Ergebnis der Bürgerbefragungen spricht deutliche Sprache. Auch Mehrheit der CDU gegen Projekt. Mit Kommentar.
Baiersbronn/Freudenstadt/Seewald - Der Zugang von der Wilhelm-Münster-Straße zur Schwarzwaldhalle in Baiersbronn – das erfahren die rund 100 Bürger, die am Sonntagabend die Stimmenauszählung live verfolgen wollen – ist neuerdings barrierefrei. In der Halle wird den Befürwortern des geplanten Nationalparks Nordschwarzwald kurz nach 19.30 Uhr bewusst, dass es eine neue, hohe Barriere gibt.
Baiersbronn
Von den 8100 gültigen Stimmen, die in Baiersbronn abgegeben wurden, entfallen 1756 für und 6344 gegen das Projekt der Landesregierung. »Die Rücklaufquote macht mich wirklich stolz«, sagt Bürgermeister Michael Ruf bei der Bekanntgabe des Ergebnisses angesichts der Wahlbeteiligung von 68 Prozent und dankt allen Bürgern, die sich beteiligt haben. Durch die hohe Beteiligung an diesem »einmaligen kommunalpolitischen Projekt« sei das Ergebnis wertbar und quantifizierbar, meint Ruf und verweist etwa auf die Abstimmung im Gemeinderat, die für den 28. Mai geplant ist. Im Anschluss steht auch noch die Abstimmung im Kreistag an.
"Angstkampagne und die Panikmache"
Eineinhalb Stunden lang haben die neun Zählteams in der Schwarzwaldhalle die Zettel gestapelt. Schon früh zeichnet sich ab, wohin die Reise geht. Entsprechend laut fällt der Applaus der Gegner bei der Bekanntgabe aus. Bei den Befürwortern macht sich Enttäuschung breit. »Das klare Ergebnis zeigt, wo das Herz der Bürger im Augenblick schlägt«, räumt Thomas Fritz, Vorstandssprecher des Freundeskreises Nationalpark Schwarzwald, ein. »Leider ist es so, dass die Angstkampagne und die Panikmache der Gegner Wirkung gezeigt haben«, so Fritz. Die Landesregierung müsse nun sehen, wie der Suchraum so zugeschnitten werden könne, dass »die Betroffenheit insgesamt ein Stück weit abnimmt« – also der Park weniger dicht an die Gemeinden heranreiche.
Freudenstadt
Schon das Ergebnis der ersten Zählgruppe gibt in Freudenstadt einen Ausblick auf das, was kommen wird. Auch in der Kreisstadt haben die Befragten das Nationalpark-Vorhaben abgewatscht. Am Ende heißt es 5832 Nein- (67,8 Prozent) und 2766 Ja-Stimmen (32,2). Die Wahlbeteiligung ist mit 49,4 Prozent höher als bei der jüngsten OB-Wahl. Eins haben Park-Kritiker wie Befürworter an diesem Abend gemeinsam: Sie sind überrascht. »Das ist jetzt ein positives Ergebnis«, sagt eine künftige Neubürgerin, die am Rande das Geschehen im großen Sitzungssaal verfolgt, während ein Ehepaar ein paar Stühle weiter eher bedröppelt dreinschaut. »Wir sind enttäuscht«, erzählen sie. Beide hatten sich nach reiflicher Überlegung für das Ja zum Nationalpark entschieden. Wie sich herausstellt, gehören sie zur Minderheit.
Überrascht ist auch Nationalpark-Kritiker und FWV-Stadtrat Wolfgang Tzschupke: »Mit diesem Ergebnis habe ich nicht gerechnet. Es wird spannend zu sehen, wie die Landesregierung mit dem Ergebnis umgehen wird.« Die Wahlbeteiligung zeige, dass das Thema die Menschen wirklich bewege. Wer seinen Stimmzettel nicht ausgefüllt hat, könne auch kein unbedingter Befürworter sein, so seine Analyse.
Als Oberbürgermeister Julian Osswald nach rund zwei Stunden das Ergebnis verkündet, zieht er die Stirn kraus: »Was bedeutet das Ergebnis? Die Landesregierung muss zur Kenntnis nehmen, dass die Bürgerschaft eine andere Meinung vertritt.« Für den Gemeinderat bedeute dies weitere Beratungen, an deren Ende ein Ergebnis stehen müsse. »Trotz meiner persönlichen Meinung zum Nationalpark muss und will ich das Votum der Bürger einbeziehen«, so Osswald. Aber: »Wenn der Nationalpark kommt, dann mit Freudenstadt.«
Seewald
Gespannt ist man auch im Besenfelder Rathaus bei der Auswertung der Stimmen zur Bürgerbefragung. Gemeinderäte und Gemeindemitarbeiter helfen bei der Auszählung der Befragungsbögen. Kurz nach 19 Uhr liegt das mit Spannung erwartete Ergebnis vor. Von 1848 Wahlbeteiligten in Seewald haben 1322 Personen ihre Stimme abgegeben, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 71,6 Prozent. Für einen Nationalpark sprechen sich 171 Bürger aus (12,9 Prozent), dagegen sind 1148 (86,8 Prozent), drei Stimmen sind ungültig.
Bürgermeister Gerhard Müller spricht von einem eindeutigen Ergebnis und auch von einer ordentlichen Wahlbeteiligung. Die recht hohe Wahlbeteiligung zeige, dass das Thema Nationalpark die Bevölkerung sehr interessiere und berühre. Hinzu komme, dass es in Seewald viele Privatwaldbesitzer gibt. »Mit so einem klaren Votum gegen den Nationalpark habe ich nicht gerechnet«, sagt Gemeinderat Thomas Nägele. Die hohe Wahlbeteiligung sei ein Zeichen dafür, dass das Thema Nationalpark die Bürger erreicht habe, auch wenn der Suchraum nicht direkt die Gemarkung Seewald betreffe.
CDU-Kreisverband
Zeitgleich mit den Bürgerbefragungen zum geplanten Nationalpark im Nordschwarzwald hat der CDU-Kreisverband Freudenstadt nach der Meinung seiner Mitglieder gefragt. Auch dieses Ergebnis dürfte den Nationalparkbefürwortern weniger gefallen: Die Mehrheit der Mitglieder, nämlich 80,4 Prozent, hat sich gegen den Nationalpark ausgesprochen und damit ihrem Landtagsabgeordneten Norbert Beck eine Botschaft mit auf den Weg gegeben. »Der Kreisverbandsvorstand empfiehlt seinem Landtagsabgeordneten, gegen das Gesetz zu stimmen«, heißt es von Seiten der Kreis-CDU.
Den Grund für dieses Votum benennt Gabriele Reich, CDU-Kreisvorsitzende: »Die Landesregierung hat kapitale Fehler in der Kommunikation gemacht. Für das schlechte Einbinden der Gegner des Projekts erhält Minister Bonde von unseren Mitgliedern die Quittung.« Thomas Kreidler, stellvertretender Vorsitzender der Kreis- CDU, spricht gar von einem totalen Versagen der Landesregierung. Der Rücklauf der Fragebögen spricht allerdings für sich. 54 Prozent waren zurückgesandt worden.