Rainer Rogoll verklagt Autohersteller wegen Abgasskandal: "Jeder muss selbst aktiv werden."

Nordschwarzwald - Im September gelangte an die Öffentlichkeit, dass der Autohersteller VW in seine Dieselautos vorsätzlich eine Software verbaut hat, die die Abgaswerte manipulieren soll. Weltweit sind um die 11 Millionen Fahrzeuge vom "Abgasskandal" betroffen. Auch Rainer Rogoll aus Jettingen fährt eines der betroffenen Autos. Nun klagte er gegen die Volkswagen AG – mit Erfolg.

Rainer Rogoll ist verärgert über den Automobilhersteller. 2014 erwarb er einen gebrauchten VW Golf VI Plus TDI mit dieselmotor für 21. 500 Euro. "Wir haben das Auto gekauft, weil es als besonders umweltfreundlich galt", meint Rogoll. Doch dass sein neues Auto gar nicht so umweltfreundlich ist, wie es vom Hersteller beworben wurde, stellte sich heraus, als die "Dieselaffäre" an die Öffentlichkeit gelangte. "An sich ist das kein schlechtes Fahrzeug, aber wenn ich so viel Geld für ein umweltfreundliches Fahrzeug ausgebe, dann möchte ich auch eins." Ihn stört vor allem, dass er das Gefühl hat, von VW "für dumm verkauft zu werden".

Im Februar 2016 versuchte VW die Fehler zu kitten und verschickte an die betroffenen Fahrzeughalter einen Brief, dass sie ein kostenloses Softwareupdate durchführen lassen sollen. Im März vergangenen Jahres ließ Rogoll seinen Golf Plus beim lokalen VW-Händler mit der neuen Software bespielen. "Ich dachte damit wären nun all die Probleme aus dem Raum." Doch weit gefehlt: Von da an brachte das Auto nicht mehr die Leistung wie zuvor. Rogoll stellte einen erhöhten Spritverbrauch fest bei gefühltem Leistungsverlust. Bei Beschwerde verwies der Händler an den Hersteller. Der Höhepunkt war für Rogoll erreicht, als im Frankreichurlaub 2017 das Auto mit Motorenschaden in die Werkstatt musste, wegen eines Fehlers, der offenbar häufig bei dem Modell vorkomme. Auf den Hotelkosten blieb er sitzen.

Hersteller will Fahrzeug nicht zurücknehmen

Nach einer weiteren Überprüfung der Werte kam die Volkswagen AG zu dem Ergebnis, dass Rogolls Beschwerde unbegründet sei, das Fahrzeug werde nicht zurückgenommen. Ein schriftlicher Prüfungsbericht durfte vom Vertragshändler jedoch nicht ausgehändigt werden.

"Wenn du dich wehren willst, musst du klagen", lautet sein Fazit aus dem monatelangen Ärgernis. Er wandte sich Ende 2017 an eine Anwaltskanzlei, die Klage am Landgericht Stuttgart sowohl gegen die Volkswagen AG sowie das Autohaus in Wolfsburg, bei den Rogoll 2014 den Wagen gebraucht erstanden hatte, einreichte.

Im März fand dann der Schlichtungstermin am Landgericht Stuttgart statt. Der Richter hatte die Absicht, einen Vergleich anzustreben. Doch dieser kam nicht zustande. Der Anwalt der Volkswagen AG schlug vor, das Fahrzeug mit der fehlerhaften Schadstoffsoftware zurückzunehmen, eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, wenn Rogoll dafür ein neues Fahrzeug von VW kaufe. Der Jettinger lehnte dies ab. Nun fällte das Landgericht Stuttgart ein Urteil: Die Volkswagen AG muss Rogoll den Kaufpreis unter Berücksichtigung der Abnutzung durch ihn, den Kläger, erstatten. Nach vier Jahren habe das Fahrzeug noch einen Wert von 13. 237 Euro, die der Automobilhersteller an den Kläger zahlen muss. Das Auto nimmt der Automobil-Konzern zurück.

Mit dem Urteil ist Rogoll zufrieden. "Das erlaubt uns in eine andere Richtung als zu VW zu gehen." Mit dem vorgeschlagenen Vergleich hätte er nur einen VW beim Vertragshändler erwerben können – ohne auf ein günstigeres Angebot von anderen Händlern eingehen zu können. Doch noch ist es nicht rechtskräftig, er geht davon aus, dass Volkswagen Revision einlegen wird.

"Man hat am Anfang oft Hemmungen, an so etwas ranzugehen, weil man nicht weiß, was rauskommt", meint er. Deswegen möchte Rogoll mit seinen Erfahrungen anderen Geschädigten Mut machen, den selben Weg zu gehen. Denn die Erfolgschancen stehen gut, weiß er nun. "Der Einzelne muss immer selbst aktiv werden", rät er. Und das gelte auch mit Blick auf die Musterfeststellungsklagen, die im Juni verabschiedet wurden. Zwar klagen Verbände dann stellvertretend für die Betroffenen, doch auch hier fordert es vom Geschädigten ein gewisses Maß an Eigeninititative.

Wer klagen will, muss sich beeilen

Die Erfolgsaussichten bei einer Klage gegen den Volkswagenkonzern sehen laut Rogoll allerdings nur noch bis Ende des Jahres gut aus: Ab Januar 2019 gilt die Angelegenheit als verjährt. Die Folge für alle Betroffenen, die sich nicht zur Wehr setzen: Wertverfall. Die Fahrzeuge mit dem betroffenen Motor werden auf dem Gebrauchtwagenmarkt unter dem Wert gehandelt, in Deutschland stünden die Chancen gering, ein betroffenes Auto gebraucht zu verkaufen. Bei den derzeitigen Diskussionen über mögliche Dieselfahrverbote in Städten wiegt VWs Fehler noch schwerer. "Man muss diesen Weg gehen, sonst passiert nichts", betont Rogoll immer und immer wieder.

 Aufwand: Rogoll rät, mit einer Anwaltskanzlei Kontakt aufzunehmen. Auf das Gespräch sollte man sich vorbereiten, indem man alle Kosten und Schäden zusammenstellt, die mit der Anschaffung des schadhaften Autos zusammenhängen. Dazu gehören neben dem Anschaffungspreis des Autos auch die Kosten für zusätzliche Ausstattung. Alles andere – Klage einreichen und Schriftverkehr – liegt dann in den Händen des Anwalts.

 Kosten: Falls eine Rechtsschutzversicherung besteht, holt die Anwaltskanzlei eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ein und für den Kläger entstehen keine Kosten. Andernfalls sollte man beim Erstgespräch ein klares Bild über mögliche Kosten einfordern, rät Rogoll.

 Risiken und Chancen: Normalerweise bestehe große Unsicherheit vor der Klageerhebung, wie das Ganze ausgeht. Das Risiko reduziert sich hier deutlich, wenn man die Rechtsauffassung des Landgerichts kennt. Diese ist wie im Fall von Rogoll, dass der Beklagte "eine unerlaubte Handlung in Form einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung" vorgenommen hat, von der der Kläger einen Schaden genommen hat. Heißt: Die Chancen stehen gut, der Kläger kann Schadensersatz verlangen. Aber Obacht: Da ab Januar 2019 die Angelegenheit als verjährt gilt, empfiehlt Rogoll noch bis Ende des Jahres Klage einzureichen.