Die Kultur spielt in Rottweil eine große Rolle. "kulturrottweil" als Dachverband der kulturschaffenden Vereine der Stadt, hat die OB-Kandidaten vor der Wahl zu ihren Ambitionen befragt.
Rottweil - Die vier Fragen wurden den Kandidaten schriftlich zugesandt. Das Besondere: Kandidat Simon Busch ist als Sprecher von kulturrottweil bekannt, was zu Irritationen aufgrund der Nähe zu den Fragestellern geführt hat. Mitbewerber Christian Ruf hatte dies auch in seinen Sozialen Medien thematisiert.
Buschs Amt bei kulturrottweil ruht
kulturrottweil erklärt dazu, dass Busch und auch die Vorstände nach der Bekanntgabe der OB-Kandidatur sofort einvernehmlich beschlossen hätten, dass Buschs Tätigkeiten während des Wahlkampfes ruhen sollten. Dies sei für kulturottweil die einzige Möglichkeit, weiterhin unabhängig agieren zu können.
Weiter heißt es: "Simon Busch hat seither weder an Sitzungen der Vorstandschaft noch an Besprechungen jeglicher Art teilgenommen oder Einsicht erhalten." Ausnahme sei seine Teilnahme beim alljährlichen Vorstands-Umtrunk gewesen.
Kommunikation hapert
Auf Nachfrage unserer Redaktion, wann und wo öffentlich kommuniziert wurde, dass Busch sein Amt bei kulturrottweil ruhen lässt, räumt der Verband ein: "Das war tatsächlich nicht gut öffentlich kommuniziert von uns. Das war eine interne Absprache im Vorstand. Im Nachhinein gesehen, hätte da die Kommunikation besser laufen sollen."
Keiner der Kandidaten, so wird betont, habe vorab Einsicht in die Antworten der anderen erhalten. Joachim Bloch habe auf die Umfrage nicht reagiert.
Die Fragen und Antworten
Besonders in Krisenzeiten wird deutlich, dass das Kulturleben nicht nur beständiger Förderung, sondern auch neuer Ideen, innovativer Konzepte und digitaler Möglichkeiten bedarf. Dafür braucht es Offenheit, Interesse und Visionen bei Entscheidungsträgern. Inwiefern würden Sie im Falle einer gewonnenen Wahl solche Themen konkret angehen?
Busch: Mein Interesse für die Kultur ist offensichtlich und mein Engagement für die Kultur bekannt. Meiner Überzeugung nach ist es nicht Aufgabe der Verwaltung, in Konzepte und Inhalte von Kulturinstitutionen einzugreifen oder diese zu bestimmen. Konzepte und Ideen müssen von der Kultur selbst kommen. Und das passiert in Rottweil in beeindruckender Vielfalt! Ich werde mich als OB vehement dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen für eine freie Entfaltung von Kunst und Kultur gegeben sind – natürlich mit Blick auf die finanzielle Machbarkeit, aber beispielsweise auch durch größtmögliche Offenheit und Unterstützung für Kulturangebote im öffentlichen Raum. Denn von Kultur können alle profitieren.
Ruf: "Die Corona-Pandemie hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt. Besonders im kulturellen Bereich konnte man den Eindruck gewinnen, dass Bund und Land hierauf kein allzu großes Augenmerk legen. Das verbindende Element von Kultur sind Live-Veranstaltungen, die persönlichen Begegnungen, der Gedanken- und Meinungsaustausch. Dies kann zwar durch digitale Angebote ergänzt werden, ein schönes Beispiel ist hier jüngst die Aktion von Kunstdünger Hausen. Ich sage aber ganz klar: Digitalisierung ist im kulturellen Bereich lediglich eine Ergänzung. Eine Situation wie in den vergangenen zweieinhalb Jahren, als die Kultur sozusagen zum Erliegen kam, darf es nicht mehr geben.
Für die Zukunft kann ich mir konkret vorstellen, dass die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen Kulturamts neben der finanziellen Förderung auch verstärkt mit ihrem Know-how unterstützen und den ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern noch mehr zur Seite stehen. Wir werden als Kulturstadt auch von der Landesgartenschau 2028 profitieren. Da werden neue Open-Air-Bühnen entstehen, von denen wir weit über das Jahr 2028 hinaus - und das ist für mich gelebte Nachhaltigkeit - profitieren werden."
Jehle-Mungenast: "Schon Ihre Fragestellung beweist, welche tragende Rolle die Kultur in einer Stadt einnehmen kann: Sie kann Keimzelle von Innovation und Ideen sein und kann so in die Entwicklung Rottweils zu einer zukunftsfähigen Stadt hinein strahlen. Ich schlage für Rottweil ein Innovationspark und ein Digital Hub vor. Beide können auch Orte sein, an denen moderne Medienkunst sich entwickelt. Als gelungenes Beispiel könnte dafür das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe dienen.
Ich möchte noch ein Beispiel aus meiner Tätigkeit als Bezirksvorsteher nennen: Durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie mussten wir zwei Jahre auf viele uns lieb gewonnen Veranstaltungen verzichten. Auch in Stuttgart-Vaihingen habe ich dies erlebt. Daher haben wir 2021 dort kurzerhand mit KULTUR TO GO eine neue coronakonforme Kulturveranstaltung des Stadtbezirks auf die Beine gestellt, die uns trotz Abstand und Hygieneauflagen ein kulturelles Leben ermöglichte."
Stadtmuseum ein Sorgenkind
Wo sehen Sie Entwicklungspotential im kulturellen Leben in Rottweil? Welche Schwerpunkte bei der Kulturförderung würden Sie nach Ihrer Wahl setzen?
Busch: Was Rottweil sicher fehlt, ist ein repräsentatives Stadtmuseum. Das ist ein Herzensanliegen für mich. Dabei muss aber die Aufgabe und Konzeption eines Museums neu gedacht werden. Geschichte muss erlebbar werden. Ein interaktives Bildungs- und Erlebnishaus in der Rottweiler Innenstadt wäre ein Magnet, der auch für Gastronomie und Einzelhandel viele Besuchergruppen weit über die Stadtgrenzen hinaus anlocken würde. Außerdem würde es der vielseitigen Stadtgeschichte von Römern und Reichstadt über Rottweiler Hunde und Fasnet bis in die heutige Zeit gerecht werden. Ein solches Projekt werde ich mit Elan vorantreiben.
Ruf: Zunächst möchte ich betonen, dass Rottweil eine herausragende Kulturstadt mit einer weit über die Stadtgrenzen hinausgehenden Strahlkraft ist. Deshalb wird die Stadt im Falle meiner Wahl zum Oberbürgermeister dieses Engagement weiterhin finanziell unterstützen. Daneben werde ich mich dafür einsetzen, dass eine stärkere Förderung des kulturellen Angebots auch in der Breite erfolgt. Hierin liegt für mich ein Schwerpunkt bei der Kulturförderung. Denn das ehrenamtliche Engagement hält unsere Gesellschaft im Kern zusammen.
Entwicklungspotenzial sehe ich konkret im Bereich Stadtmuseum, das derzeit in nicht angemessenen Räumen untergebracht ist. Klimatische Bedingungen, sanitäre Einrichtungen, fehlende Barrierefreiheit, kein pädagogisch zeitgemäßes Angebot, hier besteht Handlungsbedarf. Ich möchte einen Kulturraum im Alten Spital schaffen, wo neben dem Stadtmuseum auch die Stadtbibliothek und weitere Räume für Veranstaltungsmöglichkeiten untergebracht sind. Der Standort an der Schnittstelle zwischen Landesgartenschaugelände und historischer Innenstadt ist geradezu ideal und würde in dieses altehrwürdige Gebäude neues Leben bringen.
Jehle-Mungenast: Das kulturelle Leben in Rottweil ist für eine Stadt dieser Größe außergewöhnlich ausgeprägt. Mir wäre ein Anliegen, dass das kulturelle Leben verstärkt in der historischen Innenstadt seinen Platz findet, dadurch wird die Aufenthaltsqualität erhöht und das Herz dieser alten Stadt wird belebt. Warum nicht die Innenstadt regelmäßig zeitweise für den Autoverkehr sperren und die Straßen zu Kulturbühnen machen?
Städtische Förderung im Blick
Vereinsarbeit hat in Rottweil seit jeher einen hohen Stellenwert. Als Dachverband der kulturtreibenden Vereine und Institutionen in Rottweil ist es uns ein großes Anliegen, dass die Unterstützung/Förderung durch die Stadt Rottweil weiterhin gesichert ist. Wie werden Sie sich zu diesem Thema als zukünftiger OB positionieren?
Busch: Die finanzielle Förderung der Vereine durch die Stadt Rottweil ist gemessen am Gesamthaushalt ohnehin schon ein marginaler Betrag. Die Chorgemeinschaft Rottweil erhält beispielsweise 505€ Barzuschuss. Hier weiter zu kürzen, wäre für eine Haushaltskonsolidierung nur bedingt hilfreich, aber ein fatales Signal an die Menschen im Ehrenamt. Welche Maßnahmen in welcher Höhe gefördert werden, entscheidet letztlich der Gemeinderat. Ich werde mich als OB klar gegen Kürzungen von Vereinszuschüssen aussprechen.
Ruf: "Selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und bei einer angespannten Haushaltslage darf Kultur nicht zur Manövriermasse werden. Unsere kulturtreibenden Vereine und Institutionen können sich deshalb mit einem OB Dr. Ruf hundertprozentig auf die finanzielle Unterstützung durch die Stadt verlassen. Wertschätzung der kulturellen Arbeit spiegelt sich, neben dem finanziellen Aspekt, auch im Besuch von Veranstaltungen wider. Deshalb werde ich bei kulturellen Veranstaltungen wie auch in den letzten gut sechs Jahren weiterhin stark präsent sein. Kultur lebt vom gegenseitigen Austausch als verbindendes Element."
Jehle-Mungenast: "In Rottweil engagieren sich so viele für das Gemeinwesen. Das ist ein riesiges Potenzial! Und es ist Aufgabe der Stadt dieses meist ehrenamtliche Engagement zu unterstützen. Besonders Förderprogramme von Bund, Land und Stiftungen könnten für viele Vereine und Institutionen helfen neue Ideen anzugehen und so das Leben in Rottweil zu bereichern. Hier nimmt für mich das städtische Ehrenamtsbüro eine wichtige Rolle ein, das durch eine verstärkte Ausstattung ein noch erweitertes Unterstützungsangebot leisten kann. Neben finanziellen Zuschüssen bedarf es sanierter städtischer Räume, Hallen und Kulturräumlichkeiten, die genutzt werden können."
Kultur ist nicht nur Hochkultur
Kulturelle Bildung sollte auch zukünftig für alle Bürger Rottweils erschwinglich sein. Das heißt, es bedarf hier zusätzlicher Förderungen und Entlastungen für die Bürger. Wie bedeutend ist die kulturelle Bildung und deren Förderung auf Vereinsebene und innerhalb kultureller Einrichtungen für Sie?
Busch: "Es ist klar: Jazzfest, Forum Kunst, Zimmertheater, Sommersprossen, etc. sind wichtige Bestandteile unseres Veranstaltungskalenders. Sie bieten Orientierung für alle Kulturschaffenden und Kulturinteressierten, sind Pfeiler unseres Stadtmarketings und wichtige weiche Standortfaktoren. Kultur bedeutet aber für mich nicht nur Hochkultur. Kultur beginnt für mich in jedem Chor, in jedem Musikverein, in jeder Theater-AG, in jeder Gedenkstätte, beim Stadtjugendring oder auch beim Rollbrettverein. Dabei ist es nicht wichtig, wie hoch oder schnell jemand sein Instrument beherrscht oder wie kreativ er malen kann. Sondern viel wichtiger ist – und das habe ich an der Bundesakademie intensiv erfahren dürfen – die Persönlichkeitsbildung jedes Beteiligten. Was Kultur mit Menschen macht! Durch Vereinsarbeit, durch die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur, durch Interaktion mit Kritikern und Gleichgesinnten, durch Engagement und Zielerreichung entstehen individuelle Persönlichkeiten, die sich differenziert mit sich und ihrer Umwelt auseinandersetzen. Genau wie im Sport werden Fähigkeiten erlernt, die aus Kindern mündige und sozial fähige Persönlichkeiten entstehen lassen. Undenkbar, was auf unsere Gesellschaft für Kosten und Aufgaben – besonders im karitativen Bereich – zukämen, würde es die Kultur nicht geben. Daher hat Kultur für mich einen unschätzbaren Wert in unserer Gesellschaft!"
Jugendarbeit unverzichtbar
Ruf: "Kultur ist nicht nur Selbstzweck, sondern hat auch einen Bildungsauftrag. Eine gute und breite Jugendarbeit ist die Basis für die kulturelle Vielfalt in unserer Stadt sowie in unseren Vereinen. Damit wir unser hohes Niveau als Kulturstadt halten können, müssen wir in die Jugendarbeit investieren. Es ist zwar eine Freiwilligkeitsleistung – aber sie ist unverzichtbar. Deshalb lege ich größten Wert beispielsweise auf eine gut ausgestattete Musikschule sowie die finanzielle Förderung der Vereine in diesem Bereich. Das Thema kulturelle Bildung darf aber nicht auf den musikalischen Sektor begrenz sein, ich denke hier ebenso an die vielen weiteren Angebote wie die Jugendkunstschule Kreisel oder die Volkshochschule, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Angesichts wachsender Belastungen durch steigende Energiepreise und hohe Inflation müssen wir als Stadt unsere Familien an dieser Stelle bestmöglich entlasten. Chancengleichheit darf auch bei der kulturellen Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Über den städtischen Familienpass können wir hier gezielt Lösungen bieten. Damit diese auch zum gewünschten Erfolg führen, ist es notwendig, die Bemessungswerte des städtischen Familienpasses laufend zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen."
Jehle-Mungenast: Der Zugang zu Kultur ist ein wichtiger Aspekt der Teilhabe. Daher müssen kulturelle Angebote besonders für finanziell schwächer gestellte Rottweiler durch einen städtischen Zuschuss zugänglich gemacht werden. Zudem sehe ich eine große Chance durch die kulturelle Bildung von jungen Menschen, beispielsweise durch verstärkte Kooperationen von Kultureinrichtungen und unseren Schulen.