Tobias Wyrzykowski, Mondrianseestück, 2012. Unsere Bildergalerie zeigt mehr Werke, teilweise als Ausschnitt. Foto: Abbildung (Ausschnitt): Galerie Rainer Wehr

In der Gegenwartskunst spielt Landschaft als Thema an sich kaum mehr eine Rolle. Der 25-jährige Nürnberger Maler Tobias Wyrzykowski wagt mit dem Risiko des Scheiterns und verblüffend sicherem Strich eine Annäherung an Tageszeitstimmungen und andere Unmöglichkeiten. In der Stuttgarter Galerie Rainer Wehr stellt Wyrzykowski aus.

Stuttgart - Auf einem kaum angedeuteten Wasser blinkt ein einsames Segel. Hoch am Mast flattert es, unwirklich horizontal, wie sich bei genauerer Betrachtung die Szenerie überhaupt als konsequent durchkonstruiert erweist. Der Blick auf die See und das kleine Boot als Anlass, das Verhältnis von Farben und Formen zu analysieren. „Mondrianseestück“ heißt das Bild von Tobias Wyrzykowski, zu sehen ist es in der Debütausstellung des 25-jährigen Absolventen der Nürnberger Kunstakademie in der Stuttgarter Galerie Rainer Wehr.

„Es wären Orte, wo blaue Blumen wachsen“ ist die Schau mit Leinwandarbeiten des gebürtigen Würzburgers betitelt. Setzt hier einer tatsächlich noch einmal auf die Karte Romantik – und damit zeithistorisch gesehen auf eine bedeutende Phase der Landschaftsmalerei? Und wie passt dazu ein „Mondrianseestück“, das unverhohlen mit den Grundkonstanten des De-Stijl-Vordenkers spielt, der einst Landschaft mehr und mehr geometrische Farbform werden ließ?

Tobias Wyrzykowski geht in seiner Konzentration auf die Landschaft als Thema seiner Bildwelt ein hohes Risiko ein – nichts gibt es ja in diesem Bereich, das es nicht gibt. Folgerichtig kokettiert Wyrzykowski nicht nur mit kunsthistorischen Bezügen, sondern auch mit der Art und Weise, wie man sich bisher schon dem ständig wachsenden Kanon nähert – bis hin zum Verfahren, ein „Seestück“ als Malen nach Zahlen erarbeiten zu lassen.

Eigenwillige Souveränität

Mitunter scheint Tobias Wyrzykowski denn auch zu straucheln, das Spiel mit einer Malerei zu übertreiben, die zugleich Kunstgeschichte plündert, sich als Kunst über Kunst-Szenario zeigt und doch so zögernd wie präzise eigene Sichtweisen begründet,

Wyrzykowski aber fällt nicht. Das irritiert, macht neugierig. Auch, weil die Bilder unabhängig von ihrem Format von einer eigenwilligen Souveränität bestimmt sind. Trotzig-rotzig fast manche Horizontale. Mit falscher Lässigkeit, wie man sagen möchte – und doch ist das Auge schon weiter, summiert, macht aus dem unzusammenhängenden Geflecht ein Ganzes.

Tobias Wyrzykowski entlarvt uns als Hoffende. Nur zu gerne sind wir ja bereit, Natur, die nur mehr als gestaltete Landschaft existiert, Ursprünglichkeit zu unterstellen. Wohl auch deshalb setzt der Maler vor allem auf die Klassiker der Sehnsuchtsblicke – Berge (zuletzt von den deutschen Expressionisten buchstäblich überhöht), Küsten (trefflich die Linie von der Romantik über den Impressionismus bis hin zur Farbfeldmalerei der 1960er Jahre zitierend) und Felder (gerade im deutschen Südwesten ein beständiges Thema in Malerei und Zeichnung). Wyrzykowski zeigt sich dabei überraschend unabhängig vom Leinwandformat. So präsentiert er bei Wehr seinen „See, etwas über den Horizont hinaus“ (800 Euro) auf gerade 40 mal 50 Zentimetern mit der gleichen Gestik aufdringlich unaufdringlicher Strich-Setzung wie in seinem 120 mal 160 Zentimeter messenden „Nachmittag“ oder dem ebenso großen „Mondrianseestück“ (jeweils 2900 Euro).

Landschaft über Landschaft, Malerei über Malerei, Kunst über Kunst

Möchte man Tobias Wyrzykowski auch weiterhin Mut zur Leere machen, so überrascht er in dem Hochformat „Klippen und grüner Himmel“ (2900 Euro) doch mit malerischer Verdichtung. Grün, Gelb und Rot durchdringen sich im Mittelbereich in durchaus lustvoller Anspielung auf Kernpositionen der deutschen Malerei der späten 1980er und frühen 1990er Jahre. Landschaft, die gute, die alte, ist bei Wyrzykowski immer Landschaft über Landschaft, Malerei über Malerei, Kunst über Kunst.

Eine eigene Kühnheit bestimmt jedoch all dieses, und so versteht man sehr wohl, weshalb Rainer Wehr dem 25-Jährigen aktuell eine Galerie-Einzelausstellung und künftig mehr zutraut. Ein Mehr, das sich jedoch nur einlösen wird, wenn der unter anderem durch die Sammlung des Rotary-Clubs Nürnberg-Sigena geförderte Wyrzykowski bereit sein wird, sich auszusetzen, zu reiben, seine Bildwelt weiter zu straffen, die Farbform-Setzungen zu radikalisieren. Wyrzykowskis Versuche mit ins Plastische zielender Malerei auf Plexiglas sind dabei wenig hilfreich.

Umso schöner, dass ein in der Galerie Rainer Wehr auf eine große Wand platziertes Kleinformat – „Lavasee“ (500 Euro) – das ganze Risiko der Malerei von Tobias Wyrzykowski in sich birgt. Dem Maler zu wünschende Sammler-Wegbegleiter können im besten Sinn klein anfangen.