Will parteipolitisches Gezänk verhindern: NSU-Chefaufklärer Wolfgang Drexler. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Umtriebe des rechtsterroristischen NSU werfen noch viele Fragen auf – auch im Südwesten. Kann der Untersuchungsausschuss im Landtag mehr Licht in die große Dunkelheit bringen? Chefaufklärer Drexler im Interview.

Herr Drexler, wissen Sie noch, wo Sie am 25. April 2007 gewesen sind?
Von dem Mord in Heilbronn habe ich im Landtag erfahren. Ich weiß gar nicht mehr, was genau ich gerade gemacht habe. Die Nachricht von dem Anschlag auf die Polizistin und ihren Kollegen hat mich schockiert. Dass in Baden-Württemberg zwei Polizisten niedergeschossen worden sind, das war für mich ein Einschnitt.
Auch nach sieben Jahren ist der Heilbronner Mord der mysteriöseste der zehn Morde, die dem Nationalsozialistischen Untergrund ( NSU) zur Last gelegt werden . . .
Ich kann mir nicht erklären, warum das so ist. In der Sache haben ja inzwischen viele Menschen recherchiert: Polizisten, Journalisten, zwei Untersuchungsausschüsse. Viele von diesen Leuten zweifeln daran, dass die beiden Polizeibeamten zufällig Opfer des Anschlags wurden. Eine Aufgabe des Untersuchungsausschusses wird es sein, zu prüfen, ob diese Recherchen die bisherigen Ermittlungen erschüttern oder nicht. Aber in der Tat: Das ist der rätselhafteste Mord dieser ganzen Serie.
Rätselhafter noch als der mutmaßliche Selbstmord des Neonazi-Aussteigers Florian Heilig, der an seinem Todestag zum Mord von Heilbronn aussagen wollte?
Es gibt eine ganze Reihe Vorgänge und Dinge in dieser Mordserie, die eigentlich nicht zu erklären sind. Da werden wir ganz genau hinschauen müssen.
Baden-Württembergs Parlament hat lange gebraucht, um sich in einem Untersuchungsausschuss mit den mutmaßlichen NSU-Morden auseinanderzusetzen. Es brauchte Manipulationsversuche der Grünen, um überhaupt zu einem Untersuchungsausschuss zu kommen.
Vorneweg haben wir Abgeordnete uns gedacht, dass bereits zahlreiche Untersuchungsausschüsse wie im Bund, in Thüringen und Bayern gab. Bei uns hat sich das Innenministerium mit dem Thema intensiv befasst. Da waren unsere Sicherheits- und Innenpolitiker der Meinung, wir sollten nach vorne denken: Was war und ist in der Sicherheitsarchitektur Baden-Württembergs falsch, was müssen wir anders machen. Das war Aufgabe der Enquete-Kommission . .  .
. . . die ja fürchterlich gescheitert ist . . .
. . . ja, die ist gehörig versemmelt worden. Da ist viel Vertrauen verloren gegangen, das habe ich auch in vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern gespiegelt bekommen. Das war der Grund, warum wir Parlamentarier uns gesagt haben, unser Landtag muss einen anderen Umgang mit den Opfern und Hinterbliebenen der Mordserie, mit dem Thema insgesamt finden. Ich glaube, dass keine Fraktion, keine Partei aus dieser Geschichte einen Vorteil bei den Wahlen im kommenden Jahr ziehen kann und will. Wir können alle nur gewinnen, wenn die Betroffenen und die Bürger jetzt den Eindruck gewinnen, die Abgeordneten strengen sich an. Die unternehmen alles Menschenmögliche, um aufzuklären.
Was verstehen Sie darunter?
Auf keinen Fall kleinkarierte Streitereien um Nebensächlichkeiten. Was wir machen müssen, ist die Öffentlichkeit transparent in unsere Arbeit einbinden. Wenn uns das gelingt, dann können wir das Vertrauen zurückgewinnen, das da verloren gegangen ist. Dass wir deutlich machen: Das Parlament steht zusammen, wenn es darum geht, rechtsradikale Umtriebe schonungslos aufzuklären.
Dafür haben Sie sich einen ambitionierten Zeitplan gegeben . . .
Sie haben vollkommen recht. Am 31. Oktober sollen wir – so die derzeitige Planung – mit der Untersuchungsarbeit fertig sein. Spätestens am 16. Februar 2016 müssen wir unseren Bericht abgeben. Da ist ein strammes Programm, das wir da haben.
Was passiert, wenn Sie das nicht schaffen? Nicht in dieser Legislaturperiode schaffen?
Also erst einmal hoffe ich, dass wir am Ende einen Bericht vorlegen, der von allen Mitgliedern des Ausschusses einhellig getragen wird. Aber auch das ist für mich klar: Sollten wir in Zeitnot geraten, dann müssen wir notfalls auch in den Pausen des Parlaments ran. Oder später weitermachen …
. . . also in der nächsten Legislaturperiode?
Das kann und darf nur das Parlament entscheiden. Wer mich kennt, der weiß, dass ich dafür stehe, Dinge gründlich und gewissenhaft zu machen und auf keinen Fall etwas unter den Teppich zu kehren. Wir brauchen eben die Zeit, die wir brauchen. Schon deshalb, weil uns das Parlament ja auch den Auftrag gegeben hat, über die künftige Sicherheitsarchitektur Baden-Württembergs nachzudenken. Ich für meinen Teil werde alles dafür tun, dass das Thema auch im Wahlkampf so sachlich wie nur irgend möglich von allen Parteien diskutiert wird.
Sie haben ja Kontakt mit dem überlebenden Polizisten Martin Arnold sowie der Familie Michèle Kiesewetters aufgenommen. Sie wollen sich mit dem Opfer und den Hinterbliebenen des Heilbronner Anschlags treffen. Was macht das mit Ihnen?
Das werden sehr bewegende Momente sein. Der überlebende Polizist hat darum gebeten, nicht besucht zu werden. Die Familie der Polizistin wird zu uns nach Stuttgart kommen und dann entscheiden, ob es nur zu einem Zusammentreffen mit den Ausschussmitgliedern oder auch zu einem Besuch einer Sitzung des Untersuchungsausschusses kommt. Mir ist wichtig, dass es ein Zusammentreffen wird, in dem wir mit der Trauer der Familie angemessen umgehen und unserem Respekt vor den Opfern in würdiger Weise Ausdruck verleihen.