Seit Januar arbeitet ein Untersuchungsausschuss die Bezüge des rechtsterroristischen NSU nach Baden-Württemberg auf. Die Abgeordneten stehen unter einem enormen Zeit- und Erwartungsdruck.
Stuttgart - Was trieben die Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) in Baden-Württemberg? Ein Untersuchungsausschuss im Landtag soll dies aufklären und mögliches Behördenversagen aufdecken. Schon die ersten Sitzungen haben für Wirbel gesorgt. Die spannendsten Themen kommen erst noch.
Warum gibt es einen Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg?
In Heilbronn wurde 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet. Der Generalbundesanwalt geht bislang davon aus, dass die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Täter waren und Kiesewetter als Zufallsopfer ausgewählt wurde. Daran gibt es Zweifel - auch von Mitgliedern des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Manche glauben, dass Kiesewetter gezielt ermordet wurde und dass Mundlos und Böhnhardt die Tat nicht alleine ausführten. Zudem hielten sich die NSU-Mitglieder häufiger im Südwesten auf. Die Frage ist, wie intensiv ihre Kontakte zur rechten Szene im Südwesten waren.
Was war bisher der Stand der Ermittlungen?
Was war bisher der Stand der Ermittlungen?
Eine von Innenminister Reinhold Gall (SPD) eingesetzte Ermittlungsgruppe „Umfeld“ identifizierte zwar 52 Personen in Baden-Württemberg, die einen direkten Kontakt zum NSU-Trio oder zu dessen Kontaktpersonen hatten. Doch ein Unterstützernetzwerk des NSU sahen die Ermittler im Südwesten nicht. Allerdings sind beim Generalbundesanwalt noch Verfahren gegen unbekannt anhängig.
Was ist bislang im Ausschuss geschehen?
Was ist bislang im Ausschuss geschehen?
Das Landtagsgremium hat sich bislang vor allem mit dem Tod des früheren Neonazis Florian H. beschäftigt. Der junge Mann war im Herbst 2013 in einem brennenden Wagen in Stuttgart gestorben. Die Polizei geht von Suizid aus - die Familie hingegen glaubt, dass Florian in den Tod getrieben oder ermordet wurde. Überraschung: Die Familie hat dem Ausschuss Gegenstände übergeben, die die Polizei bei der Untersuchung des ausgebrannten Wagens übersehen haben soll. Der Vorwurf schlampiger Ermittlungen steht im Raum.
Wieso ist der Fall Florian H. überhaupt von Interesse?
Wieso ist der Fall Florian H. überhaupt von Interesse?
Florian H. soll angegeben haben, er kenne Kiesewetters Mörder. Zudem will er an einem Treffen 2010 in Öhringen östlich von Heilbronn teilgenommen haben, bei dem der NSU und eine „Neoschutzstaffel“ (NSS) vorgestellt worden seien. Die Polizei war dem zwar nachgegangen, hatte aber keine heiße Spur gesehen. Zudem hatte Florian nach Angaben seiner Familie angedeutet, dass ein Mann mit Spitzname „Matze“ etwas mit dem NSU und dem Kiesewetter-Mord zu tun hat.
Welche neuen Erkenntnisse traten bislang ans Licht?
Welche neuen Erkenntnisse traten bislang ans Licht?
Im Zuge der Ausschussarbeit hat die Polizei „Matze“ nun doch identifiziert und vernommen. Der Mann, mit dem Florian in der rechten Szene unterwegs gewesen sein soll, wird am 20. April im Ausschuss befragt. Parallel lässt der Ausschuss Florians Handys und Computer untersuchen, um zu sehen, mit wem Florian in den Tagen vor seinem Tod kommuniziert hat. Für viel Wirbel sorgte die Nachricht, dass eine Ex-Freundin von Florian, die im Ausschuss befragt wurde, gestorben ist - nach dem vorläufigen Obduktionsergebnis an einer Lungenembolie. Hinweise auf ein Fremdverschulden gibt es bislang nicht.
Wie geht es nun weiter?
Wie geht es nun weiter?
Die zwei zentralen und spannenden Themen im Ausschuss kommen erst noch: Voraussichtlich im Mai geht es um den Komplex Kiesewetter - im weiteren Verlauf auch um mögliche Verbindungen zwischen dem NSU und einer Gruppe des Ku Klux Klans (KKK) in Schwäbisch Hall und die Rolle von Verbindungsleuten (V-Leuten) des Verfassungsschutzes im KKK. Im Herbst, spätestens aber bis zur Landtagswahl im März 2016, soll der Ausschuss seine Arbeit abgeschlossen haben. Dem Gremium liegen nun alle nötigen Akten der Landesbehörden vor. Es fehlen noch Akten des Bundesverfassungsschutzes und zum Teil auch der Bundesanwaltschaft.
Welche Rolle spielt der Ku Klux Klan?
Welche Rolle spielt der Ku Klux Klan?
2012 war bekanntgeworden, dass zwei Polizisten 2002 Mitglieder der rassistischen Gruppe waren. Einer der beiden war später Kiesewetters Gruppenführer. Nach unbestätigten Informationen sollen sich zehn bis zwanzig Polizisten um die Aufnahme in den KKK bemüht haben.