Im Winter ist die Lage Obdachloser prekär. Foto: dpa

Wenn es kalt wird, sind die Notunterkünfte für Obdachlose in Stuttgart voll. Die Stadt sucht händeringend eine weitere Bleibe für die Menschen.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart sucht angesichts fallender Temperaturen händeringend eine weitere Bleibe für Obdachlose als Schutz vor dem Erfrieren. Denn Armutsmigranten auf Arbeitssuche und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum führen in der Landeshauptstadt zu vollen Obdachlosen-Unterkünften. „Wenn es richtig kalt wird, dann haben wir ein richtiges Problem“, sagte die zuständige Abteilungsleiterin beim Sozialamt, Isolde Faller. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg sieht landesweit bei der Unterbringung von Obdachlosen im Winter keinen Engpass, fordert aber dringend mehr bezahlbaren Wohnraum.

„Im Prinzip kämen wir mit dem Angebot knapp hin, wenn nicht immer wieder Menschen, die keinen Leistungsanspruch haben, die Unterkünfte aufsuchen würden“, sagte Faller. Die Zahl der Übernachtungsgäste hat sich innerhalb von zwei Jahren auf 800 verdoppelt. Davon hatten im vergangenen Jahr fast zwei Drittel keinen deutschen Pass. Fast jeder fünfte gilt laut Stadt als Armutsmigrant, die meisten stammen aus Bulgarien und Rumänien. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren waren es noch rund 40 Prozent ohne deutschen Pass gewesen.

Wie Faller betont, würden auch vermehrt Menschen über eine längere Zeit das Übernachtungsangebot nutzen, weil sie ihre Wohnung verloren hätten - und nicht so schnell in andere Hilfeeinrichtungen der Stadt vermittelt werden könnten. So seien schon fast die Hälfte der Plätze belegt gewesen, als die Wintersaison am 1. November begann. Bis zu 60 Obdachlosen, die auf der Straße leben, stehen demnach rund 3500 Wohnungslose ohne eigene Mieträume gegenüber.

Weitere Übernachtungsplätze geplant

Aktuell bietet die Stadt an zwei Standorten 65 Plätze für Menschen ohne Dach über dem Kopf an. Die Verwaltung sucht nach eigenen Angaben bereits seit September ein weiteres Gebäude für 15 Übernachtungsplätze.

Dem Paritätischen Wohlfahrtsverband sind die Probleme mit den Einwanderern auf Arbeitssuche grundsätzlich bekannt, wie der zuständige Abteilungsleiter Oliver Kaiser sagt. Aus diesem Grund wollten der Verband und die Kommunen von 2015 an gemeinsam Anträge beim Bund auf EU-Mittel für die Integration von Armutsmigranten stellen. „Wir sind da dran“, sagte Kaiser. Es gehe um Unterkünfte, Dolmetscher und andere Unterstützungsleistungen für die Menschen.

Darüber hinaus fordert Kaiser die Politik auf, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der angespannte Wohnungsmarkt sei das „Grundproblem hinter der ganzen Geschichte - wir verlieren so viele Sozialwohnungen durch den Wegfall der Mietpreisbindung“. So soll sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren die Zahl der Sozialwohnungen mehr als halbiert haben, auf rund 65.000 Ende des Jahres 2013.

In Ulm etwa leben im DRK-Übernachtungsheim für Wohnungslose mittlerweile schon eine Handvoll Menschen dauerhaft - trotz Arbeit. „Das spricht Bände über den Ulmer Wohnungsmarkt“, sagt die Abteilungsleiterin Soziale Dienste, Claudia Steinhauer. Allgemein sieht allerdings sowohl der Paritätische als auch der Städtetag Baden-Württemberg die Kommunen beim Schutz gegen das Erfrieren gut gerüstet. „Es gibt nicht die Situation, dass jemand auf die Straße geschickt werden muss“, sagt Kaiser. Der zuständige Dezernent beim Städtetag, Gerhard Mauch, sagt, die Kommunen hätten die Situation „einigermaßen im Griff“. Im Dezember 2011 hatten die Kommunen gemeinsam mit der Liga der freien Wohlfahrtspflege einen Leitfaden für den Erfrierungsschutz verabschiedet. Zuvor hatte es mehrere Kältetote in Baden-Württemberg, unter anderem in Ulm, gegeben.

Die Zahlen seien mittlerweile bundesweit „rückläufig“, sagte Kaiser. Im vergangenen Jahr seien fünf Menschen in Deutschland erfroren, keiner davon in Baden-Württemberg.