Nach dem Abstieg aus der Regionalliga startet der 1. Göppinger SV mit neuer Struktur in die Oberligasaison. Sport-Geschäftsführer Gianni Coveli spricht über die Ziele.
Gianni Coveli hatte den 1. Göppinger SV als Trainer von der Verbandsliga bis in die Regionalliga geführt – jetzt hat der 53-Jährige Mario Klotz als seinen Nachfolger installiert und kümmert er sich als Geschäftsführer Sport ums große Ganze. Vor dem Oberligastart an diesem Samstag (14 Uhr/Stadion an der Hohenstaufenstraße) gegen den FV Ravensburg spricht der Ex-Kickers-Profi über die Perspektiven des Clubs.
Herr Coveli, zum 130-Jahr-Jubiläum konnte nach großem Kampf der Abstieg nicht verhindert werden. Teilen Sie die Einschätzung, dass es einfacher gewesen wäre drin zu bleiben, als gleich wieder aufzusteigen?
Nein, diese Einschätzung teile ich nicht. Drin zu bleiben war sehr schwierig, aber schlussendlich wäre es mit etwas mehr Konstanz und Entschlossenheit dennoch machbar gewesen. Aufzusteigen ist ebenfalls schwierig, da auch hier Konstanz und Entschlossenheit wichtige Kriterien sind.
Nach dem 2:0-Sieg in Kassel am 22. März 2025 sah es richtig gut aus, der Vorsprung auf einen Abstiegsplatz betrug fünf Punkte. Warum kamen in den restlichen neun Regionalligaspielen nur noch fünf Punkte dazu?
Wir waren nicht in der Lage, den guten Rückrundenstart im Februar und März mit maximaler Entschlossenheit, Konzentration und Gier zu untermauern. Im April waren wir in einigen Bereichen zu nachlässig und zu fehlerbehaftet. Am Ende fehlte dann auch etwas das Spielglück. Wir mussten daher feststellen, dass man sich in dieser Liga Woche für Woche der maximalen Herausforderung stellen muss.
Wie waren Sie mit Winter-Neuzugang Kevin Dicklhuber zufrieden, und welche Rolle spielt der 36-Jährige in der Oberligasaison?
Dickl war zu Beginn stark, hatte dann wie das ganze Team, diese „Schwächephase“ und war dann zum Ende hin wieder sehr präsent. Ich denke, Dickl wird uns mit seiner Erfahrung in der neuen Saison gut tun. Wir haben die letzte Saison besprochen und werden gemeinsam die richtigen Lehren daraus ziehen, aber das gilt für die gesamte Mannschaft. Alle Spieler haben richtig Bock, wieder in die Erfolgsspur zurück zu finden.
Verdiente Spieler an Verein binden
Dicklhubers Vertrag läuft im Juni 2026 aus. Ist geplant, ihn nach der aktiven Karriere an den Verein zu binden?
Schauen wir wie die Runde läuft und dann entscheiden wir. Grundsätzlich ist es erstrebenswert, verdiente Spieler an den Verein zu binden und ihnen einen neuen Karriereweg aufzuzeigen oder dabei behilflich zu sein. Das gilt ja aktuell auch für Pavlos Osipidis (Anm.: Trainer der U19 und Co-Trainer der ersten Mannschaft) und Tim Schraml. Er leitet die die GSV-Fußballschule Young Talents und somit bin ich mit beiden im ständigen Austausch, um Verbesserungen anzustreben.
Was hat Sie in dem abgelaufenen Regionalligajahr am meisten überrascht?
Dass bei nahezu allen Mannschaften, ausgenommen der TSG Hoffenheim II, die Konstanz in der Leistung, gemessen an den Ansprüchen und der Qualität im jeweiligen Team, nicht immer gegeben war. Sowohl in der oberen als auch in der unteren Tabellenregion war dies über die Saison hin zu beobachten. Dies zeigt aber auch, wie ausgeglichen die Regionalliga Südwest vergangene Saison war.
Welche Hauptlehre haben Sie aus dem Jahr in der vierten Liga gezogen?
Wenn man in dieser Liga als Amateurverein nachhaltig bestehen möchte, muss man sehr gewissenhaft und konzentriert seine Möglichkeiten einsetzen und man braucht eine große Widerstandsfähigkeit und Disziplin, um Beruf und Leistungssport konstant unter einen Hut zu bringen.
Welche positiven Impulse lassen sich trotz des Abstiegs mit Blick nach vorne ziehen?
Wir haben gezeigt, dass wir über weite Strecken uns allen Herausforderungen gestellt und teilweise immer am Limit agiert haben, sowohl im sportlichen als auch im infrastrukturellen und organisatorischen Bereich. Der GSV kann Regionalliga.
In einem früheren Interview mit unserer Redaktion hatten Sie einmal gesagt, nicht die Stuttgarter Kickers könnten ein Vorbild für den GSV sein, eher schon der 1. FC Heidenheim. Warum?
Weil dieser Verein den Weg der kleinen Schritte gegangen ist und sich kontinuierlich weiterentwickelt hat.
Sponsorenpool vergrößert sich Jahr für Jahr
Heidenheim spielt jetzt das dritte Jahr in der Bundesliga. Ist so etwas in Göppingen, selbst in ganz ferner Zukunft, überhaupt und auch nur ansatzweise denkbar?
Ich werde jetzt sicher nicht von der dritten, zweiten oder ersten Bundesliga sprechen, aber klar ist, es tun sich viele Parallelen auf. Es gibt in Heidenheim ein stetiges Wachstum, der Sponsorenpool vergrößert sich von Jahr zu Jahr, es wird regelmäßig in die Strukturen investiert, die handelnden Personen, mit Vorstandschef Holger Sanwald und Trainer Frank Schmidt, sind seit vielen, vielen Jahren im Amt. Von daher kann eigentlich nur Heidenheim unser Vorbild sein.
Göppingen ist eine Handball-Hochburg mit zwei Bundesligisten bei den Männern und Frauen. Ist dies ein Nachteil mit Blick auf die Sponsorengewinnung oder ein Vorteil, weil die Region generell sehr sportaffin ist?
Die Stadt und auch die Region sind definitiv sehr sportaffin. Ein Nachteil ist es nur dann, wenn ein Unternehmen sich die „Entweder-oder“-Frage stellt. Zum einen kann Handball und Fußball in Göppingen aus meiner Sicht sehr gut miteinander funktionieren. Ich denke, dass der Fußball ein wesentlich breiter und vielfältiger aufgestelltes Publikum hat und somit die Zielgruppen für die Unternehmen größer sind. Darüber hinaus schreibt der Fußball immer wieder unglaubliche Geschichten. Viele unserer Sponsoren durften schon hochemotionale Spiele bei uns erleben. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zum Handball, wir wollen begeistern und freuen uns, wenn wir dies bei bestehenden und auch neuen Sponsoren erreichen.
Beim GSV ist Ihre erfolgreiche Trainertätigkeit zu Ende gegangen. Warum haben Sie sich dafür entschieden, als Geschäftsführer Sport seit Saisonbeginn das große Ganze im Blick zu haben?
Ich möchte den Verein im Sportlichen weiterentwickeln, was Aktive und Jugend betrifft, und die Strukturen nachhaltig professionalisieren. Das erfordert viel Zeit, Gespräche und Entscheidungen. Das lässt sich nicht in der Doppelfunktion in der erforderlichen Qualität vereinbaren. Und jeder der mich ein bisschen besser kennt, weiß das ich immer nach dem bestmöglichen Ergebnis strebe.
Sie waren über 25 Jahre praktisch ununterbrochen Trainer. Wie kommen Sie und Ihre Familie mit der neuen Rolle klar?
Da ich aktuell 24/7 am planen, organisieren und umsetzen bin, erhoffe ich und natürlich auch meine Familie, dass uns zwischendurch Zeitfenster entstehen, die wir gemeinsam für uns nutzen können.
Rückkehr als Trainer? „Nicht mein Plan“
Schließen Sie ein Comeback auf der Trainerbank aus?
Ausschließen möchte ich es nicht, ist aber nicht mein Plan. Ich denke, dass ich mit meinen Fähigkeiten und meinem Netzwerk diese Aufgabe auch effizient und erfolgreich gestalten kann. Ich durfte diese sehr verantwortungsvollen Aufgaben bereits seit einem Jahrzehnt beim GSV ausüben, zuerst in Doppelfunktion und jetzt in Einzelfunktion. Ich bin sicher, mir wird diese Funktion sehr viel Freude bereiten.
Sie waren immer ein Trainer, der auffallend häufig System und Grundordnung änderte – auch während der Spiele. Woher kommt dies?
Ich versuche der Mannschaft viele Lösungen an die Hand zu geben, ohne sie zu überfrachten. Das geht nicht, wenn ich auf ein System festgelegt bin. Durch die taktische Variabilität sind wir zudem schwerer auszurechnen.
Wer hat Sie in dieser Rolle als Taktik-Tüftler geprägt?
In der A-Jugend bei den Stuttgarter Kickers hatte ich mit Günter Rommel einen sehr interessanten Trainer. Im Erwachsenenfußball war dann sicher Martin Hägele mit seinen taktischen Ansichten prägend. Wir sind mit 07 Ludwigsburg damals als Feierabendfußballer in die Regionalliga aufgestiegen. Es herrschten ähnliche Voraussetzungen wie jetzt in Göppingen.
Auch Mario Klotz hat eine Vergangenheit bei den Blauen, Robin Dutt ist sein Mentor. Warum haben Sie sich für ihn als neuen Cheftrainer entschieden?
Ich habe mich für ihn entschieden, weil ich mich sehr lange mit ihm beschäftigt habe, was ich im übrigen grundsätzlich bei meinen Personalentscheidungen immer so handhabe, und ich davon überzeugt bin, dass er zum GSV passt.
Welche Impulse versprechen Sie sich von Mario Klotz?
Neue Ideen, ein paar neue Ansätze und dass er mit seiner positiven Art auch die Leute begeistert.
Vision Profifußball unterm Hohenstaufen
Mario Klotz setzt ganz auf die Karte Fußball. Welche weiteren Schritte müssen im Zuge der Professionalisierung folgen, um den GSV weiter nach oben zu bringen und dort im Optimalfall auch zu etablieren?
Wir müssen die Unternehmen mit dem GSV noch enger verzahnen und auch unseren Spielern berufliche Einstiege bei unseren Partnern ermöglichen, so dass wir für beide Seiten Beruf und Leistungssport zeitlich optimal gestalten können. So können wir mittelfristig die Vision Profifußball unterm Hohenstaufen nachhaltig angehen.
Macht ein Regionalliga-Aufstieg grundsätzlich überhaupt Sinn, wenn die dritte Liga – in der über eine Million Euro TV-Gelder pro Club fließen – eigentlich gar nicht realistisch ist?
Das vergangene Jahr in der Regionalliga hat uns allen sehr viel Spaß gemacht und es waren tolle Spiele gegen Topteams und Traditionsclubs bei uns im Stadion zu erleben. Das wollen wir gerne alle wieder erleben dürfen, deshalb macht ein Aufstieg auf jeden Fall Sinn.
Auf was freuen Sie sich in der Oberliga am meisten?
Ich freue mich, dass wir es wieder einmal schaffen, eine Mannschaft zusammenzustellen und zu erleben, die mit viel Emotionen und Leidenschaft das Publikum in einer offensiven Ausrichtung begeistern wird.
Wer sind für Sie die Favoriten auf die ersten beiden Plätze in der kommenden Oberliga-Saison?
Den VfR Mannheim und den VfR Aalen – mit ihren Möglichkeiten und Aktivitäten am Transfermarkt – erwarte ich ganz weit vorne. Sie werden sicherlich um den Titel mitspielen.
Wo sehen Sie den 1. GSV bei seinem 135-Jahr-Jubiläum 2030?
Im Jahre 2030? Da ich nach dem bestmöglichen Ergebnis strebe, habe ich die Vision, dass wir uns dann in der Regionalliga wieder gegen tolle Teams messen dürfen.
Zur Person
Vita
Gianni Coveli wurde am 31. Juli 1970 in Stuttgart geboren. Der Mittelfeldspieler war von 1984 bis 1990 für die Stuttgarter Kickers am Ball, danach für die TSF Ditzingen, die SpVgg 07 Ludwigsburg und den TSV Schwieberdingen. Als Trainer arbeitete er für den TSV Schwieberdingen, die SpVgg 07 Ludwigsburg, den FSV 08 Bissingen und seit 2014 für den 1. Göppinger SV, mit dem er 2016 in die Oberliga und 2024 in die Regionalliga aufstieg. Auch mit seinen vorherigen Clubs gelangen ihm insgesamt drei Aufstiege als Trainer.
Persönliches
Coveli ist verheiratet mit Ute. Das Paar hat die Kinder Nina und Colin und wohnt in Esslingen. Er betreibt das Sportartikelhersteller-Unternehmen SX Pro Solutions mit Sitz in Esslingen. (jüf)