Ein (Fund)grubenhäuser zeigt dieses Bild – wobei die Grube schon ein richtiger Keller ist.  Foto: Kistner Foto: Kistner

Östlich des Ebinger Schillerparks soll ein Wohn- und Pflegeheim für Senioren entstehen – just ander Stelle, an der die früheste Siedlung mit Namen Ebingen lag. Jetzt läuft eine archäologische Notgrabung.

Albstadt-Ebingen - Der Ebinger Talgrund ist geschichtsträchtiger Boden – wo immer man den Spaten einsticht, muss man damit rechnen, auf tönerne oder steinerne Zeugen einer fernen Vergangenheit zu stoßen. Indessen gibt es Orte, wo diese noch ein wenig präsenter ist als anderswo, und so ein Ort ist das Areal zwischen Schillerpark, Schillerstraße, Raidenstraße und Bahnlinie: Hier lag zu Ende des siebten Jahrhunderts mit großer Wahrscheinlichkeit der Kern einer weitläufigeren Siedlung mit Namen "Ebingun", deren Taufpate vermutlich Ebo, der Anführer einer suebischen Migrantenschar, war. Spuren dieser Siedlung sind für das geschulte und durch moderne Technik unterstützte Auge auch 1300 Jahre später noch sichtbar, und so stand schon 2018, als die Stadt den Bau eines Seniorenheims genehmigte, fest, dass vor dem Aushub der Baugrube die Archäologen zum Zuge kommen würden.

Seit Juni sind sie da und haben inzwischen einiges gefunden. Nichts Spektakuläres, keine Goldfibeln, Spangenhelme oder damaszierten Schwertklingen, sondern eher, was zu erwarten war: Löcher, in denen einst Palisadenpfähle oder die Pfosten von Holzhäusern saßen, eingetiefte Gruben, die als Lagerräume oder Werkstätten dienten, Scherben unterschiedlichster Machart, Holzkohle und Knochen – nicht von Menschen, sondern von Kleingetier; welches, das wird der Bioarchäologe erst noch analysieren müssen. In die Museumsvitrine wird es sicherlich keiner der bisher gemachten Funde schaffen, aber vielleicht – falls sich eine Tübinger Doktorand für diese Fleißarbeit findet – in eine Dokumentation, die viel Wissenswertes über das Leben der alten Ebinger enthält.

Die Scherben zum Beispiel, denen man auf Schritt und Tritt begegnet. Die Mitarbeiter der Firma ArchaeoBW, die im Auftrag des Landesamts für Denkmalpflege in der Schillerstraße gräbt, haben sowohl grobgemagerte Keramik aus der Bronzezeit entdeckt als auch Bruchstücke von keltischem Hallstadtgeschirr oder eine zerbrochene frühmittelalterliche Röhrenausgusskanne – oft beieinander, denn die Epochen halten beileibe nicht immer vornehm Abstand zueinander: Mal hat das Hangwasser ein Objekt nach oben in eine viel jüngere Schicht gespült, mal ein Tier irgendetwas im falschen Jahrtausend verbuddelt. Woher weiß man dann, in welcher Epoche man sich befindet? "Das jüngste Material datiert", sagt Mathias Hensch, Referent für Mittelalter und Neuzeitarchäologie am Landesamt, "so lautet die Faustregel". Das jüngste Material an der Schillerstraße stammt aus dem siebten bis elften Jahrhundert – und somit auch die Siedlung.

Die Baumaterialien: Holz, Lehm und Weidenruten

Wobei diese vermutlich gar nicht so sehr anders ausgesehen haben dürfte als eine 2000 Jahre ältere aus der Bronzezeit: ein paar Holzpfosten, dazwischen lehmbestrichenes Weidengeflecht, so sahen die vier Wände der alten Alamannen aus, vermutlich auch die von Graf Bertholds Halle, wenn es in "Ebingun" eine gab. Auszuschließen ist es nicht, der Graf, der im neunten Jahrhundert lebte, hat offenbar seinerzeit im Dorf "geurkundet"; ganz klein und unbedeutend kann es also nicht gewesen sein. Allerdings auch nicht groß genug für repräsentative Gebäude mit Steinsockeln, die das Holz vor der Verwitterung schützten. Langlebig darf man sich so ein frühmittelalterliches Hofgebäude daher nicht vorstellen – waren die Pfosten verfault, wurde neu gebaut.

Ein vollständiges Pfostengeviert ist in der Schillerstraße nicht gefunden worden, dafür aber ein sogenannter Spitzgraben mit V-Profil, der irgendeinen offiziellen Zweck erfüllt haben muss – zum Vergnügen gräbt keiner so etwas in den steinigen Untergrund der Alb, versichert Grabungsleiter Max Hermann, der es wissen muss. Der Graben verläuft schnurgerade und parallel zur Schillerstraße; es spricht einiges dafür, dass es diese vor 1300 Jahren auch schon gab. Allerdings hieß sie damals anders.

Am aufschlussreichsten ist vermutlich das, was die Grabungen in den sogenannten Grubenhäusern zu Tage fördern. Holzkohle etwa, die eine auf etwa 100 Jahre genaue Datierung mit der Radiokarbonmethode ermöglicht und zudem Informationen über den Baumbestand der Alb zur Zeit Karls des Großen liefert. Im Fall der größten Grube, die bereits Kellerdimensionen hat, kann man davon ausgehen, dass das Gebäude irgendwann abbrannte; Indiz dafür ist außer dem verkohlten Holz der kalzinierte, rötlich verfärbte Kalkstein. Man erkennt aber auch, dass das Leben danach weiter ging – die Grube wurde ausgeräumt und der Brandschutt beseitigt.

Im Oktober schafft der Bagger endgültige Fakten

Wesentlich endgültigere Tatsachen als dieser Brand wird ein Jahrtausend später der Bagger schaffen – im Oktober beginnt der Bau des neuen Senioren- und Pflegezentrums. Ursprünglich waren für die Grabungen zwei Monate einkalkuliert worden; momentan gehen Max Hermann und sein Chef Przemyslaw Sikora von einem Grabungsende Mitte oder Ende August aus – der September bleibt, wie Architekt Ralph Burghardt versichert, als "Puffer". Mit dem Herbst naht danach das Ende des frühmittelalterlichen Ebingen: Es wird noch in einem Rastatter Museumsdepot fortleben – doch an Ort und Stelle wird keine Spur mehr von ihm zeugen.