Manuela Schwesig steht wegen ihres Einsatzes für die Gaspipeline Nord Stream 2 aus Russland stark in der Kritik. Foto: dpa/Jens Büttner

Die Ministerpräsidentin hat Fehler in Bezug auf Nord Stream 2 und ihre Russlandpolitik eingeräumt – den Kritikern der Sozialdemokratin reicht das Weitem nicht. Kommende Woche könnte sich in Schwerin ein Untersuchungsausschuss formieren.

Vor einem halben Jahr ist alles noch eitel Sonnenschein gewesen. Hauchdünn nur verfehlten Manuela Schwesig und ihre SPD Ende September die absolute Mehrheit im Landtag von Schwerin, der zeitgleich zum neuen Bundestag bestimmt wurde. Über die Gründe ihres sich abzeichnenden Erfolgs wusste sie schon selbstbewusst im Wahlkampf zu berichten. „Ich glaube, die Menschen in meinem Bundesland schätzen es, dass ich auch bei Gegenwind stehen geblieben bin und anders entschieden habe, als es außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern von mir erwartet wurde“, erzählte die 47-Jährige. „Das war in Bezug auf die Schul- und Kitaschließungen so, und das war bei Nord Stream 2 so.“

Was ihr damals noch als Bürgernähe im Russland etwas freundlicher gesinnten Osten der Republik ausgelegt wurde, wird für Manuela Schwesig jetzt zum Problem. Nach ihrer gesundheitlichen Zwangspause, in die der von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Überfall auf die Ukraine fiel, beginnt nun die politische Aufarbeitung ihrer eigenen Russlandpolitik. Bei der Wiederaufnahme der Amtsgeschäfte in dieser Woche, die nach einer Krebsnachsorge-Operation von vielen guten Wünschen zur weiteren Genesung begleitet wurde, versuchte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin selbst den politischen Befreiungsschlag.

„Auch ich habe diesen Fehler gemacht“

In einer zweiseitigen Stellungnahme nannte Schwesig Putin einen Kriegsverbrecher. Sie berichtete, an Dialog, Wandel durch Handel sowie eine enge wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit Moskau geglaubt zu haben. Nun müsse sie feststellen, dass Putin alle getäuscht habe und die mit russischem Geld gegründete Klimastiftung des Landes „mit dem Wissen von heute“ ein Fehler gewesen sei. „Auch ich habe diesen Fehler gemacht“, so Schwesig.

Die Veranstaltung mehrerer Russlandtage seit 2014 steht auf der Liste der Fragwürdigkeiten, mit denen die SPD-Politikerin konfrontiert ist – schließlich hatte Russland damals schon die Krim annektiert und in der östlichen Ukraine den Separatistenaufstand tatkräftig angestachelt. Auch die Kandidatur von Gayane Kirakosjan, die nur knapp am Einzug in den Landtag scheiterte, ist nun Thema in Mecklenburg-Vorpommern, da Schwesig sie persönlich unterstützt haben soll – trotz offener Putin-Verehrung.

Im Zentrum der Kritik aber steht die im Januar 2021 gegründete „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“. Die Ministerpräsidentin hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass frühere US-Sanktionsdrohungen für sie nur „aus eigenem wirtschaftlichen Interesse der Amerikaner“ ausgesprochen wurden und der Pipelinebetrieb für sie Priorität hatte. Dementsprechend erhielt die Stiftung unter der Leitung ihres Amtsvorgängers Erwin Sellering nicht nur die Möglichkeit, Umweltschutzprojekte zu fördern, sondern auch die Pipeline. Nun soll sie im Lichte der neuen Lage schnell aufgelöst werden, ihr Stiftungskapital der Ukraine zugute kommen.

Mehr Selbstkritik und Transparenz gefordert

Das reicht Schwesigs Kritikern freilich nicht – der Druck bleibt hoch. „Ich hätte mir mehr gewünscht von der Ministerpräsidentin“, erklärt beispielsweise die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller aus Stralsund gegenüber unserer Zeitung. „Ich hoffe, dass Frau Schwesig und viele andere in der SPD sehr selbstkritisch mit sich umgehen und ihre putinfreundliche Ausrichtung der letzten Jahre ernsthaft überdenken.“ Kritik kommt nicht nur vom ukrainischen Botschafter, sondern auch von Tilman Kuban, dem Vorsitzenden der Jungen Union: „Halbgare Entschuldigungen reichen nicht aus.“ Seiner Ansicht nach müsse Schwesig „vollumfängliche Transparenz schaffen über die Struktur der Stiftung und die Verstrickungen der SPD“. Es bleibt nämlich „weiter offen, ob auch die SPD im Wahlkampf mit Geldern aus Russland über Dritte finanziert wurde“.

In Schwerin wollen Grüne, Christdemokraten und die Liberalen als Oppositionsparteien bei der Aufklärung gemeinsame Sache machen – und möglicherweise schon nächste Woche einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss initiieren. Schwesigs öffentliche Erklärungen seien „leider nichts wert“, solange ihre Regierung seine Fragen in Bezug auf Kontakte zu russischen Akteuren aus der Energie- und Gaswirtschaft nicht beantworte, monierte am Freitag der Grünen-Landtagsabgeordnete Hannes Damm.

Aus ihrer eigenen Partei muss Manuela Schwesig dagegen vorerst nichts befürchten. In der durch ihren Wahlerfolg massiv angewachsenen Landtagsfraktion gilt sie weiter als Erfolgsgarantin. Aber auch in der Bundestagsfraktion ist zu hören, dass die nun gezogenen Konsequenzen als ausreichend erachtet werden – mit einer Einschränkung. Sollte Schwesig, wie ihr immer wieder nachgesagt wird, eine Rückkehr auf die Berliner Bühne anstreben, müsste sie nach Ansicht eines Abgeordneten vorher über längere Zeit demonstrieren, dass sie sich nicht nur im Kriegsfall vom Autokraten Putin fernhalte.

Eine von Anfang an umstrittene Stiftung

Kapital
 Für die Deutsche Umwelthilfe war die im Januar 2021 gegründete „Stiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern für Klimaschutz und Bewahrung der Natur – Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ von Beginn an eine „Fake-Stiftung“, die weniger die Förderung von Umweltprojekten, sondern die Vollendung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 zum Ziel hatte. Tatsächlich stammen nur 200 000 Euro ihres Kapitals aus Landesmitteln, angeblich aber 20 Millionen Euro vom halbstaatlichen russischen Konzern Gazprom, der im Transparenzregister allerdings nicht als Hauptgeldgeber auftaucht.

Personal
 Nach Ansicht von Transparency International hat die Landesregierung die Geldgeber „bewusst verschleiert“. Über Kontakte, die zur Anbahnung führten, gibt sie nicht Auskunft. Geleitet wird die Stiftung, die nun aufgelöst werden soll, von Schwesigs Amtsvorgänger Erwin Sellering.