Die Bürger nutzen die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Foto: Nädele

Es ist eine Premiere am Donnerstagabend in der Stadthalle: Erstmals sind alle vier Bewerber um den Oberbürgermeisterposten auf einer Bühne vereint – wenn auch nur kurz. Die folgenden zwei Stunden zeigen: Es ist ein heißes Rennen.

Rottweil - Ob es an dem Aufflackern des Coronavirus im Vorfeld liegt, dass sich der Ansturm an diesem wichtigen Abend in Grenzen hält? Oder einfach daran, dass die Stadt die Vorstellung auch ins heimische Wohnzimmer überträgt? Fakt ist: Etliche Stühle bleiben leer, am Eingang werden bis kurz vor Beginn rund 400 Besucher gezählt.

Die Spannung nimmt das keineswegs. Fachbereichsleiter Herbert Walter überbringt zunächst die Grüße des an Corona erkrankten Amtsinhabers Ralf Broß – und legt dann auch gewohnt sachlich los. Nach dem Gruppenbild mit allen Bewerbern werden drei in den Nebenraum verbannt: Simon Busch – der per Losentscheid bestimmte erste Name auf dem Wahlzettel am 25. September – beginnt.

Simon Busch will Veränderung

Der 36-jährige Rottweiler stellt das voran, was seit Bekanntwerden seiner Kandidatur mit ihm verbunden wird: Er stehe für einen dauerhaften Dialog mit den Bürgern, für neue Visionen, für Fairness und Transparenz – und ja, auch für eine dichte Vernetzung in der Stadt. Ein Fakt, der ihm auch schon vorgeworfen worden sei, räumt Busch ein. "Aber wäre es gut, wenn ein OB isoliert im Rathaus sitzt?"

Busch ist es auch wichtig zu widerlegen, dass er womöglich zu wenig Erfahrung für den OB-Job habe. Er geht ausführlich auf seine Vita ein, seine aktuelle Tätigkeit bei der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung mit mehr als 30 Mitarbeitern. "Ich kenne die Verwaltung und ich kann verwalten." Und er wisse genau: "Man muss selbst vorausgehen, wenn man Dinge in Bewegung setzen will."

Auch wenn Busch für Veränderung steht, will er keine Generalkritik an der Verwaltung üben. "Die Frauen und Männer in der Stadt machen einen super Job." Dennoch dürfe man nicht "auf Sicht fahren". Er habe ein Bild von Rottweils Zukunft im Kopf. Dazu gehört für ihn eine lebendige Innenstadt. Busch steht voll hinter der Landesgartenschau, bei der man nachhaltige Projekte priorisieren müsse. Schwerpunkte setzt er bei Bildung und Wirtschaft – "die Wirtschaftsförderung in Rottweil liegt brach" – bei der Mobilität und der Kinderbetreuung. Die "gelbe Karte" von Hermann Leins wegen Überschreitung der 15 Minuten Redezeit muss ihn schließlich bremsen.

Ruf als Krisenmanager erfahren

Weiter geht’s mit dem amtierenden Bürgermeister Christian Ruf. Es sei kein Automatismus, dass man sich als Bürgermeister nun als OB bewerbe, betont Ruf. Er habe sich die Entscheidung reiflich überlegt. Die Kandidatur sei für ihn eine "Herzensangelegenheit". Er könne sehr gut einschätzen was auf den künftigen OB zukommt. Und er bringe sowohl die fachliche Kompetenz als auch neue Ideen mit, versichert er. Ruf hebt hervor, dass ein OB eben kein Alleinentscheider ist. Er habe die nötige Erfahrung in der Arbeit mit einem Gemeinderat – wo letztlich Entscheidungen voran gebracht werden müssten – und sei darüber hinaus auch durch sein Kreistagsmandat bestens vernetzt.

Als Bürgermeister habe er sich in den vergangenen Jahren auch als Krisenmanager bewiesen. Ruf freut sich, dass ihn viele Bürger in Rottweil im Wahlkampf nun auch von einer anderen Seite kennengelernt haben. Und er betont, dass es ein Unterschied sei, ob man in der zweiten oder in der ersten Reihe agiert. "Ich darf ihnen sagen, der Oberbürgermeister und der Bürgermeister waren nicht immer einer Meinung." Er werde einige Prioritäten – unter anderem bei der Wirtschaftsförderung und beim Klimaschutz – ändern.

Die Dimensionen, die das Amt mit sich bringt, macht er den Zuhörern eindringlich deutlich. Als OB gelte es, die Stadtverwaltung mit mehr als 500 Mitarbeitern zu führen, und mit den Mitarbeitern auf Augenhöhe zu kommunizieren. "Wir haben angesichts der großen Aufgaben keine Zeit für Lernkurven." Bei der Landesgartenschau – seinem "Baby" seit Tag eins, wie er schmunzelnd erklärt, gelte es jetzt die Weichen zu stellen.

Jehle-Mungenast will mutig vorangehen

Bevor Kai Jehle-Mungenast sich vorstellt, leeren sich einige Plätze in der Halle. Ein Hinweis darauf, was sich in der Stadt seit längerem abzeichnet: Der Fokus im Wahlkampf liegt bei vielen Bürgern auf den Bewerbern Busch und Ruf.

Jehle-Mungenast lässt sich davon nicht beirren und zeigt, wie ernst ihm seine Bewerbung ist. Der Bezirksvorsteher aus Stuttgart-Vaihingen gibt seiner Liebe zu Rottweil Ausdruck. Die Stadt mit ihrem "unglaublichen Charme", die Fasnet, die Menschen – das alles begeistere ihn und seine Familie immens. Dennoch liege noch viel Potenzial brach. Und das will er wecken.

"Ein wirklicher Aufbruch kann nur mit einem Kandidaten von außen gelingen", betont er. Rottweil müsse zukunftsfähig werden – als Bezirksvorsteher habe er ausreichend Erfahrung, um dies gemeinsam mit den Bürgern umzusetzen. Die Stadt müsse weg von einer "nicht funktionierenden Einkaufsmeile" hin zu einer lebenswerten Innenstadt mit ausreichendem Raum für die Menschen. Sein Motto: Mutig sein, Dinge einfach ausprobieren. Das gelte zum Beispiel für die Sperrung der Innenstadt für den Verkehr. Besonders am Herzen liegt ihm das Thema Familien – mit dem großen Ziel einer besseren und flexibleren Betreuung, langfristig möglichst kostenfrei.

Joachim Bloch will Wirtschaft fördern

Joachim Bloch, der für die AfD ins Rennen geht, ist dann der einzige, der die 15 Minuten Redezeit nicht ausfüllt. Bevor er loslegt, leert sich die Halle weiter deutlich. Bloch hält es für "fahrlässig", den Bürgern Versprechungen zu machen, die dann nicht eingehalten werden können. "Die Politik von heute weiß nicht, was morgen ist." Die politische Großwetterlage schlage immer mehr nach unten durch. Ein Schwerpunkt liegt bei ihm auf dem Thema Wirtschaft. Hier sei Rottweil im Vergleich zu Tuttlingen "Entwicklungsland". Die jetzige Verwaltungsspitze lasse sich zu wenig bei Unternehmen blicken. Er als Wirtschaftsanwalt sei hier bestens vernetzt, betont Bloch. Für die Landesgartenschau hält er angesichts der Kostensteigerungen ein abgespecktes Konzept für notwendig. Einen unfreiwilligen Lacher landet er mit der Idee, auf der Großschen Wiese ein Parkdeck zu bauen. Hier ist der Bau eines Parkhauses längst beschlossen.

Über die Fragerunden werden wir noch berichten. Vorab so viel: Während es bei Bloch keine Fragen der Zuhörer gab und bei Jehle-Mungenast nur wenige, traten bei Busch und Ruf viele Bürger ans Mikrofon. Auch das – ein erstes Stimmungsbild.