Dringenden Handlungsbedarf sehen die Milchviehhalter, um mehr Tierwohl zu erreichen. Foto: © beatrice prève – adobe.stock.com Foto: Schwarzwälder Bote

TierwohlAndreas Schleicher sieht dringenden Handlungsbedarf / Erhöhung der Mehrwertsteuer reicht laut Milchviehhaltern nicht aus

Für mehr Tierwohl brauche es mehr als die derzeit zur Debatte stehende Erhöhung der Mehrwertsteuer, erklärt der Dauchinger Landwirt Andreas Schleicher, der auch stellvertretender Landesvorsitzender und Kreis-Team-Leiter des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) ist.

Niedereschach/Dauchingen. Mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch auf den Regelsteuersatz von 19 Prozent wollen politische Entscheidungsträger, Wissenschaftler und Tierschutzorganisationen die für mehr Tierwohl notwendigen Investitionen mit Steuergeldern mitfinanzieren. Der BDM sieht diesen Vorstoß als ein positives Zeichen dafür an, dass sich langsam auf gesellschaftlicher wie auf politischer Ebene die Erkenntnis durchsetzt, dass in der Produktion von Milch und Fleisch das System des "Immer billiger, immer effizienter" mit dem damit verbundenen Kostendruck Mensch und Tier an ihre Leistungsgrenzen führt und dringender Handlungsbedarf gegeben ist.

"Es gibt viele Bäuerinnen und Bauern, die motiviert wären, in mehr Tierwohl zu investieren, die sich aber angesichts der bisherigen Ausrichtung der Agrarpolitik auf niedrige Lebensmittelpreise dazu nicht in der Lage sehen", erklärt Schleicher. "Mit einer aus der Angleichung des Steuersatzes finanzierten Prämie würde sich für die Gesellschaft ein Weg eröffnen, sich flächendeckend an den Kosten für mehr Tierwohl in der Landwirtschaft zu beteiligen. Offen bleibt allerdings, ob das EU-Recht diese Art der Förderung zulässt. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg dieser Prämie wird auch sein, ob und wie es gelingt, diese Mittel langfristig verlässlich für Tierwohl-Investitionen zu binden." Es brauche mehr als eine Steuererhöhung. "Viele tierhaltenden Betriebe laufen angesichts einer permanenten Kostenunterdeckung und angesichts wiederkehrender Krisen ›auf Kante‹ und haben keine Reserven mehr, die nötig wären, um die notwendigen Investitionen in eine Modernisierung der Ställe vorzunehmen", sagt Schleicher.

Die beschlossene Ausrichtung der EU-Agrarpolitik auf billige, international wettbewerbsfähige Lebensmittelpreise habe die Landwirte in eine vertrackte Situation geführt und diese Situation und Ursache vieler Probleme löse sich auch mit einer Erhöhung des Steuersatzes nicht auf. "Hier müssen wir ansetzen, um nicht dauerhaft von öffentlichen Geldern abhängig zu sein", so Schleicher weiter. Alle bisher angestoßenen Initiativen für mehr Tierwohl, die darauf aufgebaut seien, dass sich Verbraucher, Lebensmitteleinzelhandel und Landwirte die Mehrkosten für mehr Tierwohl teilen, würden bisher keinen Erfolg zeigen und auch nicht die Wirtschaftlichkeit versprechen, die nötig sei, um teure Investitionen vorzunehmen. Sie erreichen nach Überzeugung von Schleicher nur einen kleinen Teil der Tierhalter, lassen den scharfen internationalen Wettbewerb, in dem die Tierhalter stehen, unberücksichtigt, beziehen sich nur auf kleine Marktsegmente, sind in ihren Kriterien und Kennzeichnungen unübersichtlich, werden als zu weich kritisiert oder kommen nicht in Gang. Die Liste der Kritikpunkte sei fast so lang wie die Liste der vielen Initiativen.

Dies führe dazu, dass sich viele Landwirte trotz aller Motivation angesichts einer völlig ungesicherten Wirtschaftlichkeit nicht in der Lage sehen, Investitionen vorzunehmen, während gleichzeitig die gesellschaftliche Kritik immer lauter werde. "Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, damit Steuermittel zur Zielerreichung beitragen können und nicht durch andere Weichenstellungen im Markt konterkariert werden", betont Schleicher. Dazu gehöre, eine echte Nutztierhaltungsstrategie und vor allem Marktrahmenbedingungen dafür zu schaffen, die es den Landwirten ermöglichen würden, die Kosten für eine tier- und artgerechte Tierhaltung ganz überwiegend am Markt zu erwirtschaften. Mit keiner Initiative oder Prämie allein könne es gelingen, verlässlich das auszugleichen, was über den Markt nicht generiert werden könne. Ganz wichtig sei in diesem Zusammenhang, immer wieder auftretenden Marktkrisen mit massiven Preisabstürzen, bei denen die Betriebe viel Substanz einbüße, aktiv entgegenzuwirken. "Unser Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept muss auf Bundes- und EU-Ebene endlich umgesetzt werden und auch die Ausrichtung der Agrarmarktpolitik auf billige Massenproduktion im Interesse der Konzerne muss abgestellt werden. An diese Stelle muss eine Politik treten, die die Interessen von Bürgern, Bauern und unseren Tieren vertritt", fordert Schleicher.