Schocknachricht: Touratech in Niedereschach hat Insolvenz angemeldet. Foto: Eich

Motorradspezialist in Schieflage: Liefer- und Produktionsausfälle durch Neubau sollen Ursache sein.

Niedereschach - Schocknachricht für Motorradfreunde weit über die Region hinaus: Über das Vermögen der Touratech Aktiengesellschaft wurde am Freitag das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit selbstgebauten Alukoffern und dem ersten beleuchteten Fahrradtacho fing einst alles an, mittlerweile ist das Motorrad-Zubehör der Firma aus Niedereschach für viele Biker im rüttelerprobten Alltag auf abenteuerlichen Pisten in aller Welt nicht mehr wegzudenken. Das Produktspektrum umfasst längst mehr als Tripmaster und Koffersysteme. Motorradzubehör und Produkte für Reisen, Outdoor und Sport mit dem Motorrad stehen im Portfolio. Vor allem für BMW sind die Zubehör-Spezialisten aus Baden-Württemberg verlässliche Partner geworden, die nicht nur Zubehör für die BMW Enduros konstruierten, sondern inzwischen ganze Umbauten für BMW entwickelten.

Umso mehr bangt man nun um die Zukunft des innovativen Unternehmens, das seit 1990 besteht und in den vergangenen Jahren so rasant gewachsen ist und stetig expandiert hat. Erst im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen in Niedereschach sein neues Logistikzentrum mit Shop, Lager und Büros in Betrieb genommen.

Mehr als zehn Millionen Euro wurden in das Gebäude gegenüber des bisherigen Standorts investiert. Dem Expansionskurs des Unternehmens mit entsprechend hoher Nachfrage nach Touratech-Produkten und einem überproportionalen Wachstum in vielen Ländern wollte man gerecht werden, hieß es damals. Mit dem Neubau war eine Ausweitung der Fertigungskapazitäten auf 4000 Quadratmetern Produktionsfläche verbunden gewesen.

Eine Maßnahme, die zu spät umgesetzt worden sei, heißt es in einer Pressemitteilung der Kanzlei Schultze & Braun Schultze & Braun, zu welcher der zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte Dirk Pehl aus Achern gehört. Durch die "damit verbundenen Schwierigkeiten seitens Logistik und Fertigung sowie die in erheblichem Umfang entstandenen Produktions- und Lieferausfälle sei es schließlich zur Insolvenz gekommen.

Touratech beschäftigt 400 Mitarbeiter, gilt als größter Arbeitgeber in Niedereschach und ist als innovatives Unternehmen, das 80 Prozent seiner Produkte in alle Welt exportiert, ein Aushängeschild für die Wirtschaft der Region. Vertreten wird die Aktiengesellschaft durch den Vorstand mit Jochen Schanz, Herbert Schwarz und Martin Wickert.

Am Freitagvormittag erbat sich Alexander Schönborn, der in der Marketingabteilung für Touratech beschäftigt ist, noch etwas Zeit, als der Schwarzwälder Bote Näheres über die vorläufige Insolvenz wissen wollte. Bereits am Donnerstag war der Antrag beim Amtsgericht in Villingen-Schwenningen gestellt worden. Am späteren Vormittag wurde dann die Belegschaft im Rahmen einer Betriebsversammlung über die Schieflage des Unternehmens informiert – die Löhne und Gehälter seien bezahlt, heißt es aus dem Büro des Insolvenzverwalters. Er wolle die vorläufige Insolvenz nutzen, um sich einen Überblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verschaffen und Sanierungsoptionen zu prüfen.

Der Geschäftsbetrieb laufe unverändert weiter. "Touratech hat bereits vor dem Insolvenzantrag mit seinen Beratern erste Grundzüge für ein Sanierungskonzept entworfen", so Pehl gestern. Nun gelte es, die Restrukturierung umzusetzen und Möglichkeiten zu entwickeln, "um das Unternehmen auf eine gesunde finanzielle und wirtschaftliche Basis zu stellen, um den Standort und die Arbeitsplätze möglichst zu erhalten.

Info: Die Geschichte

Touratech fing ganz klein an. Alukoffer und beleuchtete Fahrradtachos standen am Anfang. 1990 der Meilenstein und Startschuss für das heutige Unternehmen. Der erste IMO, ein elektronischer Tripmaster, war in einer Auflage von 100 Stück produziert worden. Er gab Informationen über Streckenlänge, Durchschnitte, speicherte Tageskilometer einer ganzen Reise, zeigte Motortemperatur und Außentemperatur. Wasserdicht, alles in einem Gehäuse, "das war eine bahnbrechende Entwicklung", erinnert man sich noch heute. Damit ging die frisch gegründete GBR Touratech auf den Markt. 

Partner der ersten Stunde waren Herbert Schwarz und Jochen Schanz. Gemeinsam betrieben sie die Touratech GBR nebenberuflich. Doch das Unternehmen wurde zu groß. 1995/96 stiegen sie hauptberuflich ein. Zwei Männer für alle Fälle – sie entwickelten, beschafften Material, stellten die Produkte her und vertrieben sie, sogar die Kundenberatung lag in ihren Händen.

Erst ab 1997 wurden erste Mitarbeiter eingestellt. Es ging weiter bergauf: Touratech zog 1998 in ein großes Gebäude in Niedereschach. 1999 wurde aus dem bestehenden Geschäft die Touratech AG gegründet, diese wuchs weiter, bis 2016 sogar zehn Millionen Euro in einen Neubau investiert wurden.