Der Kampf im Gazastreifen ist für die Bevölkerung eine Katastrophe. An Fallschirmen gelangen etwas mehr Hilfsgüter in das Gebiet, doch bleibt dieser Versorgungsweg ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die Luftwaffe ist mit zwei Transportflügen zum Abwurf von Lebensmitteln in ihren Hilfseinsatz über dem umkämpften Gazastreifen gestartet. Am Sonntag wurden dabei wie am Vortag aus einer Maschine vom Typ C-130 Hercules mehr als vier Tonnen Nahrung auf vier Paletten an Fallschirmen abgesetzt. Nach Militärangaben beteiligten sich auch die USA sowie Ägypten und Jordanien. Bundeskanzler Olaf Scholz mahnte unterdessen während seiner Nahost-Reise, mehr Hilfsgüter in das Palästinensergebiet zu lassen, denn es komme viel zu wenig. Es gebe nur einen Weg, um die Lieferungen zu erhöhen: „Nämlich indem mehr Lastwagen nach Gaza gelangen, die von der israelischen Armee kontrolliert werden müssen, das ist klar“, sagte der SPD-Politiker.
Der Einsatz hatte am Samstag mit einem ersten Hilfsflug begonnen. Der Pilot sprach in einem Bundeswehrvideo von Nervosität, „denn wir wollen helfen, aber auf keinen Fall am Boden jemanden verletzen“. Die Bundeswehr hat zwei in Frankreich stationierte C-130-Transportflugzeuge nach Jordanien verlegt. Das arabische Land hat die Luftbrücke initiiert.
Die Luftwaffe bezeichnet den Abwurf der Versorgungsgüter per Fallschirm aus den C-130 als „Novum“ für die Bundeswehr. Es gebe zwei Herausforderungen: So sei es wichtig, dass die Last in der geplanten Abwurfzone („Drop-Zone“) lande. Andernfalls könnten die aufschlagenden Pakete Gebäude oder Infrastruktur beschädigen. „Pakete, die im Meer oder unzugänglichem Gelände landen, können zur Gefahr für diejenigen Bedürftigen werden, die sie unter Eigengefährdung zu erreichen versuchen. Deshalb werden vorher geeignete Zonen identifiziert, die unbesiedelt und dennoch gefahrlos zugänglich sind“, so die Luftwaffe.
Flugzeug und Besatzung schützen
Gleichzeitig müssten Flugzeug und Besatzung geschützt sein. „Beschuss vom Boden kann in Krisengebieten nicht ausgeschlossen werden“, hieß es. „Obwohl reduzierte Flughöhe und Fluggeschwindigkeit das Absetzen erleichtern, müssen Mindestwerte eingehalten werden. Zusätzlich verfügt die Hercules über eigene Schutzsysteme.“
Den Menschen am Boden drohen ganz andere Gefahren. Deswegen gibt es im Gazastreifen geteilte Ansichten über Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Abwürfe. Einige Bewohner des Küstenstreifens erzählen, dass sie so an etwas Nahrung gekommen seien, wie ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Andere klagen darüber, dass sie bislang nichts davon abbekamen. Sie seien lange Strecken gelaufen, um zu sehen, wie sich an den Stellen, an denen die Paletten landeten, verzweifelte Menschen um die Ladungen prügelten.
Vor einer Woche fünf Menschen von Palette erschlagen
Bei einem Abwurf erschlug eine Palette, deren Fallschirm sich nicht öffnete, vor einer Woche fünf Menschen. Ein junger Mann kritisierte, dass abgeworfene Güter in einem Fall in einem aktiven Kampfgebiet niedergingen, mit israelischen Soldaten in unmittelbarer Nähe. Bewohner und Hilfsorganisationen sind sich einig, dass die Abwürfe aus der Luft nicht mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein darstellen. Eine Flugzeugladung, die unter großem Aufwand an ihr Ziel gebracht wird, entspricht etwa der Menge, die ein Lastwagen transportieren kann. Am Donnerstag ließ Israel nach eigenen Angaben 244 Lkws mit Hilfsgütern in den Gazastreifen, von denen aber nur 33 den Nordteil des Küstengebiets erreichten, wo die Not besonders groß ist. Vor dem Krieg waren rund 500 Lkws mit Hilfsgütern pro Tag in den Gazastreifen gekommen.
Die Lage der Zivilbevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen ist katastrophal. Es mangelt an allem - nicht nur an Essen, sondern auch an Schutzräumen, medizinischer Versorgung, Sanitäranlagen. Hilfsorganisationen berichten, wie verzweifelt die Menschen sind. Per Lastenabwurf allein kann die Lage aus ihrer Sicht nicht ausreichend verbessert werden. Nach UN-Angaben droht in dem Küstenstreifen eine Hungerkrise, wenn die Hilfslieferungen per Lastwagen nicht ausgeweitet werden. Im Gazastreifen leben rund 2,2 Millionen Menschen.
Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie andere Extremisten am 7. Oktober verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen. Auf palästinensischer Seite wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vom Samstag seit Kriegsbeginn mehr als 31 550 Menschen getötet und mehr als 73 500 verletzt.
Aus vielen Ländern gibt es Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs. Und auch in und an Deutschland wird Kritik schärfer. Die Bundesregierung hat wiederholt darauf verwiesen, dass Israel ein legitimes Recht zur Selbstverteidigung habe, aber alles Mögliche für einen Schutz der Zivilbevölkerung unternehmen müsse.