Wolfgang Schuster erklärt im Stuttgarter Rathaus, warum er bei der nächsten OB-Wahl nicht antreten will Foto: dpa

Wolfgang Schuster über seine Gründe, nicht wieder zur OB-Wahl in Stuttgart anzutreten.

Stuttgart - Wolfgang Schuster kandidiert nicht wieder für den Stuttgarter OB-Sessel. Furcht vor den Gegnern von Stuttgart 21 oder Angst vor der Abwahl seien dafür aber nicht ausschlaggebend gewesen, sagt er im Interview mit unserer Zeitung.

 

Herr Schuster, viele fühlen sich durch Ihre Entscheidung überrascht. Gab da bei Ihnen womöglich das Risiko den Ausschlag, im Herbst nicht wiedergewählt zu werden und damit Ihre, wie viele meinen, sachlich „herausragende“ Bilanz zu trüben?
Wie die Menschen bei der OB-Wahl im Oktober entscheiden werden, lässt sich heute noch nicht vorhersagen. Aber ich wäre optimistisch gewesen. Natürlich besteht bei jeder Wahl das Risiko einer Niederlage. Der Gedanke daran war für mich aber nur ein kleiner Punkt auf der Liste mit Pro und Contra.

Hatten Sie Furcht, in der durch Stuttgart 21 aufgewühlten Stadt Wahlkampf zu machen und sich den Projektgegnern auszusetzen?
Furcht oder Angst habe ich nie. Ich rede und diskutiere jeden Tag mit Gegnern des Bahnprojekts. Meine Meinung zum Thema ist bekannt. Die vertrete ich seit fast 20 Jahren. Ich respektiere aber auch, dass es andere Meinungen gibt. Im Übrigen glaube ich nicht, dass Stuttgart 21 ein zentrales Wahlkampfthema wird. Eine Mehrheit in Stadt und Land hat sich deutlich für das Projekt ausgesprochen. Stuttgart 21 hat bei meiner Entscheidungsfindung auch nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Was war dann entscheidend?
Für mich war besonders wichtig, dass Stuttgart – Stand heute – im europaweiten Vergleich objektiv bestens dasteht, und dies in allen wesentlichen Aufgabenfeldern. Die Bürgerumfragen bestätigen dies subjektiv. Wir haben die höchste Zufriedenheitsquote der Bürger im Vergleich zu allen deutschen Großstädten. Ich kann also guten Gewissens das Steuer Anfang 2013 abgeben. Wer immer meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger wird: Diese Person findet beste Verhältnisse vor, um die Stadt weiterzuentwickeln. Die Möglichkeiten sind nicht eingeschränkt wie andernorts.

„Ich will noch viele Projekte voranbringen“


Was die Stimmung in Stuttgart angeht, sind die Verhältnisse wegen Stuttgart 21 aber schon schwierig. Viele rufen nach einem Brückenbauer. Ist das vielleicht sogar die Stunde eines parteilosen Kandidaten?
Ein Oberbürgermeister muss selbstverständlich für alle da sein. Deshalb habe ich mich ja nie um eine Funktion in der CDU bemüht und meine Rolle überparteilich ausgefüllt. Man muss allerdings auch sehen, dass ein OB-Wahlkampf ohne den organisatorischen und finanziellen Rückhalt bei einer Partei nicht möglich ist. Und eines ist auch klar: Kein Kandidat kann in einen Wahlkampf ziehen, ohne seine Meinung zu Stuttgart 21 zu sagen.

Sie haben sich, wie Sie in Ihrer Rede sagten, für das Ihnen verbleibende Jahr im Amt noch sehr viel vorgenommen. Aber sind Sie jetzt nicht ein Jahr lang das, was man in den USA eine lahme Ente nennt, weil Sie Ihre Entscheidung schon am 9. Januar mitteilten?
Ich hatte mir über den richtigen Zeitpunkt einige Gedanken gemacht, zunächst an Ostern gedacht. Ganz bewusst habe ich dann diesen frühen Termin gewählt. Das macht es den Parteien und möglichen Kandidaten einfacher. Ich habe für 2012 eine völlig klare Zielrichtung, eine straffe Agenda. Ich will in dem verbleibenden Jahr noch viele Projekte voranbringen. Wer mich kennt, weiß, dass ich dies mit vollem Einsatz tue. Von daher keine Sorge, eine lahme Ente werde ich sicher nicht werden.

Nicht einmal Ihr politischer Ziehvater und Vorgänger Manfred Rommel konnte Sie zum Weitermachen veranlassen? Haben Sie ihm Ihre Gründe persönlich erläutert?
Ich war am 24. Dezember bei ihm, habe ihm zum Geburtstag gratuliert. Er sagte mir, ich solle weitermachen – und alle anderen, die noch dort waren, fanden das auch. Ich bin mir aber sicher, dass er meine Entscheidung nachvollziehen kann.

Ihr Argument, dass die Familie ihr Recht verlangt, in allen Ehren. Aber niemand kann sich vorstellen, dass Wolfgang Schuster von Anfang 2013 an nur daheim sitzt und die Enkel betreut. Was wollen Sie wirklich noch angehen?
Ganz ehrlich, ich habe noch keine genaue Vorstellung, was ich nach dem Abschied aus dem Amt 2013 tun werde. Ich habe mir darüber wirklich noch keine Gedanken gemacht. Wenn die Amtszeit endet, muss man erst einmal loslassen. Das wird mir schwer genug fallen, nachdem ich so viele Jahre mit der Stadt Stuttgart verheiratet gewesen bin. Aber ich habe mich nun mal entschieden, von 2013 an nicht mehr als erster Bürger der Stadt, sondern als engagierter Bürger unter Bürgern für die Weiterentwicklung Stuttgarts zu arbeiten.

Sie haben in Ihrer Rede am Montag sehr auf den 7. Januar 2013 als Tag des Wechsels abgehoben. Bedeutet das in der Praxis, Sie werden bis Weihnachten 2012 im Rathaus sein?
Nicht nur bis Weihnachten 2012. Ich bin bis zum 6. Januar im Amt. Dieser Verantwortung werde ich gerecht, wenn es sein muss, sogar bis Mitternacht.