Andreas Schleicher, der auf seinem Hof im Längental dieser Tage erstmals in diesem Jahr seine Kühe wieder auf die Weide ließ, macht konkrete Vorschläge, was jetzt wichtig wäre, um die Krise zu meistern. Foto: Bantle Foto: Schwarzwälder Bote

Landwirtschaft: Milchviehhalter fordern Hilfen / Andreas Schleicher blickt mit Sorge auf Entwicklung

Wie viele seiner Milch produzierenden Berufskollegen betrachtet der im Längental zwischen Niedereschach und Dauchingen beheimatete Landwirt Andreas Schleicher die Entwicklung vor dem Hintergrund der Coronakrise mit großer Sorge.

Niedereschach/Dauchingen. Der Milchmarkt sei in Bedrängnis. Die Zeichen hierfür häufen sich, so Schleicher, der auch stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM) und Kreis-Team-Leiter ist.

Bereits in den vergangenen Tagen seien die Preise für Milchprodukte an den internationalen und europäischen Warenterminbörsen immer stärker eingebrochen. Und auch die Molkereien senden mittlerweile Signale, die klar auf die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus für den europäischen und deutschen Milchmarkt hinweisen, so Schleicher.

So habe der Generalsekretär der European Dairy Association EDA, Alexander Anton, diese Woche EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski um Unterstützung für die private Lagerhaltung der europäischen Molkereien gebeten. Die Molkereien wüssten nicht mehr, wie lange sie den Betrieb noch aufrechterhalten könnten. Magermilchpulver lasse sich zurzeit nicht mehr exportieren. Der Absatz von frischen Molkereiprodukten laufe gut, sei aber mit logistischen Problemen verbunden.

Auch der Genossenschaftsverband Bayern, so Schleicher, fordere Unterstützung für die Milchverarbeiter in Form einer vollständigen Übernahme von Kreditrisiken und Bürgschaften. Milchverarbeitende Betriebe hätten zwei Probleme: Absatzmärkte wie China und Italien seien praktisch weggebrochen und Hotels und Gastronomiebetriebe bräuchten kaum noch Ware.

Den europäischen Milchmarkt als Ganzes betrachten

Wichtig sei aus Sicht des BDM und Schleichers, den europäischen Milchmarkt als Ganzes und nicht nur beschränkt auf die "Verarbeiterstufe" zu betrachten. "Hilfen zu fordern, aber sich gleichzeitig mit der Anpassung der Milchanlieferung an die Nachfrage noch nicht einmal konkret zu befassen, passt aus meiner Sicht in dieser hochkritischen Marktphase nicht zusammen", sagt Schleicher. Ganz wichtig sei vor allem, durch zeitlich auf die Corona-Pandemie befristete, mengenbegrenzende Maßnahmen auf EU-Ebene jetzt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Milchmarkt nicht noch weiter abrutschen könne. Die Leidtragenden seien am Ende – wie bei allen vergangenen Krisen auch – die Milchviehbetriebe, die angesichts der vergangenen Krisen und Dürren ohnehin "auf Notstrom laufen".

"Wir sehen doch aktuell ganz deutlich, dass wir es uns nicht leisten können, noch mehr Betriebe in der Fläche zu verlieren", appelliert Schleicher im Einklang mit dem BDM an die Weitsicht der Politik. "Alle Zeichen stehen auf Sturm. Wir haben jetzt – noch – die Möglichkeit, schlimmeren Sturmschäden vorzubeugen. Dafür müssen wir marktwirtschaftlich handeln. Dazu gehört auch der Blick auf das Milchangebot." Für die Milchviehhalter komme das dicke Ende auch dann noch, wenn die restliche Wirtschaft wieder langsam anspringe. "Wenn wir bei der Inlandsnachfrage eine Art Weihnachtseffekt erleben, der dazu führt, dass nach den Vorratseinkäufen erst einmal eine Nachfragedelle entsteht, tritt dieser in einer Zeit ein, in der eine normale Exporttätigkeit noch nicht wieder möglich ist", befürchtet Schleicher. "Das wäre wirklich eine Katastrophe", warnt er.

Man dürfe auch in dieser Krise nicht nur auf Sicht fahren, sondern müsse in die nähere Zukunft schauen. Das bedeute, dass man jetzt handeln müsse, um Schäden zu minimieren.

Das Kriseninstrument der privaten Lagerhaltung und Intervention allein werde nicht ausreichen und die Erfahrungswerte der eingelagerten Milchpulverberge in den Jahren 2015/2016 würden zeigen, dass damit die Probleme für die Milchviehbetriebe über die Krise hinaus verlagert werden.