Die erste Kerze ist fast fertig – noch fehlen der Kunst-Werklerin Feinheiten am Baum. Foto: Lahrer Zeitung

Osterkerzen: Seelsorgeeinheit profitiert von Manuela Kienzles Encaustic-Können

Von Inka Kleinke-Bialy

Mit heißem Wachs bemalt Manuela Kienzle alljährlich die Osterkerzen, gestaltet sie also – außergewöhnlicherweise – in der Encaustic-Technik.

Oberharmersbach. "Meines Wissens nach bin ich auch in der weiteren Region die einzige, die an Osterkerzen mit der Encaustic-Technik arbeitet", meint die 49-Jährige. Zehn Kerzen liegen vor ihr, die vier größten sind einen Meter lang und zehn Zentimeter dick. Kaventsmänner also. Gewichtig nicht nur vom Äußeren, sondern auch von ihrer Bedeutung her.

"Die Osterkerze ist die wichtigste Kerze in der Kirche", betont die gelernte Keramikmalerin nicht ohne Stolz. Tatsächlich gilt die Osterkerze als das Zeichen für Auferstehung und ewiges Leben. Und sie symbolisiert Jesus Christus als das Licht der Welt.

Schriftlichen Zeugnissen zufolge geht der Brauch bis auf das vierte Jahrhundert zurück. Wobei er wie so viele kirchliche Bräuche an heidnische Traditionen anknüpft: an die ursprünglichen Brandopfer. Ein solches stellt denn auch die Osterkerze eigentlich dar. Denn das wohlriechende Bienenwachs, aus dem sie gefertigt wurde, galt früher als sehr kostbar.

Auch die Rohlinge, die das Zeller Kapuzinerkloster für die fünf Kirchengemeinden der Seelsorgeeinheit Zell bestellt hat, duften aufgrund ihres hohen Beinenwachsanteils herrlich. Doch zur Gänze bestehen sie nicht aus dem Produkt der fleißigen Immen. "Dann wären die Kerzen zu weich, um sie zu bearbeiten", erklärt Kienzle.

Abgesehen davon müssen diese besonderen Kerzen ihren kirchlichen Dienst ein ganzes Jahr lang standhaft versehen. Womit es in der Osternacht losgeht: Da werden die Osterkerzen am Osterfeuer – dem ursprünglich heidnischen Frühlingsfeuer – entzündet, geweiht und in die dunkle Kirche gebracht.

"Ein tolles Gefühl, wenn die Kirche nur durch Kerzen erhellt wird", schwärmt Kienzle davon, wenn auch die Gläubigen mit ihren eigenen brennenden Kerzen Einzug halten. Bis zu Pfingsten lässt man die Osterkerze bei jeder liturgischen Feier brennen. Doch auch danach kommt sie immer wieder zum Einsatz, etwa bei Taufen, Trauungen oder Beerdigungen.

"Deswegen wird ein großes Stück zwischen dem Kerzenteller und der Verzierung zum Abbrennen freigelassen", erklärt Kienzle. Die Verzierung – das ist zum einen das Kreuz, in das stellvertretend für die Wundmale Jesu am Osterfeuer Nägel gedrückt werden. Dafür hat sie dieses Jahr erstmals zugeschnittene Wachsplatten verwendet. "So macht es auch Simone Rieger-Schmieder, die für Zell die Osterkerzen gestaltet."

Während die Kerzenkollegin ausschließlich Wachsplatten verwendet, greift die Oberharmersbacherin bei allen anderen Verzierungselementen jedoch auf Encaustic zurück. Sorgfältig und teils in mehreren Schichten malt sie die Jahreszahl, die Buchstaben Alpha und Omega, mit denen das griechische Alphabet beginnt und endet, und den einheitlichen Leitspruch der Kommunionskinder in der Seelsorgeeinheit, der auf Wunsch des Pfarrers auch deren Osterkerzen zieren soll.

40 Stunden hat Kienzle bislang aufgewandt. Nicht eingerechnet die Zeit am Computer, um mit Schrifttypen und -größen für den auf die Kerzen zu übertragenden Spruch zu experimentieren: "Herr, lass mich / wachsen/ blühen / reifen." Passend dazu sind die Kerzen nun noch mit einem Baum zu verzieren. An die 15 Entwürfe und zig Farbstudien habe sie für den gemacht, schätzt die Frau, die sich an Monet-Motive in der Encaustik-Technik wagt, den Begriff "Künstlerin" für sich ablehnt, sich stattdessen als Kunst-Werklerin bezeichnet.

Elf Jahre ist es her, dass sie – nach schwerer Krankheit – in einer Reha-Klinik das Malen mit geschmolzenen Wachsfarben für sich entdeckt hat. Die bringt man gewöhnlich mit einem Spezial-Bügeleisen auf Spezialpapier oder Leinwand auf. "Ich bin aber sehr bald bei Kerzen gelandet, das hat mich fasziniert. Vielleicht, weil Wachs zu Wachs gehört."

Viel herumprobiert habe sie dann. Denn die Art, wie sie Kerzen anmale, könne man nicht aus Büchern oder in Kursen lernen, das habe sie sich selbst angeeignet. Daher darf sich glücklich schätzen, wer an diesem Wissen teilhaben darf. Das sind seit vier Jahren Kommunionskinder und Bräute. Was unbedingt voraussetzt, kreativ zu sein. "Wenn jemand zu mir kommt, kriegt er Zettel und Bleistift in die Hand – bei mir gibt’s keine Vorgaben, jeder entwirft sein eigenes Motiv."

Wobei sie einem Jungen schon mal geholfen hat, Yoda, den kleinen Jedi aus der Star-Wars-Serie, auf die Kommunionskerze zu schmuggeln. "Die Figur war sein unbedingter Glücksbringer. Da haben wir halt einen ganz kleinen Yoda unter dem Röckchen der Kerze versteckt", schmunzelt Kienzle, "ich bin ein Querdenker, langsam arrangier ich mich mit meiner Eigenart."

Doch zurück zum Baum, der noch mit Wachs auf Wachs gemalt werden muss. Wozu es zunächst mit Kniffs und Tricks das Motiv auf die Kerze zu übertragen gilt. Neben dem Pinsel kommt dann auch ein Encaustic-Pen zum Einsatz, ein beheizbarer Malstift. "Da muss man zwar aufpassen, dass die Kerze unter dem Pen nicht wegschmilzt", lacht die Kunst-Werklerin, "aber das ist genau der Reiz, der Kitzel, den ich brauch".