In Seefeld hatte Nathalie Armbruster nicht mit diesem Erfolg gerechnet – auch im Vorfeld der Saison hatte sie nicht vermutet, eine so starke Leistung zeigen zu können. Foto: Eibner/Memmler

Im Interview erzählt die Nordische Kombiniererin Nathalie Armbruster, was für sie ein Kindheitstraum wäre und warum die 19-Jährige in ihrem Abi-Jahr eigentlich überhaupt nicht mit solchen Erfolgen gerechnet hat.

Eine gefragte Frau ist Kombiniererin Nathalie Armbruster derzeit. Die Kniebiserin reist von Weltcup zu Weltcup, macht gleichzeitig ihr Abitur und bereitet sich auf die kommende Weltmeisterschaft vor. Zuletzt war sie sogar ins Sportstudio eingeladen. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht die 19-Jährige über die aufregende Zeit, blickt noch mal auf ihren Erfolg in Seefeld und geht auf das besondere Verhältnis der Athletinnen untereinander ein.

 

Wie war das Gefühl, in dem Moment, als Sie in Seefeld über die Ziellinie gefahren sind?

Wahrscheinlich träumt doch jede Sportlerin beziehungsweise jeder Sportler davon, irgendwann mal mit der Flagge des Heimatlandes über die Ziellinie zu fahren. Im Alpencup hatte ich dieses Erlebnis bereits schon einmal. Das war aber mit Seefeld überhaupt nicht vergleichbar. Wenn mal über 3000 Menschen Deinen Namen rufen – das ist einfach ein unbeschreiblich tolles Gefühl und am Ende auch der Lohn für alle, die an so einem Erfolg beteiligt sind. Ich könnte mich daran gewöhnen …

Abstand immer größer

Wann haben Sie realisiert, dass es in Seefeld der erste Weltcup Sieg wird? War das schon während des Rennens?

Am jenem Samstag war ja das Compact Race, bei dem die Rückstände unabhängig vom Punkterückstand festgelegt sind. Dadurch hatte ich trotz 4 Punkten Vorsprung beim Lauf nur 6 Sekunden vor Gyda Westvold Hansen. Ich habe eigentlich ganz fest damit gerechnet, dass Gyda relativ schnell auf mich aufschließen wird und wir dann Frau gegen Frau laufen. Ich hatte nicht damit gerechnet, schon nach kurzer Zeit meinen Vorsprung ausbauen zu können. In Seefeld merkt man das dann auch relativ schnell selber, weil man in der Abfahrt sieht, wenn die Athletinnen auf der gegenüberliegenden Seite den Aufstieg hochgehen und ich habe natürlich gemerkt, dass der Abstand immer größer wurde. Außerdem stehen ja überall Trainer und Techniker und oft auch Mannschaftskollegen, die einem die Zeitabstände zurufen. Das ist immer eine große Hilfe. Trotzdem: Mein Sturz in Schonach hat gezeigt, dass bis zum letzten Moment noch etwas passieren kann und ruckzuck ist der Vorsprung wieder weg. Die Abfahrten in Seefeld sind sehr anspruchsvoll und ich habe mich dann tatsächlich erst kurz vor dem Ziel auf meinen Sieg gefreut. Davor dachte ich die ganze Zeit: „Konzentrier dich. Du bist vorne, aber es darf jetzt nichts mehr passieren.“

Bezüglich der Diskussion um die Disqualifizierung von Ida Marie Hagen wegen ihres Anzugs. Wie haben Sie das in Seefeld wahrgenommen?

Tatsächlich habe ich das mit der Disqualifizierung erst auf der Fahrt zur Laufstrecke mitbekommen. Wir hatten alle gemerkt, dass Ida sehr lange in der Kontrolle war, aber es gab wohl im Anschluss daran noch große Diskussionen und leider auch ungerechtfertigte Vorwürfe an die Kontrolleure, die eben auch nur ihre Arbeit machen. Letztendlich hat ein eigens gebildetes Komitee die Disqualifikation bestätigt.

Wie ist das Verhältnis unter den Athletinnen im Allgemeinen?

Ich glaube, das kommt im TV auch immer ganz gut rüber: Wir haben untereinander wirklich alle ein sehr, sehr gutes Verhältnis. Egal ob im Aufwärmraum an der Schanze, vor dem Lauf oder nach dem Lauf – es wird gelacht, umarmt, mitgelitten und mitgefreut. Ich denke, dass ist bei dem Damen in der Nordischen Kombination momentan schon etwas ganz Besonderes. Ich genieße es, mich mit den Mädels andere Nationen auszutauschen, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und finde es auch unglaublich schön, wenn mich zum Beispiel auch Trainer anderer Nationen anfeuern. Gerade zum Beispiel die französischen Trainer feuern mich immer an und freuen sich am Ende dann auch mit mir. Das ist einfach schön. Würde die ganze Welt Sport in solchen Kreisen machen, müssten wir manche politischen Diskussionen momentan gar nicht führen. Dass sich unser Lion-Team auch intern so toll entwickelt hat, ist ein Geschenk. Es tut gut, neben all dem Druck und Stress gemeinsam so viel Spaß zu haben und ich bin sehr gerne mit „meinen“ Mädels und auch mit meinen Trainern unterwegs. Wir sind zu einer richtigen Familie zusammengewachsen.

Unter den besten der Welt

Wie blicken Sie auf den bisherigen Saisonverlauf? Und was sind die Ziele für die Restsaison?

Ich bin eine ganz normale 19-jährige Schülerin an einem ganz normalen Gymnasium und in dieser Saison mitten im Abi-Jahr. Mein ursprüngliches Ziel war es, mich trotz Schule und Abi einigermaßen im vorderen Feld zu platzieren. Meine Erfolge sind mehr, als ich mir je erträumt hätte. Ich bin glücklich, mit allem, was ich erreicht habe und natürlich ganz besonders glücklich, dass ich in Otepää zeigen durfte, dass ich auch einen Weltcup gewinnen kann, wenn eine Ida Marie Hagen dabei ist. Ich hatte sie ja schon bei der WM in Planica geschlagen, aber das wurde bei den Berichterstattungen immer vergessen. Mein Ziel für die Restsaison ist, in Oslo noch mal abzuliefern. Es wäre ein Kindheitstraum, den Gesamtweltcup zu gewinnen, aber egal, wie es ausgeht – ich werde im Gesamtweltcup unter den besten der Welt sein. Das ist total verrückt!

Was versprechen Sie sich von der anstehenden Weltmeisterschaft in Trondheim?

Ich weiß, dass die Erwartungen an mich nun natürlich gestiegen sind. Aber die Weltmeisterschaft besteht aus nur zwei Einzelwettkämpfen. Einem Massenstart und einem traditionellen Gundersen-Wettbewerb. Massenstart ist sehr, sehr sprunglastig, wobei bei den Damen die Nordische Kombination ja ohnehin sehr sprunglastig ist. Wir haben im Gegensatz zu den Männern den gleichen Umrechnungsfaktor, aber leider immer nur fünf Kilometer Zeit, den Rückstand aufzuholen beziehungsweise im Massenstart Vorsprung zu erarbeiten. Natürlich wünsche ich mir eine Einzelmedaille, aber letztendlich ist der Gesamtweltcup mehr wert – auch wenn eine Weltmeisterschaftsmedaille natürlich immer die Krönung wäre. Dass wir mit dem Mixed-Team zu den Topfavoriten gehören, ist kein Geheimnis. Es wäre ein Traum, wenn wir wieder gemeinsam eine Medaille erkämpfen könnten. Im Team ist das immer noch mal schöner.

Was war bisher Ihr Lieblingsweltcup-Ort?

Ich starte einfach sehr, sehr gerne in Schonach. Die Schanze ist zwar nicht meine Lieblingsschanze – die steht tatsächlich in Seefeld – aber die Stimmung ist einmalig und ich finde es in Schonach so toll, dass die Barriere zwischen Familie, Freunden und Fans klein gehalten wird. Seefeld ist auch ein toller Weltcuport, aber dort sind wir leider immer so abgeschirmt. Die Stimmung war dort dieses Jahr aber wirklich genauso gut, wie in Schonach.