Der Huzenbacher See befindet sich in der bisherigen Suchkulisse für einen Nationalpark. Doch das Blatt könnte sich wenden. Eine neue Variante ist denkbar, die die Gebiete im Kreis Freudenstadt ausklammert. Foto: Schwark

Durch zusätzliche Flächen könnte das Projekt komplett in den Norden des Suchraums Richtung Calw und Baden-Baden rutschen.

Region - Die einen protestieren noch, die anderen sehen schon die Felle davon schwimmen: Bei der Frage, wo ein Nationalpark entstehen könnte, ist jetzt eine neue Variante denkbar – im Norden des Suchraums und damit ohne die Gebiete bei Freudenstadt und Baiersbronn.Eines galt in der Nationalparkdebatte bisher als sicher: Wenn das Naturschutzprojekt kommt, ist das Schliffkopf-Wildsee-Gebiet dabei. Denn mit rund 9000 Hektar Fläche ist es das größte Teilstück in der Suchkulisse für einen Nationalpark Nordschwarzwald. Mit den beiden anderen Teilflächen des Suchraums allein, Hoher Ochsenkopf (rund 2000 Hektar) und Kaltenbronn (rund 6000 Hektar), wäre ein Nationalpark mit 10 000 Hektar geplanter Gesamtfläche nicht umzusetzen gewesen.

Doch so schnell wendet sich das Blatt: Erst hat der Calwer Landrat Helmut Riegger dem Land rund 2000 Hektar zusätzliche Flächen im Bereich Kaltenbronn zur Erweiterung des Suchraums angeboten, jetzt wirft anscheinend auch Baden-Baden mit neuen Gebieten den Hut in den Ring. Offiziell ist es nicht, doch in Insider-Kreisen wird bereits geflüstert, der Stadtkreis halte Tauschflächen für das Land in der Hinterhand, um einen möglichen Nationalpark auf seine Gemarkung zu ziehen. Damit hätte die Landesregierung eine neue Standort-Alternative und die Region Baiersbronn/Freudenstadt unter Umständen das Nachsehen. Denn durch die Zusatzflächen könnte der Nationalpark komplett im Norden der Suchkulisse entstehen, und das Schliffkopf-Wildsee-Gebiet wäre außen vor.

Während man sich in Baden-Baden mit offiziellen Informationen zu möglichen Tauschflächen noch bedeckt hält, ist die Intention in Calw klar: "Wenn der Nationalpark kommt, wollen wir davon touristisch profitieren", sagt Thiemo Stock, Pressesprecher des Landratsamts. Auch über mögliche Portalgemeinden macht man sich dort bereits Gedanken: "Bad Wildbad, Bad Herrenalb, Dobel oder Enzklösterle wären denkbar", so Stock. Die 2000 Hektar Zusatzfläche dienten jedoch vor allem der Abrundung des dortigen Suchgebiets und würden naturschutzfachlich Sinn machen, da es sich um Naturschutz- und Bannwaldflächen handle, die ohnehin schon aus der Nutzung genommen sind, so Stock weiter.

"Wenn der Nationalpark in den nördlichen Teil des Suchraums rutscht, werden auch  Synergieeffekte wie Stiftungsgründungen und  Mittel  für Infrastrukturmaßnahmen dorthin fließen. Unter Umständen sind dann die befürchteten  Risiken nicht gänzlich ausgeräumt, aber alle Chancen  verpasst", ist die Sorge von Vera Haueisen. Sie ist Mitglied im regionalen Arbeitskreis Tourismus, der den Nationalparkgutachtern zugearbeitet hat, und sieht in dem Projekt viele positive Möglichkeiten  für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Region Freudenstadt und Baiersbronn – sowohl naturschutzfachlich, wirtschaftlich wie auch für die Lebensqualität der Menschen vor Ort und der Gäste.

"Wir haben hier zwar die bessere Gastronomie und Hotellerie, aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, was in der Zukunft an Exzellenz darüber hinaus erforderlich ist", gibt die Tourismusfachfrau mit Blick auf den weltweiten Wettbewerb zu bedenken. Sorgen macht ihr der Proteststurm der Projektgegner im Murgtal: "Der Nationalpark wird dort entstehen, wo ihn die Bürger wollen", meint Haueisen und wünscht sich deshalb – auch mit Blick auf die geplante Bürgerbefragung zum Projekt – eine breit angelegte sachliche Informationsoffensive der Landesregierung und der Medien, wenn das Nationalparkgutachten vorgestellt wird. Ihr zweiter Wunsch an die Beteiligten:  "Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Es geht um ein Jahrhundertprojekt, da darf es jetzt nicht auf ein paar Monate ankommen."

"Dass wir nicht daran beteiligt sind, wäre schlimmer als gar kein Nationalpark", sagt Carola Broermann, CDU-Stadträtin in Freudenstadt und Tourismusexpertin. Auch sie ist im regionalen Arbeitskreis Tourismus und sieht den Nationalpark als große Chance für den Naturschutz und den Fremdenverkehr in der Region. "Wir könnten das Schwarzwaldimage modernisieren, den Wald erlebbar machen und mit Großtiergehegen und anderen Infrastrukturmaßnahmen touristische Attraktionen schaffen", meint Broermann. "Aber wir müssen jetzt aufpassen, dass wir die Entwicklungen nicht verschlafen", warnt die CDU-Frau.

Das Schweigegelübde, das sich ihre Partei bis zum Erscheinen des Gutachtens auferlegt hat, sei ein Fehler gewesen: "Wir haben es dadurch versäumt, Forderungen an die Landesregierung zu stellen." Eine der zentralen Forderungen ist für Broermann die gesicherte Finanzierung: "Ein Nationalpark ist ein Generationenprojekt, das langfristig angelegt werden muss. Ich möchte keinen Sparpark, weil irgendwann das Geld fehlt." Deshalb brauche ein Nationalpark auch eine breite politische Mehrheit. Dass die CDU den Park positiv begleiten wird, ist für sie sicher, immerhin herrsche bei diesem Thema parteiintern gerade Umbruchstimmung.

Klaus Ulrich Röber, Erster Landesbeamter des Kreises, sieht die mögliche Nationalparkverschiebung gelassen: "Dieses Projekt braucht Qualitätsflächen, und die liegen eindeutig bei uns. Ich gehe deshalb davon aus, dass unsere Flächen drin bleiben", meint er. Dass Calw und Baden-Baden Standortinteressen bekunden, hält Röber für verständlich: "Jetzt wird erkannt, dass der Nationalpark attraktiv sein kann", sagt er. Beim Naturpark sei es damals ähnlich gewesen. Der Park wird kommen, das ist für Röber so gut wie sicher. "Ich gehe davon aus, dass keine unüberwindbaren Hürden da sind." Auch wenn die Region dann neue Wege gehen müsste, ist er zuversichtlich: "Wir haben das Know-How, die Kraft und die Ideen, um dieses Projekt erfolgreich umzusetzen."

Ähnlich sieht es der Tourismusdirektor von Baiersbronn, Patrick Schreib. Er hofft, dass das Gutachten zum Nationalpark Antworten auf die vielen Fragen gibt und Ängste ausräumen kann. "Wenn dies so ist, müssen wir sagen, wohin die Reise gehen soll", meint er und hofft, dass die Menschen vor Ort hinter dem Projekt stehen, sollte der Nationalpark kommen. Dass die Region viel erreichen kann, davon ist Schreib überzeugt: "Wir haben einen hohen Anspruch an Qualität", sagt er, und mit diesem Anspruch könnte man aus einem Nationalpark Schwarzwald den besten Park machen.

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