Der NSU-Untersuchungsausschuss. Foto: dpa

Der Verfassungsschutz im Südwesten soll schon 2003 einen Hinweis auf Rechtsterroristen bekommen haben. Ein Ex-Verfassungsschützer bekräftigt nun diese These, ein mutmaßlicher damaliger Hinweisgeber bestreit dies.

Stuttgart - Der baden-württembergische Verfassungsschutz hat nach Angaben eines früheren Mitarbeiters schon im Jahr 2003 einen Hinweis auf die rechtsterroristische Gruppe NSU bekommen. Ein Informant habe ihm gegenüber den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) genannt und die Mitglieder als Rechtsterroristen bezeichnet, sagte der mittlerweile pensionierte Beamte am Montag vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags in Stuttgart. Die Quelle habe Geld für weitere Informationen zu den Rechtsterroristen verlangt. Doch er und seine Kollegen im Verfassungsschutz hätten den Mann für unglaubwürdig gehalten. Deswegen mache er sich große Vorwürfe.

Hingegen bestritt die damalige Quelle, ein heute 47 Jahre alter Mann, am Montag im Untersuchungsausschuss, 2003 in einem Gespräch mit dem Verfassungsschutzmitarbeiter etwas über eine rechte Organisation oder den NSU erzählt zu haben. „Für mich ist die Frage, wie kommt der auf die Idee, solche Geschichten zu erzählen?“, sagte der Mann, der derzeit in Hannover in Haft sitzt. „Es ging bei der Kontaktanbahnung mit dem Verfassungsschutz nicht um Rechtsextremismus“, beteuerte er. Während der 47-Jährige sagte, das damalige Gespräch habe nur 10 bis 15 Minuten gedauert, sprach der 63-Jährige von etwa 4 Stunden.

Der Untersuchungsausschuss untersucht die Kontakte und Aktivitäten des NSU im Südwesten und die Arbeit der Behörden. Dem NSU werden zehn Morde zugerechnet, darunter an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn. Die Rechtsterroristen waren erst im Herbst 2011 aufgeflogen. Im Mordfall Kiesewetter sind zuletzt neue Spuren aufgetaucht - auch dank des U-Ausschusses. Eine jetzt vorliegende Zeugenaussage nährt den Verdacht, dass eine ähnlich wie der NSU im Geheimen agierende rechtsmilitante Truppe am Mord an der Polizistin beteiligt gewesen sein könnte - die „Neoschutzstaffel“ (NSS), in der ein Mann namens „Matze“ Mitglied gewesen sein soll. Der Ausschuss will „Matze“ in einer der folgenden Sitzungen als Zeugen befragen.

Ex-Verfassungsschutzmitarbeiter räumt Fehler ein

Der frühere Verfassungsschutzmitarbeiter sagte, es beschäftige ihn „Tag und Nacht“, dass er im Jahr 2003 einen großen Fehler gemacht habe. Hätte er den Hinweis auf den NSU damals ernst genommen, hätte man die Morserie vielleicht stoppen können, sagte der 63-Jährige, der erklärte, dass damals auch der Name des NSU-Mitglieds Uwe Mundlos gefallen sei. Zum NSU und zu Mundlos habe er dann keinen offiziellen Vermerk geschrieben, sondern sich nur handschriftliche Notizen gemacht, die heute aber nicht mehr existierten. Im Herbst 2011 habe er dann in der Zeitung über den NSU gelesen. „Da habe ich gewusst: Mein lieber Mann, da haste aber versagt.“

Frühere Kollegen des Verfassungsschutzmitarbeiters konnten sich allerdings im Ausschuss nicht daran erinnern, damals über das Thema NSU überhaupt gesprochen zu haben. Ein damaliger Vorgesetzter erklärte, dass sein Mitarbeiter, der später wegen eines Burn-outs vorzeitig in Pension ging, nicht sehr belastbar gewesen sei. CDU-Obmann Matthias Pröfrock meinte im Anschluss, es gebe wohl ein paar Punkte, die sich nicht mehr bis ins Detail aufklären ließen.

Unterdessen erwägt der Untersuchungsausschuss, eine frühere V-Person namens „Krokus“ in ihrer jetzigen Heimat Irland zu befragen. „Wir sind dabei, die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen“, sagte Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) am Montag. „Krokus“ hatte die Ermittler mit allerlei Informationen auch zum Mordfall Kiesewetter gefüttert, deren Wahrheitsgehalt aber umstritten sind.