Der NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg. Foto: dpa

Nach dem Auffliegen des NSU sollen die Geheimdienste einer medialen „Hexenjagd“ ausgesetzt worden sein. Dies beklagt nun ein Verfassungsschutzmitarbeiter am Montag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags.

Stuttgart - Die angebliche Anwesenheit von Geheimdiensten am Todestag der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn bleibt nebulös. Der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag ging solchen Hinweisen am Montag in Stuttgart nach, ohne aber einen wesentlichen Erkenntnisgewinn zu bekommen. Ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz erboste sich über eine angebliche mediale „Hexenjagd“ auf die Geheimdienste nach dem Auffliegen des rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU).

Zwar hätten die Geheimdienste beim NSU sicher Fehler gemacht. Artikel wie der des Magazins „Stern“ von Ende 2011 seien nach seinem Eindruck aber „erfunden und erlogen“, um Auflage zu machen, sagte der Mitarbeiter. In dem „Stern“-Artikel war davon die Rede gewesen, dass sowohl deutsche als auch amerikanische Geheimdienstmitarbeiter am Tag der Ermordung Kiesewetters, dem 25. April 2007, in Heilbronn gewesen sein sollen. Angeblich ging es um einen Einsatz gegen Islamisten.

Der 39 Jahre alte Verfassungsschutzmitarbeiter räumte ein, am 25. April nach Heilbronn gefahren zu sein, um dort eine Vertrauensperson (V-Person) im Bereich Islamismus anzuwerben. Er habe sich aber erst gegen 15.00 Uhr auf den Weg gemacht und dann im Radio von der Ermordung einer Polizistin in Heilbronn erfahren. Zu dem geplanten Treffen mit der Zielperson sei es nicht gekommen, weil das Verkehrschaos in Heilbronn zu groß gewesen sei. Er habe sich dann unverrichteter Dinge wieder auf den Rückweg nach Stuttgart gemacht.

Auch ein früherer Mitarbeiter der Koordinierungsstelle der US-Geheimdienste in Süddeutschland beteuerte, nichts von einer Geheimdienstoperation in Heilbronn zu wissen. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass die Amerikaner ihre deutschen Kollegen in solche Aktionen überhaupt eingeweiht hätten. Das angebliche Geheimdienstdokument, auf den sich der „Stern“-Artikel stützt, wollte der Zeuge zwar nicht als Fälschung bezeichnen. Zweifel an der Echtheit äußerte er trotzdem: „Es sieht mir zu vage aus für einen echten Bericht.“ Bei der Geheimhaltungsstufe hätte in dem Bericht eigentlich viel mehr drinstehen müssen, sagte der Rentner.

Der NSU-Ausschuss im Bundestag konnte die Angaben nicht erhärten

Der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag prüfte die Angaben aus dem „Stern“ bereits, konnte sie aber nicht erhärten. Sowohl amerikanische als auch deutsche Behörden, darunter das baden-württembergische Innenministerium, beteuerten, es habe keinen solchen Einsatz gegen Islamisten an dem Tag in Heilbronn gegeben.

Der Ex-Mitarbeiter der Amerikaner erzählte vor dem Ausschuss aber über die US-Geheimdiensttätigkeiten in Deutschland: Er bestätigte, dass früher „Special Investigation Teams (SIT)“ - Spezialuntersuchungseinheiten - der Amerikaner existierten. „Die Amerikaner werden wohl bestreiten, dass es sowas gibt“, sagte er. Faktisch hätten aber solche Teams immer dann die Arbeit übernommen, wo die offiziellen Stellen aus rechtlichen Gründen nicht hätten aktiv werden können. Dazu hätten auch verdeckte Ermittlungen gehört - auch solche, für die eigentlich die deutschen Behörden zuständig gewesen wären. Solche Einheiten existierten - vermutlich unter anderem Namen - heute noch, meinte er.

Der Zeuge deutete an, wie weit die Tätigkeit amerikanischer Geheimdienste in Deutschland gehen könnte: „Man muss davon ausgehen, dass die ein ganzes Bundesland abhören können, wenn die irgendwo in ein Gerät eine Nummer eintippen“, sagte er zum Thema Telefonüberwachung. 2013 war bekanntgeworden, dass der US-Geheimdienst NSA in Deutschland in großem Stil ausspäht. Die NSA soll auch Bundesministerien, Bundeskanzleramt bis hin zum Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) belauscht haben.

Der Ausschuss untersucht die Bezüge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zum Südwesten. Dem NSU werden zehn Morde zugerechnet - an neun Migranten und an der Polizistin Kiesewetter. Es gibt aber Zweifel an der Annahme der Bundesanwaltschaft, dass Kiesewetter ein Zufallsopfer der rechtsextremen Terrorzelle war.