Pfarrer Alexander Schleicher auf dem Balkon des Pfarrhauses – dort ist sein Lieblingsplatz in Niedereschach.Foto: Bantle Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Künftig als Klinikseelsorger in Karlsruhe tätig / Im Rückblick versöhnt und mit froher Dankbarkeit

Niedereschach. In der Kirche St. Mauritius und Katharina am wird an diesem Sonntag, 13. September, um 10.30 Uhr ein Dank- und Abschiedsgottesdienst für Pfarrer Alexander Schleicher gefeiert.

Nach genau fünf Jahren verlassen Sie nun die Seelsorgeeinheit "An der Eschach". Welchen Platz wird dieser berufliche Lebensabschnitt in ihrer Erinnerung einnehmen?

Ja, ich verlasse die Pfarreien der Kirchengemeinde "An der Eschach" nach nur fünf Jahren und die Region Schwarzwald-Baar nach acht Jahren. Abschied nehmen und "neu anfangen" ist keine neue Erfahrung in meinem bisherigen Leben als Priester im Erzbistum Freiburg. Es gehört unverzichtbar zum Profil des Priesterberufes, dass man immer wieder bereit ist Gewohntes und Liebgewonnenes loszulassen. In meinem Fall entspricht es dem Wort aus dem Lukas Evangelium, das mir vor etwa 25 Jahren geschenkt wurde und das mich weiterhin begleiten wird: "Sie ließen alles zurück und folgten ihm nach" (Lukas 5,11b). Dass diese Bereitschaft nicht immer ganz einfach zu leben ist, gebe ich gerne zu. Auf die Zeit meiner Tätigkeit im Schwarzwald-Baar Kreis und besonders in der Kirchengemeinde "An der Eschach", kann ich versöhnt und mit froher Dankbarkeit zurückschauen. Die fünf vergangenen Jahre waren von Hoch- und Tiefpunkten geprägt. Ich bin dankbar für die Zeit und vor allem für die Menschen, die ich kennenlernen durfte.

Welches Ereignis oder welche Ereignisse während der vergangenen fünf Jahre haben Sie am meisten bewegt?

Als besondere Herausforderung sehe ich rückblickend, die von der Bistumsleitung in Freiburg gewünschte Zusammenführung der beiden Seelsorgeeinheiten mit ihren so unterschiedlichen Pfarreien. Sie war schon 2014, also vor meinem Dienst als leitendem Pfarrer beschlossen und formal umgesetzt. Im Alltag hat sich bis heute gezeigt, dass eine solche Zusammenführung eine "Zwangs-Ehe" bleibt, wenn sie von Menschen aus den Gemeinden nicht mitgetragen werden möchte. Dass Gläubige in den einzelnen Gemeinden ihre Kirche vor Ort sowie ihre Traditionen pflegen und möglichst erhalten wollen, ist sehr gut nachvollziehbar. Mit pastoralen Konzeptionen "von oben" ist das allerdings mehr als schwierig. Da werden Erwartungen auf den Pfarrer projiziert, die keiner erfüllen kann. Gleichzeitig wissen wir längst, dass Kirche eben nicht mehr so funktioniert wie vor vielen Jahren. Es ist mir in den fünf Jahren sicher nicht immer gelungen, so manchen Erwartungen gerecht zu werden. Dies hat dann zu Spannungen geführt, die sich nicht vermeiden ließen. Wenn ich Menschen dabei verletzt habe, dann tut es mir leid und ich bitte um Nachsicht und Entschuldigung. Darüber hinaus haben Spannungen jedoch auch positive Aspekte: In allen Gemeinden der Seelsorgeeinheit gibt es herzensengagierte Frauen und Männer, die in den zurückliegenden Jahren nicht stehen geblieben sind. Es gab die ermutigende Herausforderung und Erkenntnis: Qualität von Kirche und Leben in den Pfarrgemeinden wird nicht mehr primär vom Pfarrer abhängig gemacht, sondern eben von Frauen und Männern, die sich für die Erneuerung der Kirche engagieren. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Im gemeinsamen Pfarrgemeinderat der Kirchengemeinde wurde in einem über zweijährigen Prozess eine Pastoralkonzeption erarbeitet und verabschiedet. Auf nur knapp drei Seiten Papier wird in verständlicher Sprache die Vision einer Kirche beschrieben, für die sich Menschen gerne engagieren wollen. Das Leitbild lautet: "Die Nähe Gottes berührt". Hinter diesen Worten verbirgt sich die Erfahrung von unterschiedlichsten Menschen aus den Gemeinden. In der konkreten Umsetzung dieser Konzeption gibt es sicher noch viel zu tun. Der Text ist ein Impuls, der immer wieder neu in konkretes Handeln zu übertragen ist. An einer Stelle heißt es: "Wir lernen die Kunst des Loslassens und verabschieden uns mit Dankbarkeit von Überholtem. Wir wagen hoffnungsvoll Neues." An diesem Satz wird die große Herausforderung deutlich.

Wären Sie gerne noch länger in der Seelsorgeeinheit tätig gewesen?

Ja! Ich wäre gerne weitere fünf Jahre in der Kirchengemeinde geblieben. Wir waren – trotz manch schwieriger Situation – an einem guten Punkt im gemeinsamen Ringen um Erneuerung des Lebens in den Pfarrgemeinden, auch wenn das von Einzelnen und bestimmten Gruppierungen nicht mitgetragen wurde. Mit dem neugewählten Pfarrgemeinderat und den vielen engagierten Frauen und Männern wäre eine weitere Zusammenarbeit möglich gewesen. Nicht wenige Gläubige haben sich diese gewünscht. Andere haben dagegen gearbeitet. Es ist kein Geheimnis, dass die Entscheidung des Bischofs über "meinen Verzicht" in der Leitung der Pfarreien "von oben" entschieden wurde. Eine nachvollziehbare Begründung gab es nicht. Ich wurde darüber informiert durch die Verantwortlichen und habe das nach außen zu akzeptieren.

Was werden Sie mit Blick auf die Seelsorgeeinheit "An der Eschach" nach ihrem Wegzug wohl am meisten vermissen?

Am meisten werde ich Menschen vermissen, die ich geistlich begleiten durfte in vielen Gesprächen und Begegnungen. Nicht selten in Grenzsituationen des Lebens, in schwerem Leid, aber auch in frohen Momenten, in der Feier der Sakramente, in vielen lebendigen Gottesdiensten. Im Team der haupt- und nebenberuflichen Mitarbeiter bin ich dankbar für gute, im Glauben verwurzelte Frauen und Männer. Wir waren sicher nicht immer einer Meinung. Das habe ich allermeist als Bereicherung erlebt und wir konnten voneinander lernen. Das gilt in gleichem Maß für die engagierten Frauen und Männer im Pfarrgemeinderat, den Gemeindeteams, und vielen Gruppierungen in den Gemeinden.

Wie geht es für Sie nun beruflich weiter?

Es gab für mich vor einigen Monaten die Chance, mich auf die freiwerdende Stelle des Klinikseelsorgers am städtischen Klinikum in Karlsruhe zu bewerben, und ich habe die Zusage bekommen. Dort werde ich noch näher an existenziellen Sorgen und Nöten von Menschen im Krankenhaus dran sein können. Im Klinikum gibt es ein Team von hauptamtlichen Frauen und Männern, mit denen ich zusammenarbeiten werde für die etwa 20 Kliniken am städtischen Klinikum. Die Zusammenarbeit wird in der Rufbereitschaft auch ökumenisch geprägt sein. Die Gottesdienste feiere ich dann nicht mehr in den Pfarreien, sondern in erster Linie im Klinikum und für alle, die dazukommen.

Wird man Sie nach Ihrem Wegzug hin nun wieder in den Gemeinden der Seelsorgeeinheit Niedereschach antreffen oder brechen Sie die vorhandenen Kontakte ab?

Vertraute Beziehungen werden sicherlich nicht einfach von mir abgebrochen, aber Karlsruhe ist ja nicht ganz um die Ecke. Ich werde nicht mehr als Seelsorger hier tätig sein. Je nachdem, wie es der Dienst am Klinikum zulässt, werde ich gerne mal wieder Menschen besuchen kommen, die das wünschen und wertschätzen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Für die Kirche wünsche ich mir Frauen und Männer, die gleichberechtigt auf allen Ebenen mit ihrem Glaubenszeugnis dazu beitragen, dass die Kirche Jesu Christi wieder attraktiv werden kann. Ja, es darf und muss noch ganz vieles "zu Grunde gehen", damit Neues "auferstehen" und wachsen kann. Das ist die Botschaft, die wir in jedem Gottesdienst verkünden. Dabei berufen wir uns auf Jesus, den Christus, den Lebensbruder und Friedensboten aus Nazareth. Für mich selbst wünsche ich mir, dass ich ein Lernender bleibe, dass ich achtsam bleibe für mich selbst und die Eigenheiten eines jeden Menschen. Gelassenheit und Vertrauen. Ich wünsche mir, dass es Menschen gibt in meinem Leben, die die gleiche Sehnsucht teilen, in der Gewissheit vor aller Leistung und allem Tun getragen und geliebt zu sein. Das ist die Kraftquelle, aus der ich täglich neu leben möchte – mit anderen.  Die Fragen stelle Albert Bantle.

Der Abschiedsgottesdienst findet am Sonntag um 10.30 Uhr in der Kirche St. Mauritius und Katharina statt. Der Gottesdienst wird von der Kirchenband "Sempre Tu" musikalisch mitgestaltet.

Aus Corona-Schutzgründen wird es eine Video-Übertragung in den Katharinensaal unter der Kirche geben – für den Fall, dass mehr Menschen kommen, als Plätze unter Berücksichtigung der Abstandsregeln zur Verfügung stehen. Zusätzlich wird der Gottesdienst aufgezeichnet und ist auf Youtube zu sehen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird darauf hingewiesen, dass es möglich sein kann, dass Personen, die den Gottesdienst mitfeiern von den Kameras erfasst werden. Der Livestream kann auch zu späterem Zeitpunkt abgerufen werden.

Alle weiteren Informationen finden sich auf www.kath-andereschach.de