Der Angeklagte (links), der Foto: dpa

Ein junger Mann aus Südbaden steht vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, weil er sich im Alter von 18 Jahren der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen haben soll. Der heute 20-Jährige ist psychisch angeschlagen.

Stuttgart - Ein mutmaßliches Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) steht seit Montag vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Der 20 Jahre alte Mann aus dem südbadischen Waldshut-Tiengen soll sich seit 2013 immer weiter radikalisiert und sich schließlich Anfang März 2015 dem sogenannten Islamischen Staat in Syrien angeschlossen haben. Seine beiden Berliner Verteidiger haben angekündigt, ihr Mandant werde umfassend aussagen – allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Der Angeklagte soll Sohn einer Marokkanerin und eines zum Islam konvertierten Deutschen sein. Er stand kurz vor dem Abitur, als er am 1. März vergangenen Jahres verschwand. Laut Anklage habe sich der heute 20-Jährige mit den Zielen des IS identifiziert und habe es als seine „religiöse Pflicht“ angesehen, für die Terrormiliz in Syrien zu kämpfen. Der junge Mann flog von Frankfurt nach Bulgarien und reiste von dort aus über die Türkei nach Syrien. In dem vom Krieg zerrissenen Land angekommen, soll er seinen Eltern mitgeteilt haben, er sei jetzt im Kalifat.

Drei Wochen langes Waffentraining

Ab Anfang Mai 2015 wurde der Gymnasiast in einem Terrorcamp des IS rund drei Wochen lang an Waffen ausgebildet. Anschließend sei er in eine Einheit namens Anwar al-Awlaki verlegt worden, die aus englischsprachigen Dschihadisten aus Europa und Nordamerika besteht. Diese Brigade ist laut Anklage allerdings nicht für direkte Kampfeinsätze vorgesehen.

Warum sich der 20-Jährige radikalisierte, warum er nach Syrien ging und was ihn bewog, doch wieder nach Deutschland zu flüchten, wird der Angeklagte hinter verschlossenen Türen aussagen. Offenbar war er in Sorge, weil sich der Gesundheitszustand seiner Mutter verschlechterte. Und auch sein Vater übte Druck aus. Also soll der junge Mann versucht haben, vor dem IS zu fliehen. Der erste Fluchtversuch scheiterte. Wie die Terrormiliz diesen Fluchtversuch sanktionierte, ist nicht offiziell bekannt. Es heißt, er sei zwei Wochen eingesperrt worden.

Am 7. Juli vorigen Jahres gelang ihm schließlich die Flucht, angeblich mithilfe von Schleppern. In der Türkei landete der gebürtige Deutsche im Gefängnis. Am 9. Oktober schoben ihn die türkischen Behörden ab. Am Flughafen Stuttgart nahmen ihn deutsche Sicherheitskräfte in Gewahrsam. Inzwischen ist der 20-Jährige seit Mitte Dezember 2015 auf freiem Fuß. Er muss sich regelmäßig bei der Polizei melden.

Angeklagter hat psychische Probleme

Offenbar leidet der verhinderte IS-Kämpfer an psychischen Problemen. Seine Verteidiger haben die Sorge geäußert, ihr Mandant sei gar nicht verhandlungsfähig. Nach sechs Wochen psychotherapeutischer Behandlung scheint der 20-Jährige inzwischen weitgehend stabil zu sein. Trotzdem wird er vor dem 5. Staatsschutzsenat des OLG hinter verschlossenen Türen aussagen. Eine öffentliche Vernehmung könne sich negativ auf das Aussageverhalten des jungen Mannes auswirken, so Vorsitzender Richter Herbert Anderer. Auch die Familienangehörigen und der psychiatrische Gutachter werden nicht öffentlich gehört werden. Der Prozess, der unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, ist derzeit bis zum 23. Dezember terminiert.

Bereits im Oktober steht dem OLG Stuttgart der nächste Terror-Prozess ins Haus. Von 20. Oktober muss sich ein Syrer vor dem 6. Strafsenat verantworten. Dem 25-Jährigen wird vorgeworfen, sich als Mitglied der Terrororganisation Jabhat al-Nusra an der Entführung eines Mitarbeiters der Vereinten Nationen (UN) in Damaskus beteiligt zu haben. Das Opfer war acht Monate lang in Geiselhaft gehalten worden, ehe ihm die Flucht gelang.