Der Saal jubelt gestern Schlag 18 Uhr im Nagolder Gasthof Adler, doch AfD-Direktkandidat Uwe Burkart (links stehend) kommt noch nicht so recht aus sich heraus. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Hans-Joachim Fuchtel (CDU) holt wieder Direktmandat. Auch FDP-Mann Theurer drin. Mit Kommentar

Nordschwarzwald - Während Hans-Joachim Fuchtel im Wahlkreis Calw/Freudenstadt massiv verliert und trotzdem sein Mandat holt, liefern sich FDP, SPD und AfD in der Region ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Landratsamt Calw. Es ist 18 Uhr. Während die ersten Prognosen über die Bildschirme flimmern, herrscht an diesem Ort, wo die Zahlen des Wahlkreises Calw/Freudenstadt zusammenlaufen werden, gähnende Leere. Einzig Wilfried Rühle von der Kommunalaufsicht sitzt an seinem Schreibtisch.

18.05 Uhr. Landrat Helmut Riegger betritt die Bildfläche. Als er einen Blick auf den Fernseher und die Prognosen wirft, kommt er aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Bei diesem Ergebnis wird es für Hans-Joachim Fuchtel nicht einfach, Staatssekretär zu bleiben." Schnell ist der Kreischef wieder weg vom Bundesergebnis, denkt an die Region. "Die bräuchte wirklich mehr als einen Abgeordneten, deshalb wäre es wichtig, dass auch Saskia Esken ihren Sitz behält", sagt er gegen 19 Uhr. An Michael Theurer aus Horb am Neckar von der FDP denkt er in diesem Moment noch nicht.

Das kleine Wörnersberg im Kreis Freudenstadt liefert als erste Gemeinde um 18.20 Uhr. Satte Mehrheit für die CDU, knapp 50 Prozent. Aber das war es dann erst einmal. Eine Geduldsprobe.

Um 19.50 Uhr stehen erst die Ergebnisse von sechs Wahlbezirken fest. Kurz nach 20 Uhr kommt Bewegung in die Angelegenheit. Die ersten größeren Kommunen trudeln ein. Und der Trend bestätigt sich. In Altensteig liegt AfD-Mann Uwe Burkart (16,4 Prozent) deutlich vor Saskia Esken von der SPD (15,2 Prozent).

Für Hans-Joachim Fuchtel und die CDU sieht es – trotz massiver Verluste – schon zu diesem Zeitpunkt nach einer sicheren Sache aus. Obgleich er deutlich besser als die Bundespartei abschneidet, macht ihn das schlechteste Ergebnis der Union seit 1949 nachdenklich: "Die Emanzipation der Wähler nimmt zu", sagte er gestern in Berlin, wo er gemeinsam mit 50 seiner jungen Wahlhelfer im Konrad-Adenauer-Haus und später in der baden-württembergischen Landesvertretung den Wahlabend verfolgte.

Derweil fehlt für Saskia Esken noch immer ein Ergebnis von über 20 Prozent. Um 21.15 Uhr, Calw und Nagold sind da schon ausgezählt, ist auch klar, dass die FDP in der Region zweistellig werden dürfte. Mit 13,4 Prozent liegt sie bei den Zweitstimmen auf Augenhöhe mit SPD und AfD. Dass mit Michael Theurer von der FDP ein weiterer Politiker der Region in den Bundestag einziehen könnte, ist inzwischen klar.

Kurz vor 22 Uhr sind alle Stimmen ausgezählt. Nur in Dobel scheint der Wurm drin zu sein. Am Bild hat sich nichts mehr verändert: Bei den Zweitstimmen ist die CDU trotz massiver Verluste klar vorne, dahinter das Trio, FDP, SPD und AfD fast gleichauf. Fuchtel holt das Direktmandat, Theurer kommt wahrscheinlich über die Landesliste rein. Wie es für Saskia Esken ausgeht, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

Kommentar: CDU-Schlappe

Von Alfred Verstl

Im Rentenalter von 65 ist er nochmals angetreten. Seit 1987 vertritt Hans-Joachim Fuchtel den Wahlkreis Calw-Freudenstadt im Bundestag. Und hat eine Schlappe erlitten. Auch wenn er wieder das Direktmandat geholt hat: In nahezu allen Gemeinden liegen die Einbußen im zweistelligen Bereich. Für den Platzhirsch, für den Ergebnisse von über 50 Prozent die Regel waren, ein miserables Ergebnis. Obwohl der CDU-Abgeordnete nicht nur in den Wochen vor dem Urnengang im Wahlkreis Präsenz zeigt – und das trotz seiner Reisen als Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Hauptsächlich die AfD dürfte ihm das Wasser abgegraben haben. Die Rechtspopulisten bewegen sich in Calw-Freudenstadt auf Augenhöhe mit der SPD. Das ist mehr als bedenklich. Auch das Ergebnis im Nordschwarzwald zeigt: Die Zeit der großen Volksparteien ist vorbei.