Die Größenverhältnisse machen deutlich, was bei der Fußball-WM in Katar im Vordergrund steht. Foto: Eibner

Vorfreude auf die WM? Fehlanzeige! Beim wichtigsten Fußballturnier fehlt es an den wichtigsten Zutaten, meint unser Kommentator in seiner Glosse.

Geht es Ihnen auch so? Sind Sie schon seit Wochen so richtig im WM-Modus? Vorfreude auf das Treffen der besten Fußballer? Feste unter freiem Himmel, Public Viewing im Park, Schwarz-Rot-Gold geschmückte Autos und ungeduldiges Warten, bis endlich der erste Anstoß erfolgt? Normalerweise ja – aber diesmal will und will sich dieses Gefühl nicht einstellen? Woran könnte das bloß liegen? Hm.

Ehe es – ja, auch wenn Sie das nicht glauben wollen – in schon einer Woche losgehen wird in der Wüste, steht am Wochenende noch ein Spieltag der Bundesliga bevor. Davor haben wir die Champions-League-Vorrunde durchgepeitscht, noch eine englische Woche vor die WM geklemmt und Fußball im Dauer-Power-Modus über die Bildschirme laufen lassen. Und dann geht es eben nahtlos mit dem Spielbetrieb weiter – mit täglichem Gekicke in Katar. Nichts Besonderes eben.

In normalen WM-Zeiten schließen die Ligen ihren Spielbetrieb, die Nationalmannschaften treffen sich in Trainingslagern, haben Spaß, formen ihre Teams, spielen sich ein. Die Bilder aus den Camps lassen den Ligen-Alltag und den damit verbundenen Fußball-Overkill bei den Fans schnell verblassen, die Vorfreude steigt angesichts der entspannten Gesichter, der Bilder von tricksenden Stars, und nach ein paar Wochen geht es – endlich! – los.

Nichts davon bleibt bei dieser WM. Hektisches Reinquetschen der Spiele, ein Gastgeber, der nichts von Menschenrechten hält, mit haufenweise Geld um sich schmeißt und ein Gesellschaftsbild aus dem vorletzten Jahrtausend pflegt: Die Fifa hat ihr wichtigstes Produkt verquizzt und sich von einem sehr reichen Staat die Seele des Fußballs abkaufen lassen. Ob sich das nicht rächt?

Nehmen wir mal an, Coca Cola passt der Termin für Weihnachten nicht mehr. Kein Schnee im Dezember – da kann der Konzern seinen blinkenden Weihnachtsschlitten mit dem Coca-Cola-Weihnachtsmann nicht so richtig ins Bild setzen. Also: Schwupps! Kauft der Brause-Riese den Kirchen das Fest eben für ein paar Milliarden ab und verlegt es in den schneesicheren Februar. Weil aber andere wichtige Kirchentage wie Maria Lichtmess oder der Aschermittwoch – auch Ostern will irgendwann gefeiert sein, vielleicht kann da Red Bull einspringen – drängen, werden die Adventssonntage auf eine Woche komprimiert, der Adventskranz schnell abgefackelt, Baum aufbauen, schmücken, abbauen, wegwerfen in Rekordzeit.

Und zur Vorbereitung des Fests der Feste werden schnell Zwangsarbeiter aus aller Welt rekrutiert, die in 24/7-Dauerschichten ohne Pausen, Urlaub und Bezahlung im Akkordtempo Coca-Cola-Weihnachtskrippen für die Weihnachtsmärkte in unseren Innenstädten zusammenklopfen müssen, auf denen natürlich ausschließlich vom Konzern lizenzierte Waren verkauft werden dürfen. Eintritt selbstverständlich nur für Personen, die dem normierten Weltbild des Rechte-Inhabers entsprechen. Schöne Aussichten? Wäre die Fifa die Kirche, wäre das ein durchaus realistisches Szenario.

Ziehen wir also dieses Plastik-Ding in der Wüste schnell durch – uns Fans braucht dabei ja ohnehin niemand. Bezahlt alles Katar. Der wahren Fußballwelt bleibt am Ende nur der Katarrh.