei, die Seebauer tief berührten. Dazu zählten die Schokolade von einer Zufallsbegegnung am einsamen Strand und der üppige Restproviant eines Wanderers, der am Ende seiner Etappe angekommen war. Den Aufstieg am Mount Akev begann Seebauer in aller Frühe mit der Stirnlampe. Doch er war nicht der Erste. Zwei Männer saßen schon auf dem Gipfel und boten ihm frischen Kaffee an.
Überlaufen ist der Israel National Trail keineswegs. Am schlimmsten war für Seebauer, dass er gerade in den atemberaubenden Momenten niemanden hatte, mit dem er seine Eindrücke hätte teilen können. Oft war die Kamera sein einziger Wegbegleiter. Gespeist wurde sie ebenso wie das Handy von einem Solarpanel. Auf den meisten Berggipfeln gab es Empfang. Seine Frau und die beiden Töchter hielt er über Facebook und WhatsApp auf dem Laufenden.
So fand ihn auch Tsur, ein temporärer Wegbegleiter, mit dem er nicht gleich einen gemeinsamen Nenner fand, den er aber nicht mehr los wurde. Nach einer Wüstenetappe tauchte er mit dem dringend benötigten Wasser am Übernachtungscamp auf.
Am härtesten waren die letzten zwölf Tage fern der Zivilisation. Seebauer erreichte die Grenzen der psychischen Belastbarkeit. Mehr als einmal dachte er ans Aufgeben. Seit dem Start mit 21 Kilogramm Gepäck hatte er viel Ballast abgeworfen, zwei von drei Kameras verschenkt, das zweite Paar Schuhe aus Gewichtsgründen im Lagerfeuer verbrannt, das Zelt weggegeben. Nur von einem hatte er sich nicht getrennt: dem Geschenk seiner Töchter zum 47. Geburtstag.
Fünf Wochen lang ahnte er nichts vom Inhalt des 500 Gramm schweren Päckchens. Als es soweit war, waren aus den Keksen Krümel geworden, aus denen er sich eine Art Müsli anrührte, beim Anzünden der Minikerze weinte er hemmungslos. Was ihm wirklich wichtig ist im Leben, hat er auf dieser Extremtour erfahren.
Ob er am Ziel stolz auf sich gewesen sei, wollte eine Zuhörerin wissen und bekam ein bescheidenes Nein zur Antwort. Dankbar und demütig habe ihn dieser Trip gemacht, und er sei mit irrsinnigen Gefühlen belohnt worden, so Seebauers Fazit.
u Wer neugierig geworden ist, findet weitere Informationen im Begleitbuch, das im April erscheinen wird, sowie unter www.israel-trail.com und www.seebauers-world. com