Beate Zschäpe hat vor Gericht ihre Ausage verlesen lassen Foto: Getty Images Europe

Mehr als eineinhalb Stunden dauert die Verlesung der Aussage der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess. Dies sind die wesentlichen Inhalte, die Zschäpes Anwalt Mathias Grasel präsentierte.

 München - Beate Zschäpe über ...

... ihr Motiv: Zunächst sei das NSU-Trio unpolitisch gewesen. Die ersten Morde seien ohne politisches Motiv erfolgt: Weder Uwe Böhnhardt noch Uwe Mundlos hätten berichtet, dass „ Enver Simsek (am 9. September 2000 in Nürnberg ermordet, die Redaktion) deshalb sterben musste, weil er Ausländer war.“ Bis heute wisse Zschäpe nicht „was die wahren Motive der beiden“ waren. Gedanken, sich öffentlich zu den Taten zu bekennen, sich damit zu brüsten „oder damit öffentlich zu politisieren“ seien nicht mit einem Wort erwähnt worden. Erst nach 2004 hätten die beiden ihr Tun damit begründet, die „türkische Bevölkerung (...) in Angst und Schrecken versetzen zu wollen.“

 ... die Taten: Zschäpe gibt zu, von allen Morden, die mutmasslich der NSU begangen hat, gewusst zu haben. Allerdings habe sie erst im Nachhinein von den Bluttaten erfahren. So will sie erst Mitte Dezember 2000 erfahren haben, dass Böhnhardt und Mundlos im September zuvor in Nürnberg den Blumenhändler Enver Simsek erschossen hätten. Mundlos habe ihr erklärt, das Leben sei „eh verkackt“ und dass er es zum „knallenden Abschluss“ bringen wolle. An der Vorbereitung und Durchführung der Morde sei sie nicht beteiligt gewesen.

Im Gegenteil: Sie sei über die Bluttaten entsetzt gewesen, habe dagegen protestiert und Böhnhardt und Mundlos das Versprechen abgenommen, dass diese nie wieder geschehen würde. 2006 sei Zschäpe nach dem Mord an Halit Yozgat in Kassel fassungslos und entsetzt gewesen: „Ich war unglaublich enttäuscht darüber, dass sie erneut gemordet haben. Auch hatten sie mich erneut hintergangen. Ich konnte die weiteren Dinge nur noch geschehen lassen.“ Sie habe „den ganzen Tag Computer gespielt und zunehmend Sekt getrunken“.

Etwa drei bis vier Flaschen pro Tag bis sie angetrunken sei. Sie habe begonnen ihre Katzen zu vernachlässigen. „Meine Gefühle kann ich im Ganzen nur so beschreiben, dass ich mich einerseits von den Taten abgestoßen fühlte, mich nach wie vor zu Uwe Böhnhardt hingezogen fühlte, keine Chance für mich auf eine Rückkehr in das bürgerliche Leben sah und mich deshalb meinem Schicksal ergab, mit diesen beiden Männern weiter zu leben, trotz ihrer furchtbaren Taten. Ich musste für mich feststellen: Die beiden brauchten mich nicht, ich brauchte sie. (...)“, sagte Zschäpe.

... den Heilbronner Polizisten-Mord: Böhnhardt und Mundlos hätten sie nicht darüber informiert, dass sie überhaupt ihre damaligen Unterschlupf in Zwickau verlassen und nach Heilbronn fahren wollten. Die beiden Männer hätten ihr gegenüber gestanden, sie hätten auf die Polizisten Michèle Kiesewetter und Martin Arnold geschossen, um deren Pistolen zu erbeuten. Denn „sie seien mit ihrem bisherigen Pistolen wegen häufiger Ladehemmungen unzufrieden gewesen. Am nächsten Tag, als ich meine Gedanken wieder sortieren konnte, hielt ich ihnen vor: ‚Warum habt ihr die Waffen nicht in einem Waffengeschäft geraubt?‘ Als Antwort erhielt ich nur Ausflüchte.“ Ihr sei dann bewusst geworden, dass sie mit zwei Menschen zusammen gelebt habe, die „einerseits im täglichen Leben zuvorkommend, tierlieb, hilfsbereit und liebevoll waren und andererseits mit unvorstellbarer Gefühlskälte Menschen getötet haben.“

... den Versuch einer Entschuldigung: Zschäpe ließ erklären, dass sie sich „moralisch schuldig“ fühle, dass sie die „zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte“. Sie fühle sich schuldig, bei „fünfzehn Raubüberfällen die betroffenen Personen körperlichen und seelischen Schaden davon getragen haben“, damit sie selbst finanziell gesichert leben könne. „Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer der von Uwe Mundlos und Uew Böhnhardt begangenen Straftaten.“

... einen Ausstieg: Mehrfach habe sich Beate Zschäpe mit dem Gedanken getragen, sich der Polizei zu stellen. Diesen Gedanken jedoch hätten Böhnhardt und Mundlos mit dem Argument zunichte gemacht, dass diese sich selbst das Leben nehmen zu wollen. Ein Leben der beiden Männern im Untergrund sei dann nicht mehr vorstellbar gewesen, weil Zschäpe schlicht zu viel wusste. Ihre Gefühle zu Uwe Böhnhardt hätten sie vom Ausstieg abgehalten. Die beiden Uwes seinen außer ihrer Großmutter die einzigen Menschen gewesen, die sie lieben würden. Anfang der 2000er Jahre habe sie einen Anwalt aus der rechtsextremistischen Szene kontaktiert. Dieser habe ihr bei dem Ausstieg helfen sollen. Böhnhardt und Mundlos jedoch hätten über den Anwalt lediglich ihre Flucht nach Südafrika organisieren wollen. Dies habe sich dann im Laufe der folgenden Monat aber zerschlagen.

... Kindheit und Jugend: Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Sie sagte aus: „Mein Vater, der wohl Rumäne war und ‚Botanic‘ hieß – wobei ich die Schreibweise den Ermittlungsakten entnommen habe – habe ich nie kennengelernt.“ Die Neonazin habe die Hauptschule besucht und eine Ausbildung zur Gärtnerin abgeschlossen. Ihre Jugendzeit sei von den Alkoholproblemen ihrer Mutter und Geldsorgen geprägt gewesen: „Ich erhielt von meiner Mutter so gut wie kein Geld, was dazu führte, dass ich mich (...) an kleineren Diebstählen beteiligte“. Kurz nach der Wende habe sie Mundlos kennengelernt und sei mit ihm zusammen gewesen. Die beiden hätten „nationalistische Lieder“ gehört und auch „mitgegrölt“. Bei ihrem 19. Geburtstag habe sie Böhnhardt kennengelernt und sich in ihn verliebt.

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