Zahlbare Mietwohnungen, Parkflächen und Dachgärten für die Hausbewohner statt Penthouse-Wohnungen: Die Stadt hat mit dem Gemeinderat ein umfangreiches Konzept mit vielen sozialen Komponenten für das Viertel Oberer Brühl erarbeitet. Foto: Zieglwalner

Für die Entwicklung des Stadtviertels Oberer Brühl auf dem ehemaligen Kasernengelände in Villingen geht es wie vorgesehen in eine europaweite Ausschreibung. Der Gemeinderat hat es vorerst abgelehnt, eine städtische Sozialwohnungsbaugesellschaft für die Realisierung der ersten 126 Wohnungen zu gründen.

Villingen-Schwenningen - Dass den meisten Fraktionen der Bau von zahlbaren Mietwohnungen ein Anliegen ist, zog sich wie ein roter Faden durch die lange geführte Diskussion. Doch kontrovers waren die Meinungen, auf welchem Weg sich dieses Ziel erreichen lässt.

Da das Bündnis für faires Wohnen der Wohnungsbaugesellschaft VS (WBG), des Spitalfonds Villingen und der Baugenossenschaft Villingen angesichts steigender Rohstoffpreise und wegfallender Kredite keine Möglichkeit sieht, das Projekt derzeit in Angriff zu nehmen, hatte die Verwaltung vorgeschlagen, dies selbst über eine Wohnungsbaugesellschaft zu realisieren. Zum einen wegen der Befürchtung, dass sich über die so genannte Konzeptvergabe ohnehin kein Investor für die sozial hehren Pläne finde und die Stadt bei einer 100-prozentigen Tochter deren Umsetzung garantieren könne. Zum anderen wegen des Zeitdrucks, da die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) der Stadt beim Verkauf des Geländes einen Preisnachlass von 3,1 Millionen Euro eingeräumt hat mit der Auflage, 126 Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten bis 2026 auf den Markt zu bringen.

Rechtliche wie finanzielle Unwägbarkeiten stehen im Raum

Oberbürgermeister Jürgen Roth warb ein ums andere Mal inständig um Zustimmung für diese Lösung. Wenn das Gremium jetzt eine europaweite Ausschreibung einleite und es dann keinen Interessenten gebe, sei die Stadt bis zur Gründung einer solchen GmbH um ein Jahr zurückgeworfen, führte er vor Augen. Dass dieser Schritt allerhand Arbeit für die Stadt bedeutet und noch rechtliche wie finanzielle Unwägbarkeiten im Raum stehen, gaben Rechtsamtsleiterin Karin Feger und Kämmerer Hans Kech zu und beantworteten auch zahlreiche Fragen der Gemeinderäte. Allerdings fange solch eine GmbH nicht bei Null an, sondern könne auf die vorhandenen Strukturen der WBG mit ihrem Personal und der Verwaltung zurückgreifen, wie Geschäftsführer Rainer Müldner im Laufe der Debatte erläuterte.

Sauer stieß indes gerade der CDU und den Grünen auf, mit welchem Tempo die Verwaltung die Entscheidung durchboxen wollte und ohne Vorberatung eine Sondersitzung angesetzt hatte. Die CDU vertraue Investoren und könne nicht verstehen, weshalb sich nach der im September getroffenen Entscheidung für eine Konzeptvergabe nun plötzlich alles anders darstelle, betonte Fraktionssprecher Klaus Martin.

Finanzielle Belastung für den städtischen Haushalt

Ähnlich sah dies Ulrike Salat von den Grünen. Wünschenswert sei es, für das neue Viertel das Bündnis für faires Wohnen mit im Boot zu haben. Vielleicht gelte es, auf weitere Förderprogramme zu warten und mit der Bima über eine Verlängerung der Frist zu verhandeln, um die 3,1 Millionen Euro nicht zurückzahlen zu müssen. Keine Frage sei es für die Fraktion, dass sie das Quartier genauso wie geplant mit allen sozialen Komponenten verwirklichen will. Ebenso wie Vertreter von CDU und FDP führte sie zudem die finanzielle Belastung für den städtischen Haushalt ins Feld, durch den andere Projekte dann nicht möglich seien. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Bonath hatte der Stadt gar vorgeworfen, tief ins linke Lager abzudriften – per Videobotschaft, da er so kurzfristig seinen Terminkalender nicht mehr ändern konnte. Dies zeige allein schon der Vergleich mit Freiburg, dessen grün-rot geprägtes Stadtparlament eine Sozialwohnungsbaugesellschaft auf den Weg gebracht habe.

Immer wieder war Roth auch mit der Frage konfrontiert, ob der Bedarf an günstigen Wohnungen tatsächlich so hoch ist wie angegeben. "Eine Liste von 700 Wartenden allein bei der WBG zeigt, dass wir sozialen Wohnungsbau brauchen", unterstrich Roth. Und Müldner fand drastische Worte: "Der Bedarf an sozial gefördertem Wohnungsbau ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen". Schützenhilfe bekamen die beiden von Dirk Gläschig von den Freien Wählern. Günstiger Wohnraum sei gefragt und eine GmbH eröffne die einmalige Chance, auf diesem letzten "Sahnestück" am Rand der Villinger Innenstadt das lang erarbeitete Konzept tatsächlich weiter entwickeln zu können. "Wenn das Gelände an einen privaten Investor geht, bleibt von unserer super Idee vielleicht nichts mehr übrig", gab er zu bedenken.

Mangel an bezahlbarem Wohnraum

Diese Befürchtung teilte der SPD-Fraktionsvorsitzende Edgar Schurr. Angesichts der Mangels an bezahlbarem Wohnraum sei die Kommune in der Pflicht, sich einzubringen und all ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, denn die Liste der WBG sei nur die Spitze des Eisbergs. Im Moment sei es nicht gegeben, das Problem über den freien Markt zur regeln.

Dies sahen andere Fraktionen nicht so, zumal sich kurz vor der Sitzung die Firma Deutsche Bauwert, die derzeit im Richthofen-Park tätig ist, auch als Bauträger für den Oberen Brühl ins Spiel gebracht hatte. So prallten gut zweieinhalb Stunden die Argumente aufeinander und regelmäßig kam die Frage auf, ob es überhaupt zu einer Abstimmung kommt.

Arbeit für die Schublade als unnötige Belastung für die Verwaltung

Um handeln zu können, setzte sich Roth vehement für eine Entscheidung ein. Die fiel jedoch gegen den Vorschlag der Stadt aus: Mit 19 (gegen 13) Stimmen lehnte es der Gemeinderat ab, die Konzeptvergabe nicht mehr weiter zu verfolgen. Über den von manchen geforderten Kompromiss, dennoch die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft zu planen, um auf sie zurückgreifen zu können, falls die Ausschreibung kein Ergebnis bringt, ließ Roth indes nicht mehr abstimmen. Diese Arbeit für die Schublade sei eine unnötige Belastung für die Verwaltung.