Dem NSU-Ausschuss sind weitere Schlampereien der Polizei im Fall Florian H. bekannt geworden. Foto: dpa

Laut Ausschusschef Wolfgang Drexler habe die Polizei weder die Staatsanwaltschaft noch den NSU-Untersuchungsausschuss über weitere neun Zeugen im Todesfall Florian H. informiert.

Stuttgart - Bei den Ermittlungen zum toten ehemaligen Neonazi Florian H. hat es weitere Schlampereien der Polizei gegeben. Im Zusammenhang mit dem Feuertod des jungen Mannes existierten neun Zeugen, über die die Polizei weder die Staatsanwaltschaft noch den NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags informiert habe, sagte Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) am Montag in Stuttgart. Ob das Gremium sie allesamt noch selbst befragen wird, war zunächst offen. Florian H. war im September 2013 in einem Wagen am Stuttgarter Wasen verbrannt.

Keine Anzeichen für Fremdzündungsmechanismus

Im Zuge des NSU-Ausschusses waren wegen vieler Ungereimtheiten die Ermittlungen zu Florian H. wieder aufgenommen worden. Dabei kamen auch die neun Zeugen zutage. Zudem verhärtete sich die Annahme, dass Florian sich selbst getötet hat und nicht ermordet wurde. Es gebe keine Anzeichen für einen Fremdzündungsmechanismus in dem Wagen, gab Drexler das Untersuchungsergebnis eines Brandsachverständigen wieder. Der NSU-Ausschuss im Landtag soll die Verbindungen der Terrorzelle in den Südwesten und mögliches Behördenversagen genauer betrachten.

Florian H. hatte erklärt, er kenne die Mörder der Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007 in Heilbronn getötet wurde - mutmaßlich vom rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU).

Wagen kurz vorher noch bewegt

Drexler sagte, ein Zeuge habe erklärt, dass der Wagen von Florian H. kurz vor dem Brand noch bewegt worden sei. Das sei neu. Zudem sei bei den neuen Untersuchungen des ausgebrannten Autos eine Mikro-Datenkarte gefunden worden, die wegen des Feuers mit dem Armaturenbrett verschmolzen gewesen sei. Sie enthalte Chatprotokolle von Florian bis zum 13. August 2013 - also bis etwa einen Monat vor seinem Tod. Die Protokolle umfassen nach Angaben Drexlers ausgedruckt rund 2000 Seiten, die sich derzeit noch in der Auswertung befinden.

Wegen der Pannen bei den Ermittlungen wurden im Frühjahr gegen drei Beamte Disziplinarverfahren eingeleitet. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte am Montag, die Verfahren liefen noch. Zu Zwischenständen wollte sich der Sprecher nicht äußern.

Florians Familie hatte in dem verbrannten Wagen vor der Verschrottung nach eigenen Angaben einige Gegenstände gefunden, für die sich die Polizei offenkundig nicht interessiert hatte. Darunter waren eine Schreckschusswaffe, eine Machete, ein Feuerzeug und ein Schlüsselbund. Dies legte den Schluss nahe, dass die Polizei den Wagen nur unzureichend oder gar nicht untersucht hatte.

U-Ausschuss fehlen immernoch Beweisstücke

Unterdessen versucht der NSU-Ausschuss weiter, vier Beweisstücke im Fall Florian H. zu bekommen. Es handelt sich um einen Camcorder und einen Laptop, die sich derzeit im Besitz von Florians Familie befinden und um ein Handy und eine externe Festplatte, die verschwunden sind. Florians Familie hatte die Gegenstände an den Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke gegeben, der aber bei seiner Befragung am Freitag keine Angaben zum Verbleib machte. Nun soll die Staatsanwaltschaft versuchen, sie ausfindig zu machen.

Quer durch die Fraktionen macht sich Unmut über Funke breit, den die Familie von Florian H. als Vertrauensperson eingeschaltet hatte. „Ich habe das Gefühl, dass er in dem ganzen Verfahren eine sehr seltsame Rolle spielt“, sagte CDU-Obmann Matthias Pröfrock. Grünen-Obfrau Petra Häffner warf Funke vor, kein Aufklärungsinteresse zu haben, sondern eine mediale Kampagne für sein jüngstes Buch zu fahren.