Ein Obdachloser macht es sich mit Sack und Pack am Lammplatz gemütlich. Das missfällt manchen Passanten. Wolfgang Reiter kommt aber gut mit ihm aus – trotz Kritik an seinem Kuchen.
Ein roter Kochtopf, Vorratsbehälter mit Lebensmitteln und ein Regenschirm – daneben ein provisorisch zusammengebasteltes Tipi-Zelt aus Jacken und Kleidungsstücken. Auf der Holzbank vor dem Café Reiter hat offenbar jemand ein Lager aufgeschlagen.
Die Habseligkeiten gehören einem obdachlosen Mann, der stadtbekannt ist. Der Anblick seines ausgebreiteten Besitztums mutet chaotisch an. Vorbeigehende Passanten setzen eine verärgerte Miene auf, wie bei einer Stippvisite am Montag am Lammplatz festgestellt.
Der Obdachlose ist allerdings nicht vor Ort, deshalb ist kein Gespräch der Redaktion mit ihm möglich.
Einer, der den wohnungslosen Mann sehr gut kennt, ist Wolfgang Reiter, Inhaber des Café Reiter. Er berichtet, dass die vorbeigehenden Menschen sehr unterschiedlich reagieren. „Manche versorgen ihn mit Essen, Decken und auch Geld, andere schütteln den Kopf oder beschimpfen den Mann“, berichtet er. Auch in der Gemeinderatssitzung am Dienstag, 14. Oktober, wird das Schicksal des Mannes kurz thematisiert, auf Anfrage der FDP-Stadträtin Lisa Fritschi. Oberbürgermeister Erik Pauly erklärt, dass der Obdachlose die Stadt schon seit über einem Jahr beschäftige: „Er hat bereits Platzverweise erhalten und wurde schon mehrere Male von dem Platz entfernt.“ Doch die Verweise seien meist von kurzer Dauer. „Er taucht dann schnell wieder auf“, sagt Pauly weiter. Erst am Dienstagvormittag sei der Mann erneut auf Geheiß der Stadtverwaltung des Platzes verwiesen worden.
Doch wer ist der Mann, der sich am Lammplatz so häuslich eingerichtet hat? Der Obdachlose hatte zuvor wohl bereits in Bräunlingen und Radolfzell gelebt, sagt Wolfgang Reiter. Er habe zwar oft mit ihm gesprochen, aber von seinem Leben und seiner Identität weiß er wenig. Sein Name ist ihm unbekannt. Reiter hat seinen eigenen Spitznamen für ihn, den er aber nicht verraten möchte.
Das Verhältnis zu dem obdachlosen Mann beschreibt der Gastronom als freundliches Miteinander. „Er wusste, dass er den Betrieb nicht stören darf. Wenn, dann ist er frühmorgens oder abends zu mir gekommen, um mir etwas zu erzählen. Manchmal habe ich ihm auch ein Stück Kuchen gebracht. Das hat er dann ganz freudig schnabuliert und mir auch immer Rückmeldung gegeben. Zum Beispiel: Da war jetzt zu viel Zimt drin.“ Vereinzelt habe es auch Kommentare von Gästen seines Cafés gegeben, aber weniger Kundschaft durch die Präsenz des Obdachlosen habe er nicht, so Reiter weiter.
Der Donaueschinger Obdachlosenhilfe ist er bekannt. „Er ist ein so genannter freiwilliger Obdachloser“, sagt Jennifer Schau-Schniedermeier. Sie ist beim Ordnungsamt für die Obdachlosen-Unterkunft in der Baarstraße zuständig. Gemäß ihrer Schilderung sei es die Entscheidung des Mannes gewesen, ohne Wohnsitz zu leben. „Viele Obdachlose halten sich so lange an einem Ort auf, wie sie dort geduldet werden, dann ziehen sie weiter“, fügt Schau-Schniedermeier hinzu.
Doch was passiert mit dem Mann im Winter, wenn die Tage kälter werden? Beatrix Grüninger, Pressesprecherin der Stadt, informiert, dass die Stadtverwaltung in persönlichem Kontakt mit dem Mann stehe. Hilfe habe diese bereits angeboten, auch der Einzug in eine städtische Notunterkunft. „Diese Hilfsangebote lehnt er bislang vehement ab. Auch medizinische und betreuende Hilfe möchte er nicht in Anspruch nehmen“, sagt Grüninger. Der Stadt sind in dieser Sache die Hände gebunden. „Eine zwangsweise Unterbringung ist rechtlich nicht möglich“, klärt die Pressesprecherin auf.
„Er zieht es vor, draußen zu leben“
Jennifer Schau-Schniedermeier rechnet damit, dass der Obdachlose im Winter in die Obdachlosen-Unterkunft nach Pfohren kommt. „Während der Wintermonate nimmt er durchaus Hilfe in Anspruch und bezieht zeitweise auch unsere Notunterkunft“, sagt sie. Der Obdachlose zieht es vor, draußen zu leben, aus Angst vor den Mitbewohnern in den Notunterkünften, berichtet Wolfgang Reiter aus seinen Gesprächen mit ihm. Der Mann soll sich demnach teilweise mit Bewohnern gestritten haben. „Mir ist aufgefallen, dass er keinen Alkohol trinkt, da gibt es sicherlich andere Typen in den Unterkünften“, ergänzt Reiter.
Wo steckt er?
Wo der obdachlose Mann nach seinem Platzverweis nun ist, kann niemand sagen. Jennifer Schau-Schniedermeier vom Ordnungsamt berichtet am Mittwoch, 15. Oktober, dass er bisher noch nicht in die Notunterkunft gekommen sei: „Ich habe mich bereits nach ihm umgesehen, aber erfolglos.“ Auch Wolfgang Reiter weiß nicht, wohin es seinen temporären Nachbarn verschlagen hat. Eines ist für ihn aber sicher: „Wir werden ihn hier in Donaueschingen wiedersehen.“
Ohne Dach über dem Kopf
Stand Oktober 2025
sind hierzulande laut dem Statistischen Bundesamt knapp eine halbe Million Menschen wohnungslos. Diese Zahl bezieht sich der Internetseite des Bundesamts zufolge allerdings auf Meldungen von Kommunen und Einrichtungen über untergebrachte Obdachlose. Die Obdachlosenhilfe der Malteser gibt Tipps, wie jeder helfen kann. Der Verein empfiehlt, die Menschen direkt nach ihren Bedürfnissen zu fragen. Ein Gespräch oder auch nur freundlich zu grüßen, seien Lichtblicke im Leben sozialer Isolation. Auch kleine Gesten wie das Anbieten eines Essens oder einer warmen Jacke könnten einen großen Unterschied machen. Das Spenden von Pfandbons sei eine gute Möglichkeit für Obdachlose, kleine Geldbeträge zu erhalten, die ohnehin schon ausgegeben wurden. Aufmerksam zu sein für den Zustand der wohnungslosen Menschen und im Zweifelsfall Hilfe zu holen, das sei gerade in der kalten Jahreszeit wichtig, so die Ratschläge der Obdachlosenhilfe.