Prost: OB Fritz Kuhn hat das Cannstatter Volksfest eröffnet. Foto: www.7aktuell.de |

Ist es schwäbische Bescheidenheit oder Furcht vor dem Finanzamt? Während die Münchner stets mit ihrem Oktoberfest angeben und sogar ausrechnen, dass es 1,1 Milliarden Euro wert ist, wissen die Stuttgarter nicht, wie viel Geld das Cannstatter Volksfest in die Stadt spült. Eine Annäherung.  

Stuttgart - Sie sind nicht gerade Erbsenzähler. Aber doch sehr akkurat. In München wird jeder Hähnchenschlegel erfasst. Obwohl sich die ganze Stadt während der Wiesnzeit dem Rausch hingibt, bleiben die Statistiker nüchtern und haben festgestellt: 2012 kamen 6,4 Millionen Besucher aufs Oktoberfest, sie tranken 7,4 Millionen Liter Bier, aßen 509.000 Brathähnchen, 115.000 Paar Würste, 59.000 Schweinshaxen, 116 Ochsen und 85 Kälber. Sie gaben 435 Millionen Euro auf dem Platz aus. Weil sie aber auch übernachten, einkaufen, Taxi fahren, summieren sich die Einnahmen durchs Oktoberfest auf insgesamt 1,1 Milliarden Euro.

In Stuttgart weiß man, dass der Wasserverbrauch auf dem Wasen 224.000 vollen Badewannen entspricht. Und sich die Frontmeter der 320 Geschäfte auf fünf Kilometer addieren. Wie viel Geld die Besucher allerdings auf dem Wasen und in der Stadt ausgeben, bleibt im Dunkeln. Das hat man bisher nie erhoben. Auch weil eine Studie, so Kämmerer Michael Föll, viel Geld kosten würde und wenig Erkenntnisgewinn hätte. Heraus käme ohnehin, was man schon wisse: „Unstrittig ist das Volksfest immens wichtig für Stuttgart und ein Wirtschaftsfaktor ersten Ranges.“

Als Kämmerer rechnet er mit Heller und Pfennig, dem Spekulieren ist er qua Amtes abhold, also müssen wir uns anders behelfen. Die Wirte reden anders als die Kollegen in München nicht darüber, wie viel Bier sie zapfen und wie viele Göckele sie grillen. Das wird als Betriebsgeheimnis behandelt. Der Schwabe prahlt nicht gerne, und der Fiskus liest schließlich mit. Schauen wir noch einmal nach München. Dort gibt der Besucher also im Schnitt 68 Euro auf dem Festplatz aus. Nun hat das Oktoberfest viele Besucher aus dem Ausland, bei denen als Urlauber naturgemäß der Geldbeutel lockerer sitzt, doch 50 Euro je Besucher scheint für Stuttgart eine realistische Zahl. Das wären bei vier Millionen Besuchern auf dem Wasen 200 Millionen Euro Ausgaben.

Auch die Hotels zählen zu den Profiteuren

Immerhin 1500 Menschen sind beim Volksfest damit beschäftigt, den Gästen Vergnügen zu bereiten. Dazu kommen laut Wasenveranstalterin in.Stuttgart etwa 16.000 Menschen, die mit Dienstleistungen rund um den Rummel zu tun haben. Also die Schreiner und Elektriker, die die Zelte aufbauen, die Lieferanten, die Bierbrauer, die Verkäuferin im Trachtengeschäft, die Taxifahrer, die Zimmermädchen im Hotel, die Einzelhändler in der Stadt.

Also fragen wir dort mal, ob man mit Zahlen helfen kann. Aber auch Hans H. Pfeifer, Chef der City-Initiative, also der Vertreter der Einzelhändler der Innenstadt, kann nicht helfen. Wie genau es sich auf die Umsätze auswirke, sei nicht zu erheben. „Aber das Volksfest ist unbestritten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Einzelhandel geworden“, sagt er, „man sieht das ja schon daran, dass die Schaufenster mit Bezug aufs Volksfest geschmückt werden, dass der Dirndl- und Trachtenhype übergesprungen ist in die Innenstadt.“

Auch die Hotels zählen zu den Profiteuren. Das bestätigt Markus Hofherr, selbst Hotelier und Chef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Zwar hat auch er „keine belastbaren Zahlen“, sagt aber: „Das Volksfest strahlt auch in die Region hinaus, unsere Betriebe sind gut ausgelastet.“ Interessant sei, dass viele Tagungen auch kurzfristig nach Stuttgart verlegt würden. Das liege natürlich am Volksfest. Man redet tagsüber übers Geschäft und geht abends auf den Wasen. Sein Personal wie auch das in vielen anderen Hotels wirft sich im Übrigen während der Wasenzeit in Tracht. „Um die Gäste einzustimmen“, wie Bruno Schäfer-Suren, Chef im Hotel Le Meridièn, sagt. Hofherr: „Das Volksfest ist ein touristischer Aktivpunkt für die Region.“

Das bestätigt auch Armin Dellnitz, Chef von Stuttgart-Marketing. „Die Buchungsauslastung der Hotels ist während des Volksfests sehr gut.“ Auch im i-Punkt, dem Infozentrum an der Königstraße, merke man eine höhere Besucherzahl. „Anlass für die Reise ist das Volksfest“, sagt Dellnitz, „aber viele Touristen nutzen die Gelegenheit, die Stadt näher kennenzulernen.“ Und gehen dann einkaufen, essen und in die Museen. Wie viel Geld sie dort ausgeben, das wiederum kann man nur schätzen.

Einer traut sich dann doch. Marcus Christen, bei in.Stuttgart fürs Volksfest zuständig, vermutet, dass der Wasenrummel deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Stadt spült. Im Vergleich mit München scheint das plausibel. Man nähert sich an. Auch bei den Preisen. Ein Anrufer hat erzählt, er habe fürs Wochenende ein Zimmer in Stuttgart gebucht. Für 220 Euro, in einem Dreisternehotel. Das ist schon fast Münchner Niveau.