Bei der Bürgerenergie Niedereschach (BEN) engagieren sich (oben, von links) Jörg Glatz und Matthias Ratz sowie (unten) Alwin Rist, Claudius Braun, Christof Beck, Alexander Heinzelmann und Martin Ragg. Foto: Bantle Foto: Schwarzwälder Bote

Bürgerenergie: Tag der offenen Tür in der Heizzentrale / Team muss in den ersten Jahren gegen viele Widerstände kämpfen

Dass die Gemeinde sich Bio-Energiedorf nennen kann, verdankt sie einigen ehrenamtlich engagierten Bürgern, die sich 2009 erstmals trafen und die eines einte: einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Niedereschach. Anfangs von manchen diesbezüglich noch etwas belächelt, suchte sich der zunächst kleine Kreis von sechs Aktivisten, ganz gezielt Menschen aus der Gesamtgemeinde mit sehr unterschiedlichen Biografien und Talenten aus, von denen man annahm, dass sie zu dem geplanten Projekt passen. So kam eine rund 20-köpfige Gemeinschaft zusammen, wie sie unterschiedlicher kaum hätte sein können und dennoch gut harmonierte.

Man gründete die Genossenschaft Bürgerenergie Niedereschach (BEN). Die rund 20 Aktivisten arbeiteten zielstrebig sowie hartnäckig, auch Widerständen trotzend, an ihrer großen Vision. Es begann mit kleineren Projekten, wie dem Bau einer Photovoltaikanlage und einer Nahwärmeleitung von der Biogasanlage des "HSV", dahinter verbergen sich die Namen der Familien Herbst, Stern und Vosseler als gemeinsame Betreiber dieser Anlage, bis zur Schule. Die bislang in die Luft geblasene Wärme der Biogasanlage konnte damit sinnvoll und für alle Beteiligten, genutzt werden. Insofern hat damals alles angefangen mit "heißer Luft".

Gegner des Projekts sprechen sogar eine Morddrohung aus

So richtig Fahrt nahm die BEN mit dem ehrgeizigen Millionenprojekt auf, in Niedereschach ein großes, aus regenerativen Energie gespeistes Fernwärmenetz, aufzubauen. Ein Projekt, das bei manchen Bürgern Unbehagen und heftige Widerstände auslöste, die auf ihrem Höhepunkt in einer Morddrohung gegen ein Mitglied des BEN-Vorstandes gipfelten.

Heute sind 263 Gebäude angeschlossen. Die neben der Schule erbaute Heizzentrale funktioniert bestens und die Lage hat sich längst beruhigt. Nun, nachdem alles bestens funktioniert, findet am Sonntag, 15. Oktober, ab 10 Uhr ein Tag der offenen Tür in der Heizzentrale statt.

Im Vorfeld dieser Tages der offenen Tür haben wir mit einigen Mitgliedern aus den Reihen der in der BEN engagierten Menschen gesprochen.

"Motor" und Vorstandsvorsitzender ist Alwin Rist. Er stand, quasi als "Fels in der Brandung" und musste viel einstecken. Im Nachhinein wundert er sich selbst, wie er alles ausgehalten hat und dass man das ehrgeizige Projekt, angesichts der Widerstände hat umsetzen können. Auf sich persönlich bezogen hat es ihm "sehr weh getan", dass bestehende Freundschaften zerbrochen sind und wie er plötzlich im Alltag "Distanzierungen" verspürt habe, die teils bis heute anhalten. Auch wenn zu 90 Prozent wieder alles beim Alten sei, spüre er bei den restlichen zehn Prozent eben doch, dass es nicht mehr so ist, wie es einmal war. Wichtig ist es Rist heute festzustellen, dass aus seiner Sicht, entgegen so mancher Befürchtung, keiner durch das Projekt einen Nachteil erleiden musste.

Ganz anders hat Claudius Braun, Vorstand Technik, sein Engagement bei der BEN erlebt. Der Maschinenbauingenieur, der beruflich seit Jahrzehnten durch die ganze Welt tourt, wurde beim Weihnachtsmarkt 2009 am Stand der BEN auf die noch ganz am Anfang stehenden Aktivitäten und die Visionen der noch kleinen Gruppe der Aktivisten aufmerksam. "Da mache ich mit", war die spontane Reaktion von Braun. "Recht leichtfertig habe ich zugesagt, im Bereich der Technik mitzuhelfen, obwohl mir dieses Gebiet bis dahin völlig fremd war", sagt Braun nun im Nachhinein. Er habe in dieser Zeit ganz persönlich unheimlich viel gelernt. Dazu gehörte auch, wie man mit schwerem Gerät durch unwegsames Gelände trotzdem Leitungen verlegen kann und wie man, wenn alle zusammenarbeiten, vieles bewegen kann.

Christof Beck ist Mitglied des Aufsichtsrates. Das Nahwärmeprojekt hat den umweltbewussten Mann sofort begeistert. "So einen Moment gibt es nur einmal im Leben und dann noch mit den richtigen Leuten und zum richtigen Zeitpunkt", sagt Beck heute. Er, der beruflich Unternehmen prüft und sah sich plötzlich in der Rolle eines Unternehmers. Als "waschechter Bürokrat" entdeckte er aus seiner Sicht "unbefriedigende Vorgaben von Behörden und der EU", die er heute als "bürokratisches Hindernisrennen" betrachtet. Er hat bei Zuschussanträgen mitgewirkt und ist an manchen rund 150 Seiten umfassenden Antragen fasst verzweifelt.

Jörg Glatz ist im technischen Bereich der BEN aktiv und ihn hat das ambitionierte Nahwärmeprojekt der BEN von Anfang an auch von seinem Berufsleben her interessiert. Ihn als Techniker es fasziniert, beim Aufbau der Heizzentrale ein Mitspracherecht zu haben, bei den Fachplanern Gehör zu finden und dadurch bei den Planungen auch sein eigenes Wissen ganz konkret mit eindringen zu können. Es sei keine "normale Heizzentrale", sondern etwas ganz Besonderes. Dass dadurch 265 Gebäude rund um die Uhr versorgt werden können, macht ihn nicht nur stolz, sondern hat ihm auch einige schlaflose Nächte bereit. Vor allem nach dem Brand kurz nach Eröffnung der Heizzentrale habe er sich nicht mehr wohl gefühlt. Danach habe man sich selbst Auflagen gemacht, damit sich ein solcher Vorfall nicht mehr wiederholen kann.

Matthias Ratz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender, wusste anfangs gar nicht so richtig, was die Initiatoren von ihm wollen. Doch schnell war auch er von dem Projekt begeistert. Auch er ist voll des Lobes über die personelle Zusammensetzung bei der BEN, wo jeder sein Spezialgebiet habe. Unverständlich ist ihm auch jetzt noch so mancher Kommentar, Leserbrief und Einwand aus der Zeit des "Widerstandes".

Alexander Heinzelmann, Finanzvorstand der BEN, betont, dass er durch sein Engagement für die BEN nach Jahren der "Wanderschaft von Ort zu Ort" in Niedereschach sesshaft geworden ist, durch die BEN viele Menschen kennengelernt habe und eine regelrechte Bewusstseinserweiterung vollzogen habe. Mehrmals habe er bei der BEN erlebt, was Leute erreichen können, wenn sie sich gegenseitig unterstützen. "In so einem Flecken musst du bleiben", habe er gedacht und sei in dieser Einschätzung von seiner Frau bestärkt worden.

Martin Ragg ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der BEN. 2010 zum Bürgermeister in Niedereschach gewählt, wurde er sofort nach seinem Amtsantritt um Mitarbeit im Aufsichtsrat gebeten und zum Vorsitzenden "befördert". Für ihn sei es eine unheimlich lehrreiche, aber auch nicht einfache Zeit gewesen, in der es galt, immer wieder auch Kompromisse zu finden. Stück für Stück habe sich die BEN so vorangetastet. Ihn habe es beeindruckt, wie sich die BEN auch durch Widerstände nicht habe aus der Bahn werfen lassen.

Auch die junge Generation im Ort für die BEN begeistern

Einig ist man sich bei der BEN, dass in naher Zukunft versucht werden soll, auch die junge Generation im Ort für die BEN zu interessieren und zusammen mit jungen Menschen vielleicht irgendwann weitere Projekte im Sinne ökologischen Nachhaltigkeit und der Energiewende umsetzen zu können. Dies sei ein Prozess, der dauern werde, doch gerade die junge Generation werde nicht um diese Themen herum kommen, davon sind bei der BEN alle überzeugt.