Nordschwarzwald/Berlin - Diskussionskultur adé? Die Frage stellt sich, angesichts dessen, was Bundestagsabgeordnete Saskia Esken nun bei einer Veranstaltung in ihrem Wahlkreis erleben musste.

Verbandspräsident: "Schüsse auf Menschen"

Es ist Donnerstagabend, im Terminkalender der SPD-Frau steht eine öffentliche Veranstaltung. Politikeralltag. Bis das Thema Wolf auf den Tisch kommt. Der Präsident eines Interessensverbands ergreift das Wort. Fordert, die Politik solle endlich etwas gegen die Rückkehr des Raubtiers unternehmen. Ansonsten müsse man mit dem Zorn des Schwarzwälders rechnen. "Dann fliegen Kugeln! Und nicht auf den Wolf, sondern auf Menschen. Ich würde es nicht befürworten, aber ich habe Verständnis dafür", zitiert Esken den Verbands-Vertreter in einem Facebook-Post.

Esken mahnt Rückkehr zur sachlichen Diskussion an

Zwar will die Politikerin die harschen Worte nicht als Drohung gegen ihre Person verstanden wissen, auch nicht als Aufruf zur Gewalt - zu weit gehen sie ihr aber allemal. Was Esken sauer macht, ist die zunehmende Schärfe in der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung, die Verrohung der Diskussionskultur. Für Esken längst kein Phänomen der Sozialen Netzwerke mehr. "Diese Grenzüberschreitungen sind ein Teil unserer Gesellschaft geworden", sagt die Bundestagsabgeordnete.

Für die SPD-Frau ist klar: So kann es nicht weitergehen. Esken mahnt die Rückkehr zu einer sachlichen Diskussion an. Getreu dem Motto:"Hart in der Sache, fair im Umgang." Es brauche wieder mehr Debattenkultur, "sonst reden wir irgendwann gar nicht mehr miteinander".

Wer ihr jene denkwürdigen Sätze an den Kopf warf will Esken übrigens nicht öffentlich machen. Nur soviel: Als "Ausrutscher" im Eifer des Gefechts lässt sie die verbale Entgleisung nicht durchgehen. "Ich sehe das schon als gezielte Provokation und hoffe, dass die betreffende Person ihr Verhalten überdenkt."

Kommentar: Wehret den Anfängen

Mensch oder Tier - darauf scheint es hinauszulaufen. Kaum hat der erste Wolf seine Pfoten auf baden-württembergischen Boden gesetzt, wetzen die politischen Scharfmacher die Zungen.

Wo dies enden kann, hat die Region in der hitzigen Debatte um den Nationalpark Schwarzwald erlebt. Ganze Ortschaften spalteten sich in Gegner und Befürworter. Im Hintergrund gossen Ideologen kräftig Öl ins Feuer.

Knapp vier Jahre nach Gründung des Parks ist Ruhe eingekehrt. Auch, weil die von den Projekt-Gegnern heraufbeschworenen Horror-Szenarien eines vom Borkenkäfer kahl gefressenen Schwarzwalds ausblieben.

Nun drohen mit der Rückkehr des Wolfs neue Gräben aufzureißen. Umso wichtiger, den Hetzern und Spaltern keinen Raum zu geben. Wehret den Anfängen. Dann ist im Schwarzwald Platz für Mensch und Wolf.