"Diddl-Maus" wurde Beate Zschäpe von ihren Zwickauer Nachbarn liebevoll genannt Foto: dpa

Vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG) zeichnet der selbstständige Bauarbeiter ein intimes Bild der mutmaßlichen Rechtsterroristin, mit der er mehr als drei Jahre Tür an Tür wohnte.

München - Für die Kerle in der Zwickauer Frühlingsstraße war sie die "Diddl-Maus" - weil das Vieh mit den großen Ohren und den viel zu großen Füßen auch "so hübsch anzusehen ist". Und außerdem sei die Frau, die sich der biertrinkenden Feierabendrunde als Susanne Dienelt vorstellte, " 'ne Maus".

Bei so vielen Komplimenten grinst Beate Zschäpe, dass sich die Konturen des Bonbons in ihrer linken Wange abzeichnen. Das hat sie sich vor Sekunden verstohlen wie ein Teenager in den Mund gesteckt. Olaf B. scheint das Grinsen Zschäpes noch anzuspornen: "Geehrt hat sie sich gefühlt", wenn er und seine Kumpane die Frau "Diddl-Maus" nannten, der die Staatsanwälte vorwerfen, zehn Menschen ermordet zu haben. Für den Zeugen und langjährigen Nachbarn Olaf B. war sie eine "liebe, gute Nachbarin".

Vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG) zeichnet der selbstständige Bauarbeiter ein recht intimes Bild der mutmaßlichen Rechtsterroristin, mit der er mehr als drei Jahre lang Tür an Tür wohnte. Zum Einstand habe Zschäpe ihm und seinen Trinkkameraden eine Familienpizza in den Garten hinter dem Haus gebracht, als die Runde während der Fußballeuropameisterschaft einen Fernseher hinters Haus gestellt hatte. Wenig später habe sie der Männerrunde dann das komplizierte Verhältnis erklärt, dass im Sommer 2008 in die beiden Wohnungen in der Frühlingsstraße 26, erster Stock, gezogen war: "Das waren Frau Dienelt, ihr Freund und dessen Bruder", plaudert der Zeuge. Zschäpes Männer habe er allerdings nie richtig kennengelernt. Manchmal ein "Glück auf!" und einen "Guten Weg!" Sportliche Radfahrer seien es gewesen. Mit Mountainbikes, die "bestimmt schon etwas besser waren". Mehr habe er aber von dem vermeintlichen Bruderpaar nicht mitbekommen.

Gute Nachbarschaft - aber "anbaggern war nicht"

Zumal die jungen Männer "viel unterwegs waren". Zumindest hatte das die "Diddl-Maus" so erzählt. Ihre Jungs würden Fahrzeuge für einen Autovermieter überführen und seien deshalb viel unterwegs. Plausibel war das dem Nachbarn B. erschienen, "alles glaubwürdig". Bei der Polizei gab später einmal zu Protokoll, er habe den Eindruck gehabt, dass die "Angeklagte zu 70 Prozent allein" in ihrer Zwickauer Wohnung war.

Erklärt waren damit auch die unterschiedlichen Autos, die auf dem Parkplatz der "Dienelts" abgestellt waren: Oft seien esWohnmobile und T 5-VW-Busse gewesen. Abends geparkt, morgens, wenn B. gegen halb sieben zur Arbeit fuhr, waren sie schon wieder weg, "das ging ganz flott".

Flott entwickelte sich auch die "gute Nachbarschaft" zwischen Zschäpe-Dienelt und ihren männlichen Nachbarn. Immer wieder sei sie abends zu der bierseligen Ründe gestoßen, auf ein Glas Schaumwein, einen Sekt oder Prosecco, manchmal einen Wein - "weil doch Frauen nur selten Bier mögen". Die Angeklagte zwinkert dem "glücklich geschiedenen" Zeugen mit beiden Augen zu.

Der berichtet über die "belanglosen Gespräche" bei den feuchtfröhlichen Treffen, bei dem die "Diddl-Maus" auch schon mal anderthalb Flaschen Wein süffelte und dann "betrunken nach oben gegangen" sei. Ausgenutzt hätten das aber weder er noch seine Trinkbrüder: "anbaggern war nicht", eben eine "gute Nachbarschaft, wie das im Osten so ist".

Knoblauch und Fritten - darüber konnte man sich aufregen

Eine Nachbarschaft, in der nicht über Politik gesprochen wurde. Zumal die für Olaf B. sowieso etwas ist "wie es ist", an der er nichts ändern kann. Nur der Tratsch vom Bäcker sei weitergetragen worden. Nie sei über andere geredet worden, weil "man so etwas nicht tut". Dafür aber über den Campingurlaub der "Dienelt" und ihrer beiden Kerle an der Ostsee auf der Insel Fehmarn. Und über den Griechen haben sie genölt, der im Erdgeschoss unter der Wohnung von Zschäpe und Co. Gyros und Zaziki in seiner Taverne servierte. Und der sich den Groll der sich bieder gebenden Nachbarin und ihren Stammtischbrüder zuzog, weil es ständig nach Knoblauch und Fritten gestunken habe. "Na dann Glück auf!", wettert Olaf B. heute noch.

Blumenkästen hätte die "Susanne" schon kurze Zeit nach dem Einzug im Juli 2008 auf die Fensterbänke gestellt. Dass sich darin Überwachungskameras befanden, will Olaf B. nicht bemerkt haben. Dafür aber das Getrampel der beiden Kinder im hölzernen Treppenhaus. Meistens am Donnerstag seien die zu Besuch zu "Dienelt" gekommen. Jungs, der eine vielleicht fünf, der andere sieben. Angeblich die Neffen, die mit "Susannes Schwester" und ihrem Schwager in die Frühlingsstraße kamen.

Tätowiert sei die vermeintliche Schwester gewesen - und schon deshalb "nicht sein Typ". Und dann auch das noch: Schmale Schultern, breite Hüften - "wie ein Kegel eben" lästert Zeuge Olaf B. Dem Angeklagten André E. fällt fast das Handy aus der Hand, mit dem er unentwegt während der Gerichtsverhandlungen Kurzmitteilungen verschickt: Immerhin spricht Zschäpes Nachbarn gerade von seiner Frau Susann, gegen die der Generalbundesanwalt gesondert ermittelt. Den mutmaßlichen NSU-Unterstützer Andre E. allerdings will der Zeuge im Gerichtssaal nicht erkennen. Vielleicht, weil der Mann heute einen Vollbart trägt, den Olaf B. der Polizei bei seinen Vernehmungen als "klein und untersetzt" beschrieb, dessen Tätowierungen er auf Fotos der Fahnder wieder erkannte. Mitgetrunken hätten Schwester und Schwager ohnehin nie hintern Haus oder im Keller.

Gemütlich mit Hitler auf dem Fernnseher

In dem dürfte sich Beate Zschäpe wohl gefühlt haben. Denn in seinen "vier Wänden" hatte Olaf B. auf seinem Fernseher ein Bild Adolf Hitlers gestellt. Ein Andenken an den zwischenzeitlich verstorbenen Nachbarn "Krause Thomas", beim der Führer schon über dem Bildschirm thronte. Keiner habe an dem Bild Anstoß genommen - weder beim "Krause Thomas" noch beim Olaf B.. Und bei ihm habe schließlich jeder gewusst, dass er die Wohnung seines alleinstehenden Kumpels entrümpelt habe und sich das Bild zum Andenken an den Saufkumpanen "unter den Nagel gerissen habe".

Mit Politik aber will Olaf B. trotz Hitlerportrait nichts am Hut haben. Daran ändert auch der Jutesack mit dem Hakenkreuz nichts, den Polizeibeamte in seiner Wohnung aufgehängt fanden. Das sei nur ein Fundstück gewesen. Aus einer anderen Wohnung, die er entrümpeln musste; "zu schade zum wegwerfen". Zumal Sack samt aufgedrucktem Hakenkreuz in einer Plastikfolie eingewickelt gewesen seien. Und damit "sicher nicht aus der Zeit stammten". Und überhaupt: Mit einer politischen Einstellung habe das "nichts, aber auch gar nichts zu tun".

Auch nicht der alte Bundeswehr Kübelwagen, den der bierfeste Zeuge mit "Eisernen Kreuzen" verziert hat. Das sei schließlich das Symbol der Bundesrepublik Deutschland und "auf dem Flieger der Bundeskanzlerin ist das auch hinten drauf". Bei der Bundeswehr aber eben nur auf Panzern und Fliegern - und auch dann in der neuen Version, mit der definitiv keine Wehrmachtspanzer durch Russland, Afrika und Frankreich rollten.

Den Hitler hat Olaf B. in seine neue Wohnung mitgenommen. Das wahrscheinlich von Zschäpe in Brand gesetzte Haus in der Frühlingsstraße wurde abgerissen. "Da ist der Gute, also äh, dat jute Bild mitgezogen", erzählt der B. Olaf. Der Führer thront heute wieder bei den launigen Feierabendrunden auf dem Fernseher. Zum ehrenden Gedenken an den Trinkbruder Krause Thomas. Und nur deshalb.