A-H-A in der Schramberger Fußgängerzone reicht nicht mehr: Nun müssen auch die Spielplätze geschlossen werden. Foto: Riesterer

Der Landkreis erlässt eine Allgemeinverfügung für Schramberg. Das hat auch zu Diskussionen im Landtag geführt. Der Hintergrund dafür ist rein rechtlich.

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Schramberg/Rottweil - Aufgrund des Ausbruchsgeschehens, vor allem im Ortsteil Tennenbronn, hat Schrambergs Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr wie berichtet Ende vergangener Woche eine Allgemeinverfügung zur Bekämpfung des Coronavirus erlassen – Hauptbestandteile waren eine erweiterte Maskenpflicht in den Ortskernen und die Begrenzung der Kundenzahl im Einzelhandel.

Nun gab es im Landkreis Rottweil mehr als sieben Tage lang einen Inzidenzwert von über 50. Im Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit der Corona-Verordnung ist geregelt, dass die Zuständigkeit der Ortspolizei, wenn das zutrifft, automatisch in jene der Kreispolizei übergeht. Das ist nun seit Dienstag, 0 Uhr, der Fall. Das bedeutet: Das Landratsamt musste prüfen, an welchen Stellen ab Mittwoch Maßnahmen zu treffen sind. Es "erneuerte" sozusagen die Allgemeinverfügung der Stadt, angereichert um ein, zwei Aspekte – die dann auch gleich für Zündstoff sorgten.

Die Allgemeinverfügung

Die seit Mittwoch gültige "Allgemeinverfügung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens in der Großen Kreisstadt Schramberg" beginnt mit den Bereichen, in denen eine medizinische Maske oder ein Atemschutz, der die FFP2-Anforderungen oder einen vergleichbaren Standard erfüllt, getragen werden müssen. Das sind:n Generell: alle Schulhöfe inklusive Berufsschulzentrum mit Turn- und Festhalle und dazugehörigen Parkplätzen und alle Sportplätze im Stadtgebiet inklusive Badschnass (Hallenbad plus Parkplatz).n Talstadt: Die Schiltachstraße und entlang der B 462 Höhe Aldi/Kaufland/Lidl/Fristo/Schloss und weiter der Paradiesplatz, die Hauptstraße (verkehrsberuhigter Bereich, Fußgängerzone, beide Rathausplätze), die Oberndorfer-, Markt- und Sängerstraße, die Berneckstraße mit Busbahnhof und der Park der Zeiten.n Sulgen: Ortsmitte (Sulgauer-, Schramberger-, Heiligenbronner-, Rottweiler- und Aichhalder Straße), zudem die Garten-, Hardt-, Mariazeller- und Lindenstraße und zuletzt das Wittumgelände und der Postwiesenpark.n Waldmössingen: Ortsmitte (Winzelner-, Vorstadt-, Seedorfer- und Heimbachstraße), Erlebnisbauernhof, der Sportplatz Weiherwasengelände samt Abenteuerspielplatz und zugehörige Parkflächen, das Römerkastell, der Gartenfestplatz und Jupa-Grillplatz sowie die Kastellhalle mit Parkplatz.n Tennenbronn: Die Hauptstraße inklusive Vorplatz Ortsverwaltung und Dorfplatz, der Kurpark an der Grundschule, der Gästetreff Remsbachhof, das Feriendorf, die Festhalle inklusive Parkflächen sowie am Dorfweiher mit angrenzenden Flächen.

Ausnahmen bilden die in der Corona-Verordnung bekannten Fälle wie Kinder unter sechs Jahren, wenn es attestiert aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich ist oder in Arbeits- und Betriebsstätten ohne Publikumsverkehr, in denen ein Abstand von 1,5 Meter zu weiteren Personen sicher eingehalten werden kann.

In den Einzelhandelsbetrieben, deren Betrieb nicht ohnehin untersagt ist, ist die Zahl der Kunden, die sich gleichzeitig im Verkaufsraum aufhalten dürfen, auf einen Kunden pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche beschränkt. Ist die Fläche kleiner, gilt: ein Kunde. Dem schließen sich die Absätze an, die für Diskussionen sorgen: "Die Nutzung von und der Aufenthalt auf öffentlichen Spielplätzen wird untersagt." und "der Betrieb von Sportanlagen für die Ausübung von Amateur- und Freizeitsport wird (größtenteils) untersagt.

Eisenlohrs Antwort

Auf die neue Allgemeinverfügung hin vermeldete Dorothee Eisenlohr am Mittwochmittag: "Die Pressesprecherin das Landkreises hat uns am Dienstagspätnachmittag informiert, dass der Landkreis eine Allgemeinverfügung verkünden werde, die heute in Kraft trete. Auf Nachfrage beim Ordnungsamt haben wir erfahren, welche Punkte sie beinhaltet (nämlich hauptsächlich die Schließung der Spielplätze und Sportanlagen)."

Aktuell habe sie beim Gesundheitsamt leider niemanden erreicht, aber bereits am Freitag vergangener Woche habe man der Verwaltung gesagt, "dass sich in Tennenbronn wohl vor allem die britische Mutation 1.1.7 verbreite, und dass vor allem Kinder unter zehn Jahren neu angesteckt würden". Vor diesem Hintergrund habe Landratsamt schon dort vorgeschlagen, eventuell die Spielplätze zu schließen. "Wir haben bei der Stadt darüber nachgedacht und uns dann entschlossen, sie zunächst mit der städtischen Allgemeinverfügung von vergangener Woche noch offen zu lassen."

Als Gründe nennt Eisenlohr, dass Kinder und Familien in der Corona-Pandemie bereits sehr vielen Belastungen ausgesetzt seien. "Wir wollten ihnen den Spielplatz als Freiraum und Betätigungsfeld nicht auch noch nehmen." Des Weiteren seien in Tennenbronn, wo sich die Infektionszahlen rasant erhöhten, am Freitag bereits alle Grundschul- und Kindergartenkinder getestet worden. Diejenigen von ihnen, die positiv getestet wurden, seien derzeit in Quarantäne.

Doch die Verfügung, so Eisenlohr, wird umgesetzt: "Weil die Inzidenz im Landkreis nun an sieben aufeinanderfolgenden Tagen über 50 lag, ist der Landkreis nach dem Infektionsschutzgesetz zuständig. In seiner Allgemeinverfügung bestimmt er, dass Spielplätze und Sportanlagen zu schließen sind. Wir werden dieser Verfügung nun nachkommen und die betroffenen Gelände im Laufe des heutigen Tages absperren."

Thema im Kreistag

Schramberg ist also in den Fokus der Corona-Pandemie geraten, das war auch Thema in der jüngsten Kreistagssitzung. Dass die Landkreisverwaltung per Verordnung die Spielplätze in der Gesamtstadt gesperrt hat, fällt auf Kritik bei den Kreisräten aus dem Raum Schramberg. Clemens Maurer von der CDU sagt, er findet die Maßnahme überhart. Die meisten Kinder und Jugendliche dürften seit Monaten nicht mehr in die Schule, sie säßen zu Hause herum, "sie haben leider keine Lobby". Das gab er zu Bedenken.

Landrat Wolf-Rüdiger Michel entgegnete, es mache keine Freude, Spielplätze zu schließen. Doch es sei notwendig gewesen. Warum das so sei, begründete Heinz-Joachim Adam, der Leiter des Gesundheitsamts. Demnach sei bei dem Ausbruch vor allem die britische Virusmutante festgestellt worden. Diese gelte als höher ansteckend, auch bei Kindern. Die meisten Neuansteckungen in Schramberg gebe es bei Kindern bis zu zehn Jahren – 30 Fälle habe das Gesundheitsamt notiert, acht weitere betreffe die Gruppe der Elf- bis 19-Jährigen. Die Lebenswirklichkeit auf Spielplätzen sei, dass die Kinder die Abstände nicht einhielten, was noch verständlich sei. "Die Eltern aber auch nicht", so Adam. Daher sei die Schließung notwendig geworden. Als Ansteckungsherde gelten vor allem Schulen und die eigenen vier Wänden, gefolgt von Kindergärten und Spielplätzen, so Adam.

Dennoch, so der Einwand, von ÖDP-Kreisrat Bernd Richter (Schramberg), sei es überzogen, die gesamte Stadt mit der Verordnung zu belegen, wenn doch der Schwerpunkt des Ausbruchs im Stadtteil Tennenbronn liege. Er, so Richter, befürchte einen Spielplatztourismus.

Adam bestätigte, dass die meisten Neuinfektionen Tennenbronn zuzuordnen seien. Darüber hinaus gebe es Fälle in Schramberg, Sulgen und den umliegenden Gemeinden. Adam spricht daher von einem diffusen Infektionsgeschehen.

Kommentar: "Bittere Pille"

Von Fabian Riesterer

Der Wechsel der Zuständigkeit von Schramberg nach Rottweil ist – das wird allerorts betont – ein rechtlicher Automatismus. Dennoch übernimmt der Kreis die bestehende Allgemeinverfügung nicht eins zu eins. Es wird etwas hinzugefügt, was beweist, dass der Blick auf eine Sache aus der Ferne doch oft eine ganze Prise sachlicher ist. Natürlich muss der Kreis das seiner Ansicht nach Nötige tun, um die Ausbreitung des Virus  zu verhindern. Aber mit dem Schließen der Spielplätze müssen die leidgeprüften Kinder und Eltern eine äußerst bittere Pille schlucken. Gerade jetzt, wenn das Wetter schöner wird. Und je weiter wir uns in Schramberg von Tennenbronn weg bewegen, wächst verständlicherweise die Frustration. Was aber nicht hilft ist, den Kopf in den Sand zu stecken  oder gar stadt-interne Schuldzuweisungen. Da muss Schramberg nun gemeinsam durch.