Das Breitenberger Schulhaus, heute privates Wohngebäude, musste während der Typhusepidemie 1896 zeitweise schließen. Rechts, von der Seite des benachbarten Pfarrhauses her, war früher der Zugang zum Bürgermeisteramt.Foto: Schabert Foto: Schwarzwälder Bote

Epidemie: Verunreinigtes Trinkwasser früher ein Hauptüberträger / In Deutschland ist die Krankheit heute fast ausgerottet

Zeitungsmeldungen und Anzeigen aus dem Calwer Wochenblatt des Jahres 1896 verdeutlichen es: Vor 125 Jahren wütete in der Waldgemeinde der Typhus. Calws Dekan Braun schaltete am 27. März folgende Anzeige: "In Breitenberg ist eine große Anzahl von Familien diesen Winter durch die Typhusepidemie schwer betroffen worden."

Neuweiler-Breitenberg. Weiter geht daraus hervor, dass "dieselben vielfach nicht imstande sind, die zur Wiederherstellung nötigen Stärkungsmittel anzuschaffen, so werden edle Menschenfreunde um Beiträge ersucht". Die für Breitenberg erbetene Hilfe kam. In den alten, digital im Calwer Kreisarchiv erschlossenen Zeitungen ist dies nachzulesen.

Schon einige Wochen vorher bedankt sich Breitenbergs Pfarrverweser Ströle "auch im Namen der Kranken" in dem Blatt, dass ihm Badbesitzer Bauer in Teinach "500 Krüge Teinacher Wasser zur Erquickung der am Typhus erkrankten Glieder hiesiger Gemeinde übersandt". In der gleichen Ausgabe richtet sich eine weitere Annonce des "gemeinschaftlichen Amts", unterzeichnet von Ströle und Schultheiß Kübler, mit Dankesworten an das "Bezirkskomite der Hagelgeschädigten" für die "reiche Gabe von 150 M[ark]zur Linderung der hier durch die Typhusepidemie entstandenen Not". Dies war eine ordentliche Unterstützung in der Zeit, als ein Hühner-Ei sieben bis neun Pfennig oder ein halbes Pfund Butter 35 bis 70 Pfennig kostete.

Ein Zeitungsartikel berichtete im Januar 1896 davon, dass es in Breitenberg zu einer Reihe von Todesfällen durch die Krankheit gekommen sei.

Drei Kinder verloren

Ein Witwer habe nacheinander drei Kinder im Alter von neun, 16 und 17 Jahren verloren. Parallelen zu diesen Tagen bringt der letzte Satz, wenn es heißt: "Den ganzen Dezember durch war die Schule geschlossen. Erst jetzt, nachdem die Krankheit in ihrer Heftigkeit nachgelassen hat, konnte sie wieder geöffnet werden." Im August 1898 war im Calwer Wochenblatt unter Angabe der Quelle "Pforzheimer Beobachter" zu lesen, dass ein Konzert abgesagt werden musste, "weil die Militärkapelle wegen des hier grassierenden Typhus keinen Urlaub nach Pforzheim erhalten konnte".

Schon Jahrzehnte vorher war Typhus vor allem in den größeren Städten und weltweit eine Seuche, die den Menschen neben der Cholera zu schaffen machte. Beides sind Infektionskrankheiten, deren Ursachen vor allem im verunreinigten Trinkwasser stecken. Typhus kann aber auch über kontaminierte Speisen übertragen werden. So starben 40 Soldaten eines Infanterieregiments in Saarbrücken 1898 nach dem Genuss von Kartoffelsalat, den der Mannschaftskoch nach Säuberung einer Abwasseranlage zubereitet hatte, ohne sich die Hände zuvor zu reinigen.

Einen Typhusausbruch trug noch 1919 verunreinigtes Trinkwasser aus dem Grösseltal in das schon früher stark betroffene Pforzheim. Unter 3700 Erkrankten überlebten 335 nicht. Weitere 154 Todesopfer forderte in der gleichen Zeit die heimtückische Darmerkrankung Ruhr, die 1000 Menschen aufgrund der gleichen Ursache traf. Als Grund der Verunreinigung mit entsprechenden Erregern wurden auf einer Wiese hinter einem Haus oberhalb der Grösseltalquellen entsorgte Exkremente ermittelt; vor allem nach der Schneeschmelze wurde Jauche – sonst durch die Filterschichten im Boden gereinigt – über das gefrorene Erdreich talwärts den Quellen zugeleitet. Heute tritt die Krankheit in Deutschland kaum noch auf.

Am 16. September 1899 heißt es im damals dienstags, donnerstags und samstags erscheinenden Calwer Wochenblatt im ersten Beitrag unter "Amtliche Bekanntmachungen" auf der Titelseite: "Die Herren Ärzte und Ortsvorsteher werden mit Rücksicht auf das erneute heftige Auftreten des Typhus in Pforzheim angewiesen, dem Oberamt sofort Anzeige zu erstatten, sobald jemand an Typhus erkrankt. Die Polizeibediensteten und Leichenschauer sind hienach zu instruieren." Unterzeichner waren vom Königlichen Oberamt Voelter, der Oberamtmann (in späteren Jahren in Landrat umbenannt), und vom Königlichen Oberamtsphysikat Dr. Müller. Typhus kommt in Deutschland nur noch selten vor, aber unterliegt auch heute einer Meldepflicht.