In einem Kindergarten im "Walmer-Township" hat Lukas Haßdenteufel die Erzieherinnen unterstützt.Fotos: Haßdenteufel Foto: Schwarzwälder Bote

Studium: Lukas Haßdenteufel aus Nusplingen berichtet über sein Auslandssemester in Südafrika

Bereits zu Beginn seines Studiums ist für Lukas Haßdenteufel aus Nusplingen festgestanden, dass er ein Auslandssemester machen möchte. Inspiriert durch Bekannte aus höheren Semestern zog es ihn nun nach Südafrika.

Nusplingen. "Viele wertvolle Eindrücke, Erinnerungen und Erfahrungen, die mein Leben noch lange prägen werden", hat Lukas Haßdenteufel in seinem Auslandssemester gesammelt. Der 21-Jährige studiert seit 2017 Wirtschaftsingenieurwesen Bau und Immobilien an der Hochschule für Technik in Stuttgart. Anfang des Jahres reiste er nach Südafrika, um sein sechstes Semester in Port Elizabeth an der Nelson Mandela University zu verbringen. Gemeinsam mit Studenten aus aller Welt sowie mit den Einheimischen wohnt er dort im Studentenwohnheim, nah am Strand gelegen, in einer Fünfer-Wohngemeinschaft.

Darüber, dass die Sicherheitsstandards des Wohnheims relativ hoch seien, freut sich der Student, denn Südafrika sei weltweit eines der Gebiete mit der höchsten Kriminalitätsrate. Nach wenigen Wochen Aufenthalt seien zwei Freunde auf dem Heimweg aus einer Bar überfallen und ausgeraubt worden. Mittlerweile habe er gelernt, mit der Kriminalität umzugehen.

Es sei ihm nicht schwer gefallen, sich einzuleben, berichtet der Nusplinger. Die Tatsache, dass außer ihm 80 weitere Studenten aus Deutschland vor Ort gewesen seien, habe es anfangs relativ leicht gemacht, Kontakte zu knüpfen. Zu Beginn sei alles neu und etwas chaotisch gewesen. Durch die Vorlesungen an der Uni lernte er auch einheimische Studierende kennen und gewann dadurch Einblicke in die afrikanische Kultur. Außerdem nahm er über die Universität an einem Freiwilligenprojekt teil. Einmal in der Woche machte sich Lukas dafür – vor Corona-Zeiten – aus dem wohlhabenden Stadtviertel, in dem er untergebracht ist, auf ins nur zehn Minuten entfernte "Walmer-Township", wo er in einem Kindergarten die Erzieher unterstützte. Es sei erschreckend für ihn, wie ungleich die Verhältnisse seien: "Ohne fließendes Wasser leben die Menschen in Blechhütten, nur zehn Minuten vom Reichenviertel entfernt."

Bei seinen Besuchen in dem Township sei ihm klar geworden, wie gut es die Menschen in Deutschland hätten: "Das wird einem erst richtig bewusst, wenn man die Armut der Menschen hautnah erlebt. Gleichzeitig fühlt man sich schlecht dabei, wenn man dann aus dem Township wieder zurück in seine Wohnung kommt und unter seine eigene Dusche kann, während es den Menschen dort so schlecht geht. Das macht einen traurig und hilflos."

Der 21-Jährige hat gelernt, dass die Stadt Port Elizabeth nicht umsonst den Spitznamen "the friendly windy city" trägt. Es sei tatsächlich sehr windig, aber das Beeindruckende seien die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen. Ebenfalls positiv spricht er über die Gelassenheit der Einheimischen: "Hier wird alles viel langsamer und gelassener angegangen." In Südafrika sei es normal, dass der Strom ab und zu einfach abgestellt werde. Da komme es vor, dass eine Vorlesung kurzerhand abgebrochen oder verschoben werde.

Neben dem Studentenalltag in Südafrika hat Lukas einiges von dem Land gesehen. Mit ein paar Freunden machte er einen Roadtrip in Richtung Kapstadt, den sie allerdings abbrechen mussten. Mit etwas Zeitverzögerung zum Geschehen in Deutschland hatte sich auch in Südafrika das Coronavirus ausgebreitet. Plötzlich befand sich der Nusplinger mitten in den strengsten Auflagen der Welt: "Keiner durfte sein Haus verlassen, es war verboten, sich draußen frei zu bewegen. Das Arbeiten wurde – außer in den systemrelevanten Berufen – komplett eingestellt." Polizei und Militär seien hart vorgegangen. "Südafrika hat relativ früh die Handbremse gezogen. Das war gut und wichtig. Es war aber auch klar, dass irgendwann wieder geöffnet werden muss", sagt der Nusplinger. "Die Zahlen steigen zwar immer noch, trotzdem wurden einige Lockerungen vorgenommen. Es geht um die Existenz der Menschen. Wenn sogar das geringste Einkommen wegfällt, ringen viele mit dem Verhungern. Es gibt keinen Sozialstaat, der einen auffängt", erklärt Lukas. Die Angst der Menschen sei zu spüren, denn die Gefahr des Virus sei den Einheimischen bewusst. Viele Eltern wollten ihre Kinder nicht in die wieder öffnenden Schulen schicken.

Dass es in Deutschland momentan Unzufriedenheit gibt, versteht der 21-Jährige nur teilweise: "Das macht mich nachdenklich. Es schockiert mich, was man von Freunden und aus den Medien aus Deutschland mitbekommt. In Afrika ist der Lockdown deutlich strenger. Außerdem hat Deutschland ein hervorragendes Gesundheitssystem, davon träumen die Menschen hier nur."

Das innere Gefühl hat die Entscheidung getroffen

Zu Beginn der Corona-Krise hatte Lukas die Möglichkeit, mit der Rückholaktion zurück nach Deutschland zu fliegen. "Die Entscheidung, zu bleiben, kam aus einem inneren Gefühl", sagt er. "Es war nicht einfach. Doch ich habe mir gesagt, dass es noch nicht zu Ende ist, dass ich das Auslandssemester durchziehe." Er habe unvergessliche und prägende Erfahrungen gemacht und Kontakte zu den Einheimischen aufgebaut. Dadurch seien enge Freundschaften entstanden. Während des Lockdowns hat er gemeinsam mit einheimischen Bewohnern des Wohnheims afrikanisches Bier gebraut. Außerdem hat er durch einen Freund das Meditieren für sich entdeckt, was ihm geholfen hat, mit der Situation klarzukommen. Auch das Gemeinschaftsgefühl während der Ausnahmesituation sei unvergesslich. "Ich empfehle auf jeden Fall jedem, die Chance eines Auslandssemesters zu nutzen", sagt Lukas. "Das lohnt sich. Ich bin froh, diese Entscheidung getroffen zu haben. Es sind Momente, die ich fürs Leben mitnehme."