Im Einsatz zählt jede Sekunde – doch die Werte in Baden-Württemberg sind vielerorts schlecht. Foto: dpa

Es fehlt Personal, die Beschäftigten des Deutschen Roten Kreuzes kämpfen gegen ihre Arbeitsbedingungen, zudem können die gesetzlichen Vorgaben seit Jahren nicht eingehalten werden. Nun steht das Thema Rettungsdienst zur Debatte im Landtag.

Stuttgart - Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg krankt. Es fehlt Personal, die Beschäftigten des Deutschen Roten Kreuzes kämpfen gegen ihre Arbeitsbedingungen, zudem können die gesetzlichen Vorgaben seit Jahren nicht eingehalten werden. Zuletzt musste das Innenministerium erneut katastrophale Zahlen veröffentlichen: Nur acht von 34 Rettungsdienstbereichen im Land haben im vergangenen Jahr die sogenannte Hilfsfrist einhalten können. Bei den Notärzten waren es sogar nur drei. Laut Hilfsfrist müssen die Retter in mindestens 95 Prozent der Einsätze binnen maximal 15 Minuten vor Ort sein.

Die FDP will nun wissen, wie es weitergehen soll. Experten aus der Branche haben sich da längst eine Meinung gebildet. Bisher verhandeln in jedem der 34 Rettungsdienstbereiche die Hilfsorganisationen mit den Krankenkassen über die Ausstattung und Bezahlung. Stadt oder Landkreis haben nur die Rechtsaufsicht. „Diese Selbstverwaltung funktioniert nicht. Sie schafft es nicht, die Probleme zu lösen“, sagt Eduard Kehrberger. Der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte fordert wie andere Fachleute: „Der Rettungsdienst muss kommunalisiert werden – so wie in allen anderen Bundesländern.“

Für zusätzliche Aufregung sorgen Gerüchte, Land und Krankenkassen seien überein gekommen, die Hilfsfristen künftig einfach nicht mehr zu veröffentlichen – „um die Bevölkerung nicht unnötig zu verunsichern“, wie ein Insider sagt. Solche Pläne kennt Kehrberger nicht, er hat aber eine klare Meinung dazu: „Das würde ich nicht für angemessen halten. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, diese wichtige Kenngröße der Leistungsfähigkeit zu erfahren.“

Krankenkassen halten Rettungsdienst für „leistungsfähig“

Im Innenministerium bestreitet man solche Überlegungen. „Es gibt keine Bestrebungen in dieser Richtung. Wir werden Transparenz und Klarheit fortsetzen“, sagt ein Sprecher. Man stelle derzeit aber auch keine Überlegungen an, die Selbstverwaltung abzuschaffen und den Rettungsdienst in die Trägerschaft der Kommunen zu überführen. Das ist auch ganz im Sinne der Krankenkassen. Die Selbstverwaltung sei „ein Garant für einen effektiven und wirtschaftlichen Rettungsdienst“, heißt es bei der AOK. Er sei im Land „leistungsfähig“. Unter kommunaler Trägerschaft erhöhten sich die Kosten. Deshalb stelle eine Abkehr vom System „keine Alternative dar“.

Große Hoffnungen setzen alle Beteiligten in die neue trägerübergreifende Qualitätssicherungsstelle für den Rettungsdienst im Land (SQR). Seit 2012 versuchen die Experten dort, alle wesentlichen Daten und Entwicklungen in Baden-Württemberg zu sammeln, zu bündeln und zu veröffentlichen. „Die SQR leistet anerkennungswerte Arbeit“, heißt es bei der AOK. Auch Notarzt Kehrberger lobt: „Was sie vorlegt, ist hervorragend und bundesweit einzigartig.“ Gleichwohl sei man dabei noch am Beginn der Entwicklung. „Es ist allerdings schon einiges aus dem jüngsten Jahresbericht herauszulesen. Da sind auch Dinge drin, die einem zu denken geben.“

Das sieht auch Joachim Spohn von der Bürgerinitiative Rettungsdienst so. „Das ist ein ehrlicher Bericht. Manches darin ist ein Hammer.“ Er meint damit vor allem die dort landesweit aufgelisteten Zeiten für die gesamte Rettungskette, die zusammengerechnet weit über den gesetzlich erlaubten 15 Minuten liegen. Die Hilfsfristeinhaltung in den einzelnen Rettungsdienstbereichen taucht dagegen nirgendwo auf. „Das liegt daran, dass diese Werte bisher nicht von uns selbst berechnet werden“, sagt der SQR-Leiter Torsten Lohs. Noch bekomme man nicht von überall die notwendigen Daten. Lohs versichert aber: „Wir werden die Hilfsfrist künftig landesweit einheitlich berechnen. Und die Zahlen werden veröffentlicht – entweder vom Innenministerium oder durch uns.“