Im NSU-Ausschuss hat sich der Eindruck kritikwürdiger Polizeiarbeit im Fall des toten Neonazis Florian H. verfestigt. Foto: dpa

Ein ehemaliger Neonazi stirbt an dem Tag, an dem er bei der Polizei aussagen sollte. Die ermittelnden Beamten sehen den brisanten Hintergrund nicht. Erklärungsversuche im NSU-Untersuchungsausschuss.

Stuttgart - Im NSU-Untersuchungsausschuss verfestigt sich der Eindruck kritikwürdiger Polizeiarbeit im Fall des toten Neonazis Florian H.. Das Landtagsgremium befragte am Montag drei Polizisten, die zwar in die Ermittlungen eingebunden waren, aber den brisanten Hintergrund des Todes von Florian H. nicht mitbekommen haben wollen oder nicht erkannten.

Ein ursprünglich geladener vierter Beamter erschien nicht vor dem Ausschuss. Der Polizist verweigert nach Angaben von Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) die Aussage, weil gegen ihn bereits ein Disziplinarverfahren in der Sache laufe. Florian H., der aus der rechten Szene ausgestiegen war und die Mörder der Polizistin Michèle Kiesewetter gekannt haben soll, war im Herbst 2013 in einem brennenden Wagen in Stuttgart gestorben. Die Polizei geht davon aus, dass er sich selbst tötete. Die Familie bezweifelt das aber. Sie wirft den Ermittlern schlampige Arbeit vor, da sie etwa einige Gegenstände in dem ausgebrannten Wagen übersehen hätten.

Eine Kriminalhauptkommissarin sagte am Montag im Ausschuss, sie habe in dem Fahrzeug nur oberflächlich nach Schlüssel und Geldbörse gesucht. Sie habe mit Rücksicht auf die noch anstehende Untersuchung durch Brandspezialisten möglichst wenig in dem Auto verändern wollen. Eigentlich sei sie aber nur zufällig vor Ort und nicht für die Spurensicherung zuständig gewesen. „Ich hatte keine Aufgabe, außer, nach Schlüssel und Geldbeutel zu schauen.“

Ein Beamter des Landeskriminalamtes, der den Wagen als Chemiker untersucht hatte, erklärte, seine Aufgabe habe in der Feststellung der Brandursache bestanden. Er habe die ermittelnden Kollegen auf diverse Gegenstände im Auto hingewiesen, darunter auch eine Machete, die die Familie von Florian H. später noch in dem Wagen gefunden hat. Er sei aber Sachverständiger und dürfe nicht selbst ermitteln.

Zuvor sagte ein Fahrlehrer vor dem Ausschuss aus, er habe am Morgen des 16. September 2013 vor dem Brand eine rauchende Person an dem Auto gesehen. Ob es sich um Florian H. oder einen zweiten Mann handelte, konnte er aber nicht mehr definitiv sagen. „Das ist einfach zu lange her.“ Seine Aussage vor dem Ausschuss unterscheidet sich von der, die er im September 2013 bei der Polizei gemacht haben soll. Damals hatte der Fahrlehrer angegeben, keine Insassen bemerkt zu haben. Die Polizistin, die den Fahrlehrer befragte, bekräftigte am Montag, der Mann habe damals keine weiteren sachdienlichen Angaben gemacht. Daher habe sie auch seinen Namen nicht mit in den Vermerk einzutragen. „Im Nachhinein war das ein Fehler“, räumte sie ein.

Polizei sieht in Heibronn keine feste rechte Szene

Mit Spannung wurde der für Montagnachmittag angekündigte Auftritt einer früheren Freundin von Florian H. mit Decknamen „Bandini“ erwartet. Sie wird allerdings in nicht-öffentlicher Sitzung befragt. Ausschusschef Drexler begründete dies damit, dass die Frau einen sehr eingeschüchterten Eindruck mache. Sie sei aber nicht bedroht worden, betonte er. Eine andere Ex-Freundin von Florian H., die bereits im Ausschuss befragt worden war, war kürzlich überraschend gestorben - nach dem vorläufigen Obduktionsergebnis an einer Lungenembolie.

Unterdessen sieht die Polizei in Heilbronn keine feste rechte Szene. Ein Beamter des Staatsschutzes sagte, es gebe zwar Personen, die dem „rechtspopulistischen“ Spektrum zuzurechnen seien. Aber die seien nicht so vernetzt, dass sie sich regelmäßig zu festen Zeitpunkten träfen. Florian H. hatte vor seinem Tod angegeben, an einem Treffen 2010 nahe Heilbronn teilgenommen zu haben, bei dem der NSU und eine „Neoschutzstaffel“ (NSS) vorgestellt worden seien. Der Beamte sagte dazu: „Wir haben keine Erkenntnisse, dass es so etwas gibt.“

Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden neun Morde an Migranten und die Ermordung Kiesewetters 2007 in Heilbronn vorgeworfen. Der Ausschuss arbeitet die Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg und mögliches Behördenversagen auf.