Markus Armbruster (von links), Bürgermeister Thomas Haas und Reinhard Mahn begrüßten Magdalena Podzinska und Marek Podzinski – die Nachfahren von Bernard Podzinski. Stadtarchivar Andreas Morgenstern berichtete von dessen trauriger Geschichte. Foto: Dold

"Dieses Unrecht darf nie vergessen werden", flüsterte einer Schiltacher Mutter ihrer Tochter zu – als klar war, dass der polnische Zwangsarbeiter Bernard Podzinski am 14. Januar 1942 hingerichtet werden würde.

Schiltach - 30 bis 40 Zwangsarbeiter wurden auf dem Marktplatz zusammengetrieben, um dem grausigen Schauspiel beizuwohnen. Die Schiltacher hingegen sollten das Ganze nicht sehen.

Nun war erstmals seit dem NS-Verbrechen ein Nachfahre von Podzinski in Schiltach zu Gast: Dessen Großneffe Marek Podzinski war mit seiner Frau Magdalena zurück am Ort des Geschehens. Sie waren sichtlich bewegt beim Anblick der Stätten, in denen der Vorfahr in seinen letzten Jahren gelebt hatte.

Rechte als Kriegsgefangener verloren

Stadtarchivar Andreas Morgenstern informierte die Gäste über den Stand der Erkenntnisse nach den Forschungen von Lisa Waidele und Hans Harter.

Podzinski wurde nach dem deutschen Einmarsch in Polen im Oktober 1939 Kriegsgefangener. Allerdings wurde er schon bald als Zivilarbeiter eingestuft, wodurch er alle Rechte als Kriegsgefangener verlor.

Er lebte ab dem 4. November 1940 in der Hauptstraße 31 und war Zwangsarbeiter bei der Firma Sautter. "Es gibt Berichte, dass er gerne Kinder mit seinem Fuhrwerk mitfahren ließ", erzählte Morgenstern.

Zwangsarbeiter wird denunziert

In das beengte Haus wurde auch die Arbeiterin Amalia Fischer einquartiert, deren Mann bei der Wehrmacht war. Sie musste bei Grohe arbeiten, wo Zünder produziert wurden. Podzinski und Fischer kamen sich näher. "Ob sie aber tatsächliche eine Liebesbeziehung hatten, ist gut möglich, aber nicht ganz sicher", so Morgenstern.

Laut NS-Recht wäre das aber eine "Rassenschande" gewesen, worauf die Todesstrafe stand. Karl Eschbach, der ebenfalls in dem Haus wohnte, denunzierte den Fall an den NS-Blockwart Christian Morlock und an Paul Neugart, den Führer der NSDAP-Ortsgruppe.

Todesurteil ohne Prozess

Am 25. November 1941 wurde Podzinski in Nürnberg inhaftiert. Drei Tage später kam er ins Konzentrationslager Dachau. Das Reichssicherheitshauptamt der SS in Berlin fällte das Todesurteil – ohne Prozess oder Verteidiger. Anschließend wurde Bernard Podzinski wieder nach Schiltach gebracht – wo er erhängt wurde, was andere Zwangsarbeiter abschrecken sollte.

Auch Amalia Fischer kam ins KZ nach Ravensburg, wo sie offenbar ums Leben kam. Nach Kriegsende wurden die Denunzianten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Eine weitere Station führte die Gruppe mit Vertretern des Historischen Vereins und Bürgermeister Thomas Haas auch zur katholischen Kirche. Dort besuchte Podzinski öfters den Gottesdienst – allerdings durften Polen nicht mit Deutschen zur Messe, weshalb es getrennte Gottesdienste gab.

Zum Gedenkstein und Kreuz

"Eine wunderschöne Stadt mit einer traurigen Geschichte", sagten die polnischen Besucher über Schiltach. Es sei sehr nett, dass an Bernard Podzinski erinnert werde. "Die Verwandten wussten lange nicht, was mit ihm war. Es ging das Gerücht um, dass er in Österreich sei", übersetzte die Dolmetscherin aus dem Polnischen. Mit welchen Gefühlen sie hierher kamen? "Es war Krieg damals", sagten sie mit trauriger Miene.

Anschließend besuchte die Gruppe den Gedenkstein für Bernard Podzinski sowie das errichtete Kreuz. Am Samstag geht es zum Kloster Wittichen sowie zu den Triberger Wasserfällen, bevor die beiden Gäste wieder in ihre Heimat – etwa 100 Kilometer westlich von Warschau – zurückkehren.

Suche nach Verwandten

Bis der Kontakt und schließlich zum Besuch der Nachfahren von Bernard Podzinski geknüpft war, mussten dicke Bretter gebohrt werden, wie Markus Armbruster vom Historischen Verein berichtete.

Nach den Forschungen von Lisa Waidele und Hans Harter machte sich der Verein auf die Suche nach Verwandten des ermordeten Zwangsarbeiters.

Im polnischen Geburtsort kam man schon alleine wegen der Sprachbarriere nicht weiter. Ein polnischer Pfarrer aus Rottweil half aber weiter, so Armbruster. Er kontaktierte die Diözese Plock in Polen. Der dortige Archivar vermittelte nach einem Blick in die Bücher Kontakte. Der Historische Verein ging dann auf die Stadtverwaltung zu, die sich ebenfalls offen für eine Einladung zeigte – und so kamen die Gäste nun nach Schiltach